MÜNSINGEN. Drucken, prägen, stanzen, falzen, nummerieren: Das alles hat Ralf Rüffles Maschine drauf. Sie ist kein Hightech-Wunderding, sondern gleichermaßen geniale wie solide Ingenieurskunst des anbrechenden Industriezeitalters im 20. Jahrhundert: Der Heidelberger Tiegel, wie der kompakte, rund 1,2 Tonnen schwere Apparat in der Fachsprache heißt, ist das Herzstück des Ateliers, das Rüffle im Münsinger Albgut eingerichtet hat. »Die Maschine und das Gebäude sind in derselben Ära entstanden, sie passt wunderbar hier rein und ich habe jede Menge Platz«, freut sich der Druck-Experte, dass er die ehemalige Kaserne am Rande des Truppenübungsplatzes für sich entdeckt und einen Ort gefunden hat, an dem er sein Projekt verwirklichen kann.
Seit Januar ist er in der ehemaligen Soldaten-Unterkunft am Werkeln, seit Kurzem öffnet er – wie auch seine Nachbarn in den umliegenden Gebäuden – seine Manufaktur »Letterpress Buchdruck« jeden Sonntag für Besucher (siehe Box). Gäste dürfen sich zum Beispiel beim »Mix Max« ein eigenes Kunstwerk drucken: Gemeinsam mit seinen Töchtern Carlotta (12) und Liselotte (8) hat er nach dem Vorbild des beliebten Kinderspiels Kopf, Rumpf und Beine verschiedener fantastischer Wesen gezeichnet und in Linoleum geschnitten. Die Druckvorlagen dürfen Gäste nach Lust und Laune kombinieren, mit Farbe bestreichen und mit der Handpresse auf Papier verewigen. Auch ein Bierdeckel-Unikat im Pop-Art-Design mit einem in Bleilettern gesetzten und in einer kleinen Handmaschine gedruckten Namen ist recht schnell fertig.
Wer’s nicht ganz so eilig hat, kann sich und seine künstlerischen Ideen in einem Workshop selbst verwirklichen. Das gilt für Menschen, die schon immer mal ihren eigenen Linol- oder Holzschnitt anfertigen wollten genauso wie für all diejenigen, die was zu feiern haben und ihre Gäste schon vor dem Fest per Post entzücken wollen: Ralf Rüffle findet, dass man auf einem Bierdeckel nicht nur seine Steuererklärung (frei nach Friedrich Merz von der CDU), sondern durchaus auch stilvolle Einladungen machen kann (siehe Bilder unten).
Weder Produktion noch Design sind von der Stange: Die Vorstellungen von Brautpaaren beispielsweise setzt Ralf Rüffle in eine Druckvorlage um, am Heidelberger Tiegel dürfen die Verliebten dann selbst ihre gewünschte Auflage drucken. Ums Feintuning kümmert sich der Fachmann: Ralf Rüffle weiß, was eine Umdrehung an dieser oder jener Stellschraube ausmachen kann, wenn Papier – vom hauchzarten Blättchen bis zum kernigen Karton – im Tiegel, dem Bauch der Maschine, mit Farbe und bis zu 40 Tonnen Druck veredelt wird.
»Auf so einer Maschine habe ich damals gelernt«, sagt der Mann, der in Kirchheim/Teck lebt und die badischen Wurzeln beim Reden charmant durchklingen lässt. Telefonbücher haben der Azubi und seine Kollegen damals im Karlsruher Betrieb gedruckt. Mit der Digitalisierung brach das Geschäft ein, die Druckerei gibt’s inzwischen nicht mehr. Der Buch- und Offsetdrucker sattelte ein Studium im Verlagswesen an der Stuttgarter Fachhochschule für Druck drauf und machte sich nach einem Intermezzo als fest angestellter Verlagsmitarbeiter selbstständig: Die Ralf-Rüffle-»One-Man-Show« produzierte Kinder- und Kochbücher. Vor gut zehn Jahren erfuhr der Badener dann von der Auflösung einer handwerklichen Druckerei in Bretten. So gelangte der Heidelberger Tiegel in seinen Besitz, seit 2015 ist die Druckerei nicht mehr nur ein Hobby, sondern ein angemeldetes Gewerbe.

Etiketten für die Nachbarn
Zu Rüffles Kunden gehören nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen, die etwas Besonderes verschicken oder ihre Mitarbeiter mit extravaganten Visitenkarten ausstatten wollen. »Ich mag Spezialaufträge, die normale Druckereien nicht mehr leisten können«, sagt er. »Buchdruck ist deutlich aufwendiger als Offsetdruck, aber das sieht man auch.« Wichtig ist nicht nur, wie etwas aussieht, sondern auch, wie es sich anfühlt: Rüffle weckt das Gespür seiner Kunden für die Haptik unterschiedlicher Papierqualitäten und Prägungen. Diejenigen, die ihre edlen Poststücke nicht mit ihrer Sauklaue verpfuschen möchten, vermittelt der Drucker an ein Schönschreibbüro, das den Adressaten formvollendet auf dem Umschlag verewigt. Und für einen Juwelier zum Beispiel hat er lange an den Falzlinien für einen Liebesbrief getüftelt, damit sich das rosarote Papierkunstwerk unfallfrei von der Empfängerin entfalten lässt. Dass der Ring herausfällt oder die Herzdame ewig wurschteln muss, bis sie ihn hat, ist das Letzte, was man sich für den perfekten Heiratsantrag wünscht.
MANUFAKTUREN IM ALBGUT
Immer sonntags sind die Türen offen
In den »BTs«, den Truppenunterkünften des ehemaligen Alten Lagers, haben folgende Albgut-Manufakturen immer sonntags geöffnet, die Zeiten (in Klammern) variieren: Letterpress Buchdruck (14-18 Uhr), Flomax Naturmode (11-17 Uhr), Emma’s Springerle (14-18 Uhr sowie wochentags 10-14 Uhr), Seifenmanufaktur (14-18 Uhr), Schokoladen- und Kaffeemanufaktur mit Café (14-18 Uhr), Alb-Ölmühle (14-18 Uhr), Hoeschele Merino-Woll-Bekleidungsmanufaktur (13-17 Uhr). Im Aufbau sind eine Nudel- und eine Essig-Manufaktur. Die Akteure stellen sich bei Events und an Aktionstagen zusätzlich einzeln oder gemeinsam vor. Vom 1. bis 3. November ist »schön & gut« im Alten Lager, die Manufakturen klinken sich in die Lifestyle-Messe ein und haben geöffnet. Einen Besuch wert sind auch das Albmaler- und das militärhistorische Museum im Alten Lager, das Kulturhaus BT24 bietet wechselnde Veranstaltungen. Ralf Rüffle öffnet sein Atelier für Workshops auch individuell. (ma)
0152 52742593
www.letterpress-und-buchdruck.dewww.albgut.de
Mit seinem Umzug von Kirchheim ins Alte Lager hat Rüffle neue Kontakte geknüpft. Die Sache mit den Bierdeckeln hat dem Chef einer lokalen Brauerei, der eher zufällig ins Atelier kam, so gut gefallen, dass er inzwischen mit Ralf Rüffle an eigenen Ideen feilt. Und auch mit den Nachbarn im Albgut ist der Drucker schon ins Geschäft gekommen: Die robusten, schlichten Etiketten aus brauner Pappe an den Kleidungsstücken des Familienbetriebs Hoeschele stammen aus Rüffles Manufaktur. (GEA)