REUTLINGEN/REGION. Der Verwaltungsausschuss des Kreistags hat sich mit dem Stand des Breitbandausbaus im Kreis befasst. Stand Juni 2024 waren 91,6 Prozent der Haushalte mit einer Leistungsbandbreite von mindestens 100 Mbit/s versorgt, 71,5 Prozent verfügten sogar über einen gigabitfähigen Breitbandanschluss, berichtete Britta Döppner. 2020 waren es hier nur 55 Prozent. Es gehe alles in allem gut voran, sagte die Breitbandkoordinatorin des Landkreises Reutlingen. Allerdings vor allem in den Ballungsgebieten – da funktioniert die Marktwirtschaft, die Anbieter sind auch ohne Fördermittel unterwegs. Im ländlichen Raum sieht es anders aus und das betrifft große Teile des Landkreises, insbesondere die Alb. Hier haben Bund und Land gemeinsam Förderprogramme aufgelegt, um die Flecken in »Shades of Grey« anzubinden.
- Was sind graue Flecken?
Das »Graue-Flecken-Programm« wurde mittlerweile vom »Dunkelgrauen Fleckenprogramm« abgelöst. In den grauen Flecken herrschte mit einer Übertragungsrate von unter 100 Mbit/s digitale Tristesse, im Dunkelgrauen tappt man mit zwischen 100 und 200 Mbit/s im Download durchs Netz. Weiße Flecken mit unter 30 Mbit/s dürften mittlerweile rar sein. Besonders für Unternehmen, die schnell immer stärker wachsende Datenmengen verarbeiten müssen, sind die Flecken ein Problem. Die nächste Förderstufe blickt daher bereits auf Gebiete mit weniger als 300 Mbit/s.
- Wer bezahlt das Programm?
Bis 2030 soll Deutschland flächendeckend mit Glasfaser ausgestattet werden – ein entscheidender Schritt für die Zukunftsfähigkeit und Innovationen in allen Bereichen des Landes. Die Kosten übernimmt zu 50 Prozent der Bund, zu 40 Prozent das Land, 10 Prozent bleiben an den Kommunen hängen. Der Bund stellt im laufenden Jahr 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung, 2024 waren es noch 3 Milliarden. Das Land steuert im Doppelhaushalt 2025/26 1,1 Milliarden bei. Der Landkreis hat bisher Fördergelder beziehungsweise Zusagen in Höhe von 340 Millionen Euro erhalten.
- Warum das Programm?
Für die Bundesrepublik ist es ein Milliardenprojekt, für die Kommunen immer noch eines im Bereich von Millionen: der Breitbandausbau im ländlichen Raum. Um die Ballungszentren muss man sich keine großen Sorgen machen. Dort stehen die großen Anbieter Schlange. Anschlüsse für einen Wohnkomplex rechnen sich, die Zahl der später Gebühren zahlenden Nutzer pro Meter verlegtem Kabel passt. Auf dem flachen Land sieht es anders aus, wenige Gebührenzahler, viele Meter Kabel, das interessiert gewinnorientierte Unternehmen wenig.
- Wer ist unterwegs?
In der Region werden die Kabel von der BLS (Breitbandversorgung im Landkreis Reutlingen) und der OEW Breitband verlegt. Beide Unternehmen werden von Kommunen getragen und arbeiten mehr oder weniger kostenneutral. Daneben sind private Anbieter wie FairNetz, Netcom BW und Unsere Grüne Glasfaser GmbH unterwegs. Der Ausbau kann auch kommunal organisiert werden, wie in Walddorfhäslach.
- Wer braucht Glasfaser?
Wer die Möglichkeit hat, einen Glasfaseranschluss ins Haus legen zu lassen, sollte dies tun, rät grundsätzlich die Verbraucherzentrale. Denn ein späterer Entschluss führe oft zu höheren Kosten. Konkret: Wer jetzt schon Flackern im Internet feststellt und jeder, der große Datenmengen transportieren muss, etwa Unternehmen, sollte zugreifen. Für jeden, der zurzeit Übertragungsraten von unter 200 Mbits ertragen muss, ist der Hausanschluss kostenlos.
- Wann kommen die Kabel aufs Land?
In den nächsten Jahren. In Teilorten von Münsingen, in Hohenstein oder Engstingen sind die Kabelverleger bereits unterwegs, fragen die Wünsche ab und überprüfen konkret, wie und wo ein Anschluss ins Haus hinein möglich ist. Informationsveranstaltungen für die Anlieger finden zurzeit laufend statt. Die BLS befindet sich in allen Orten noch in der Planungsphase, will 2026 mit den Baumaßnahmen beginnen. Die OEW hat in Grabenstetten und Pliezhausen bereits mit dem Bau begonnen, sonst läuft noch die Planung. Die OEW will Anfang 2028 fertig werden.
- Was bedeutet Home-passed?
Der Fluch der guten Tat: Wer schon einen schnellen Internetanschluss hat, wahrscheinlich auf eigene Kosten eingerichtet, kommt nicht in den Genuss der staatlichen und kommunalen Förderung. Manche Gemeinden im Kreis übernehmen allerdings in diesem Fall den Anschluss ganz oder teilweise, aus Fragen der Gerechtigkeit. Macht ja auch keinen Sinn, in ein paar Jahren den Gehweg wieder aufzugraben.
- Wie lang hält Glasfaser?
In Glasfaserkabeln reisen Informationen mit Lichtgeschwindigkeit, schneller geht’s nicht. Die Technik am Anfang und Ende des Strangs wird irgendwann veraltet sein, das Kabel selber nicht. Wie lange die Kabel selbst halten, wird man sehen, eine Lebensdauer bis zu 100 Jahren wird für möglich gehalten, vielleicht länger.
- Was ist mit Nachzüglern?
Wer zu spät kommt, den bestraft der Bauunternehmer. Jeder kann sich nachträglich einen Anschluss verlegen lassen, auf eigene Kosten und unter Umständen mit erheblichen Wartezeiten.
- Wie sieht es mit Mobilfunk aus?
4G-Netze decken 96 Prozent der Fläche des Kreises ab, 5G-Netze immerhin 88,2 Prozent. Zum Vergleich: 2023 waren es nur 71 Prozent. Ziel des Bundes ist es, mindestens 99 Prozent der Fläche mit Übertragungsraten im Mobilfunk von mindestens 100 Mbit/s, also mit 5G, zu erreichen. Die Mobilfunkunternehmen müssen die Vorgabe bis 2029 umsetzen, die Bundesnetzagentur kontrolliert. Das Förderprogramm des Bundes ist 2024 ausgelaufen, ob und wie es weitergeht, muss die neue Bundesregierung entscheiden.
Im Verwaltungsausschuss kam die Frage nach Erreichbarkeit etwa in Tunneln auf. Der Landkreis wird hier wegen der Sicherheit selbst aktiv, etwa im Ursulabergtunnel, berichtete Verwaltungsdezernent Marius Pawlak. Die Rettungskräfte setzen mit Digitalfunk auf andere Netze, ergänzte Kreisrat und Notfallsanitäter Frank Glaunsinger. Allerdings: Bei einem Blackout, einem flächendeckenden Stromausfall, funktioniert kein Sendemast mehr, das gute alte Telefonkabel hatte da Vorteile. Ende Mai wird es eine Mobilfunk-Testwoche geben, in der Bürger Lücken im Netz melden können, sagte Pawlak. (GEA)