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»Born to be wild« – Bewegender Abend im Adler in Meidelstetten

Die Drei Musketiere Reutlingen und die Band »Bad Attitude« boten eine ungewöhnliche Mischung aus Vortrag und Konzert im Adler in Meidelstetten.

Viel angewandte Lebensfreude verbreiteten am Samstagabend die Musiker der Band »Bad Attitude« im Adler in Meidelstetten.
Viel angewandte Lebensfreude verbreiteten am Samstagabend die Musiker der Band »Bad Attitude« im Adler in Meidelstetten. Foto: Norbert Leister
Viel angewandte Lebensfreude verbreiteten am Samstagabend die Musiker der Band »Bad Attitude« im Adler in Meidelstetten.
Foto: Norbert Leister

HOHENSTEIN-MEIDELSTETTEN. Eine vor 17 Jahren gegründete, einstige Zivi-Band heizte im Adler in Meidelstetten dem Publikum gewaltig ein. Die Gäste waren zwar nur in überschaubarer Menge erschienen, doch der »angewandten Lebensfreude« tat dies keinen Abbruch. Mit der Aufforderung genau diese Lebensfreude Geltung zu verschaffen hatte Christian Keller als Vereinsvorstand die Reutlinger Gruppierung »Bad Attitude« angekündigt. Dass die Musiker dabei ihren Spaß hatten, war ihnen deutlich anzusehen, ihre Spielfreude kannte keine Grenzen.

Zunächst aber ging es ernster zu: Claudia Leippert vom »Verein für angewandte Lebensfreude« hatte Markus Brandstetter eingeladen. Er ist der Kopf der Reutlinger Drei Musketiere, aber »in erster Linie bin ich Mensch«, stellte er sich selbst am Samstagabend vor. Berührende, zum Teil erschütternde Fotos hatte er mitgebracht, aus dem Erdbebengebiet, das in der Provinz Hatay, aber auch in der syrischen Region um Afrin unbeschreibliche Zerstörungen angerichtet hatte. »Da ist ein riesiges Gebiet betroffen, die Auswirkungen des Erdbebens übersteigen jegliche Vorstellungskraft«, sagte Brandstetter.

Lkw-Ladungen mit Wasser und Lebensmitteln

Zweimal war er mit dem Verein Drei Musketiere jeweils drei Wochen vor Ort. Das erste Mal eine Woche nach dem 6. Februar 2023. Der Verein hatte Lkw-Ladungen an Wasser und Lebensmitteln dorthin transportiert. Aber auch Unterwäsche. »Die Menschen mussten dort innerhalb von Sekunden ihre Häuser verlassen, konnten nichts mitnehmen, ihnen fehlte es auch an Unterwäsche.«

Mit einem anderen Hilfsprojekt der Drei Musketiere in einem Flüchtlingslager im türkischen Izmir – wo vor allem syrische Frauen und ihre Kinder leben – konnte in einer Nähwerkstatt in kürzester Zeit Unterwäsche genäht werden. »10.000 Sets haben wir nach Hatay transportiert«, sagte Brandstetter. Die Betroffenen in der Erdbebenregion lebten zunächst in Zelten.

3.800 Kilometer von Reutlingen entfernt

23 Millionen Menschen waren betroffen, 62.000 Tote soll es im Februar 2023 gegeben haben, wahrscheinlich waren es viel mehr, so Brandstetter. 100.000 Menschen wurden verletzt, 520.000 Wohneinheiten zerstört. Die Vorbereitungen für Hilfe in dem Gebiet waren nach den Worten des Musketiers nicht einfach, 3.800 Kilometer entfernt in Reutlingen. »Die Abstimmung mit den Behörden ist bei all unseren Hilfseinsätzen extrem wichtig.« Die Drei Musketiere sind zudem im Kriegsgebiet in der Ukraine aktiv, sie leisten Nothilfe im Libanon, in Syrien und auch bei dem »Women Empowerment Centre« in Izmir.

»In den Ländern, in denen wir helfen, sind wir auch schon festgenommen und der Spionage verdächtigt worden.« In der Erdbebenregion in Hatay »haben wir erstmal nur Wasser verteilt«. Denn: Alles war zusammengebrochen, neben den Wohngebäuden, Schulen, Kindergärten, auch die gesamte Infrastruktur wie Strom und die Wasserversorgung. Bei all dem Leid, das dort herrschte und immer noch herrscht, gebe es immer auch Plünderer, Diebstahl, sogar Menschenschmuggel.

Kinder immer am schlimmsten betroffen

»In allen Regionen, wo wir unterwegs sind, sind die Kinder immer am schlimmsten betroffen.« In Hatay hatten die Musketiere zunächst für 250 Kinder eine Art Zelt-Kindergarten eingerichtet, wo Kinder in all dem Chaos und der Not, »Kind sein durften«. Zusammen mit anderen NGOs hatten die Drei Musketiere danach eine Art Hüttendorf errichtet, wo nun 700 Kinder und Jugendliche betreut werden. »Doch die Finanzierung läuft im Juli aus, wir versuchen Gelder zu finden«, betonte Brandstetter.

Nach dieser heftigen Kost war es nicht ganz leicht für die Band »Bad Attitude«, im zweiten Teil des Abends »angewandte Lebensfreude« im Adler zu verbreiten. Doch es ist gelungen: Mit einem breiten Querschnitt an Cover-Titeln aus der Rockgeschichte hatten Frieder Stöhr an den Keyboards, Gesang und Mundharmonika, Steffen Junger (Gesang und E-Gitarre), Ralf Rieker (E-Gitarre), Chilly (E-Bass) und Eckhard »Boomboom« Bez an den Drums beste Stimmung in den Adler-Saal und in die Beine der Anwesenden gebracht.

Titel von Deep Purple, Led Zeppelin, AC/DC, Billy Idol, Status Quo, Steppenwolf und mehr versetzten das Publikum zurück in die Zeiten, als es noch »wahren« Rock’n’Roll gab, der »Rebel yell« hinausgebrüllt wurde und »Born to be wild« nicht auf die Politik angewandt wurde. Fazit? Was für ein ungewöhnlicher Abend. Sehr berührend und im wahrsten Sinne des Wortes – bewegend. (GEA)