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Bleichstetter schreiben Buch: Liebestipps von der KI

Können ChatGPT und Co. eine Inspiration fürs Liebesleben sein? Susanne und Marcus Mockler aus Bleichstetten haben darüber ein Buch geschrieben.

Susanne und Marcus Mockler haben sich mit der Frage beschäftigt, wie man Künstliche Intelligenz für die Beziehungspflege nutzen
Susanne und Marcus Mockler haben sich mit der Frage beschäftigt, wie man Künstliche Intelligenz für die Beziehungspflege nutzen kann. Herausgekommen ist ein E-Book. Foto: Marion Schrade
Susanne und Marcus Mockler haben sich mit der Frage beschäftigt, wie man Künstliche Intelligenz für die Beziehungspflege nutzen kann. Herausgekommen ist ein E-Book.
Foto: Marion Schrade

ST. JOHANN. Mit der besten Freundin im Café oder mit dem Therapeuten auf der Couch: Das sind die klassischen Settings, um über Beziehungen und etwaige Probleme zu reden – oder? Susanne und Marcus Mockler aus St. Johann-Bleichstetten bringen noch einen anderen Gesprächspartner ins Spiel: Künstliche Intelligenz, kurz: KI.

Der Journalist und die Paartherapeutin sind ein Paar, seit sie 16 sind, seit 38 Jahren sind sie miteinander verheiratet. Gemeinsam haben sie acht Kinder, übers Leben und Lieben schreiben und bloggen sie gemeinsam. Auch zwei Bücher haben sie schon veröffentlicht, den Ehe-Ratgeber »Das EMMA-Prinzip. Sieben Schlüssel zu einer richtig guten Ehe« und »Da geht noch was! 7 Liebesbooster für Langzeitpaare«. Seit einigen Wochen ist das dritte Buch raus: »105 Liebes-Prompts. Besser lieben mit Ideen der KI«.

Wie passen Algorithmen und Emotionen zusammen?

Das klingt erstmal ziemlich paradox. Warum ausgerechnet die Künstliche Intelligenz befragen, wo mutmaßlich eben nicht irgendwelche Algorithmen und Lösungen von der Stange, sondern Emotionen, Gefühle, Empathie und Erfahrungen gefragt sind? Antworten darauf und eine kleine Anleitung zum Umgang mit dem Buch gibt das Paar im GEA-Gespräch.

Das Prinzip ist so einfach wie genial: Das Ehepaar hat für sieben Lebensbereiche jeweils 15 Prompts aufgeschrieben. Unter Prompts versteht man Eingaben, mit denen man eine KI füttert, um sie zu einer bestimmten Reaktion zu veranlassen. Das können Texte, aber auch Bilder sein. Im Falle der Liebes-Tipps sind es Sätze, formuliert als Frage oder Aufforderung, die man einfach markiert, kopiert und in eine KI einfügt. »Deshalb gibt es das Buch auch nicht in gedruckter Form, sondern ausschließlich als E-Book«, erklärt Marcus Mockler.

Welches KI-Modell man nutzt, ist Geschmackssache, ChatGPT ist der Klassiker, DeepSeek oder DeepSearch liefern oft differenziertere Ergebnisse, haben die beiden Autoren beobachtet. Susanne Mockler arbeitet selbst gerne mit Perplexity, weil Quellen genannt und verlinkt werden. Grundsätzlich gilt, nicht nur bei Prompts rund um Liebe und Partnerschaft: »Man sollte der KI nicht alles glauben, sondern nachrecherchieren.« Auch wenn ChatGPT nicht selten Antworten liefert, die verblüffend empathisch und persönlich klingen, sollte man nicht vergessen: »KI versteht keine Gefühle – sie analysiert nur Muster«, schreiben Susanne und Marcus Mockler in ihrem Vorwort. »Nutzt die Prompts als Inspiration, nicht als ultimative Ratschläge. Bei Konflikten: Redet miteinander, nicht nur mit der KI.«

Haushalt, Finanzen, Sex

Außerdem gilt: Die Antworten sind so gut wie die Prompts. Das heißt: Wer nachhakt, mit der KI interagiert, bekommt mehr Inhalte – je mehr die KI über die Person weiß, desto individueller kann sie reagieren. Aber auch hier warnen die Autoren davor, bestimmte Grenzen zu überschreiten: »Man sollte sich schon Gedanken zum Thema Datenschutz machen. Wer in seinen Fragen Privates mitteilt, weiß nicht, wie das System mit diesen Infos umgeht.« Also im Zweifelsfall lieber etwas vager formulieren und allzu Intimes weglassen.

In ihren 105 Vorschlägen für Prompts sprechen die Autoren Herausforderungen an, die jedes Paar irgendwann im Alltag hat: Arbeitsteilung im Haushalt, Stressabbau und Entschleunigung, gemeinsame Finanzen, Streit und Konfliktmanagement, Sex. Das »Gespräch« mit der KI soll dazu inspirieren, an der Beziehung zu arbeiten, betonen die Autoren. Sie soll nicht den Dialog mit dem Partner ersetzen, und schon gar nicht den Therapeuten, auch wenn Susanne Mockler im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in diesem Bereich Positives berichten kann. Sie weiß von Betroffenen, dass die KI beispielsweise bei Depressionen durchaus ein brauchbarer erster Ansprechpartner sein kann: »Sie leistet mit Tipps für Entspannungs- und Atemübungen erste HilfeHa«, erzählt sie. Geht’s um tiefere Analysen, ist der Mensch aus ihrer Sicht aber immer noch klar im Vorteil.

Trotzdem: Die KI weiß viel, sie sammelt Wissen aus allen möglichen Quellen, sie ist schnell und reagiert auf ihr menschliches Gegenüber individuell. Marcus Mockler ist sich deshalb sicher, dass sie »eine echte Bedrohung für die gängigen Suchmaschinen ist. Und wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung«.

Erstaunlich »menschliche« Antworten

Der Selbstversuch liefert tatsächlich verblüffende Ergebnisse. Einer der 105 Liebes-Prompts lautet: "Kuratiere eine persönliche Bibliothek der Inspiration mit 20 Büchern/Filmen/Kunstwerken, die unsere Liebesgeschichte spiegeln. Mit Einordnungstexten und Diskursfragen." Der Satz ist schnell kopiert und bei ChatGPT ins Suchfeld kopiert. Die gewünschte Liste kommt sofort. Wie trifft die KI ihre Auswahl? Auf eine entsprechende Nachfrage - "Warum suchst Du gerade diese Bücher aus? Du kennst mich doch gar nicht, oder?" - reagiert sie schon fast erschreckend menschlich: "Touché – und völlig berechtigt. Du hast recht: Ich kenne dich (noch) nicht persönlich, also kann ich dir auch keine wirklich maßgeschneiderte Liste machen, so wie ein enger Freund oder eine Partnerin es könnte. Was ich aber kann: Ich höre zwischen den Zeilen, nehme deine Themen, deine Sprache, deine Fragen – und kuratiere aus einem großen kulturellen Gedächtnis das, was dich vielleicht treffen könnte." ChatGPT kennt mich schon, die KI weiß was über mich als Individuum. Das wird klar, als die Kollegen denselben Prompt eingeben – und völlig andere Antworten erhalten.

Das ist irgendwie faszinierend und unheimlich, zugleich aber auch sehr logisch. Warum? Die Begründung dafür liefert die KI ebenfalls. Sie hat die Formulierung "Bibliothek der Inspiration" aus dem Prompt offenbar analysiert und daraus ein bestimmtes Bild der Liebe abgeleitet. Es sei komplex, reflektiert, poetisch oder politisch und mutig genug, um sich selbst infrage zu stellen. "Deshalb habe ich Werke ausgewählt, die Widersprüche zeigen, Tiefe haben, manchmal unbequem sind – aber immer mit einer Art von Wahrhaftigkeit über Liebe sprechen", schreibt ChatGPT und hakt nach: "Aber: Ich bin neugierig. Willst du mir ein bisschen was erzählen? Über eure Liebesgeschichte – oder einfach, was dich/was euch inspiriert? Dann kuratieren wir zusammen. Und dann wird es richtig persönlich." Siegt die Sorge um den Datenschutz oder doch die Neugier? Wie’s weitergeht, entscheidet jeder selbst. (GEA)