SONNENBÜHL. »Harmonie von Licht und Schatten« ist der Titel der Ausstellung, unter dem Gerd Schuler seine Gemälde zusammenfasst, die ab Samstag im Kunsthaus Alte Schule in Sonnenbühl-Undingen zu sehen sind. Licht und Schatten - diese beiden stehen im Verhältnis großer Verschiedenheit zueinander. Doch bedingt das eine das andere, keines gäbe es ohne das andere. Und Licht und Schatten sind mehr als optisch wahrnehmbare Verhältnisse, sondern sind in Schulers Werken auch im übertragen Sinn zu verstehen. Gegensätze spielen in einigen Bildern Schulers sonst ebenfalls eine Rolle. Da sind junge und alte Menschen, zwei ungleiche Schwestern, ein Tanzpaar, das nicht wirklich als harmonische Einheit über den Boden schwebt.
Doch so einfach sind die Bilder Schulers nicht zu lesen. Es sind versteckte Rätsel enthalten, die es zum Verständnis der Bildbedeutung zu entdecken und zu lösen gilt. Da wird selbst die Stelle, die der Künstler für seine Signatur ausgewählt hat, zum Hinweis, der die Leserichtung angibt - von links nach rechts -, die Tageszeit - Morgen oder Abend -, ob der Blick gen Süden oder Norden gerichtet ist. Auch hier sind es wieder Gegensätze, mit denen Schuler spielt und denen er Raum auf der Leinwand bereitet.
Die Ausstellung
Die Gemäldeausstellung mit Werken des Pfullinger Künstlers Gerd Schuler mit dem Titel »Harmonie von Licht und Schatten« beginnt mit der Vernissage am Samstag, 6. April, um 17 Uhr im Kunsthaus Alte Schule in Sonnenbühl-Undingen, Hauptstraße 30. Zu sehen ist sie bis zum 2. Mai, geöffnet an Wochenenden, samstags und sonntags jeweils von 14 bis 18 Uhr. An den Samstagen bietet Gerd Schuler Interessierten an, ihnen Zeichenunterricht zu erteilen. (cofi)
Aber es steckt noch mehr hinter der Oberfläche des Dargestellten. Ein alter Mann, eine junge Frau - das ist nicht einfach ein gegensätzliches Paar, das Motiv zitiert auch eine mythologische Erzählung. Der Pfullinger Künstler Schuler, studierter Kunsthistoriker, Musikwissenschaftler, Archäologe, Dozent für Lithografie und Tiefdrucktechniken, Malerei, Porträt- und Aktzeichnen, versteht sich darauf, Versatzstücke aus Kunst, Kultur und Wissenschaft in seinen Bildern neu zusammenzusetzen. Der alte Mann und die junge Frau: Hier wird die Geschichte von Kronos und Rhea erzählt, und so kann, wer des antiken Stoffs firm ist, aufschlüsseln, wer das Kind auf dem Schoß der Frau ist, das sie (be-)schützend im Arm hält.
Überhaupt verlangt Schuler dem Betrachter eine intensive Auseinandersetzung mit seinen Werken und viel Hintergrundwissen ab. Anamorphotische Abbildungen, Zerrbilder, schleichen sich ein, etwa beim Bild »Waldbrand«, in dem der Feuerschein einen Frauenkopf bildet, die Rauchsäule ihren verzerrten Körper. Und weitere Morphosen sind zu entdecken, ein Fuchs im Grün der Bäume, böse Geister, eine junge Frau verstecken sich im Motiv, so wie in vielen anderen Gemälden Gesichter in Wolken oder Felsformationen nach intensivem Betrachten sichtbar werden. »Je länger man hinblickt, desto mehr wird man entdecken«, sagt Schuler. In anderen Gemälden wiederum setzt sich Schuler kritisch mit aktuellen Themen auseinander. Verwendet Symbole für seine Botschaft, aber - so viel Freiheit lässt er dem Betrachter - »jeder kann sich selbst einen Reim darauf machen. Und wenn man ein Geheimnis verrät, ist es keines mehr«, sagt er vage andeutend.
Die Bilder, Öl auf Leinwand, stammen aus Schulers langer Schaffenszeit. Aber auch neuere, erst vor kurzem entstandene zeigt der Pfullinger im Kunsthaus Alte Schule. So wie die unzähligen Porträts. Solche von Frauen, viele von Kindern sowie ein Selbstbildnis. Manchmal geht die Darstellung ins Surrealistische wie beim »Apfel des Riesen«. Mal hat ein galoppierendes Pferd keinen Schatten - nicht etwa, weil Schuler ihn vergessen hätte, sondern weil sich dadurch Bukephalos, das Streitpferd Alexander des Großen, manifestiert, der schwarze Hengst, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete. Dieses Ross aber ist ein Geisterpferd, der versteckte Hinweis darauf ist ein abgestorbener Baum im Hintergrund.
Auch der Wettstreit der Künste, der in der Kunstgeschichte als Paragone bezeichnet wird, welche der Sparten Architektur, Skulptur und Malerei besser sei, wird von Schuler rezipiert. Was vermag Bildhauerei, was vermag Malerei? Schuler meint, der Malerei ruhen mehr Mittel und Möglichkeiten inne, vermag sie doch nicht nur zu zeigen, was ist, nicht nur Nachahmung der Natur sein, sondern sie beinhaltet auch die intellektuelle Leistung der Maler, sie verfügt über Fähigkeiten der Täuschung, Illusion, Bildfindung, Inszenierung, Darstellung von Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem und mehr. »Manches kann man eben nur in der Malerei machen«, sagt Schuler. »Es kommt das eigene Gefühl dazu.« Und so gestaltet er auch seine Landschaften nicht nach der Natur, sondern wie sie in seinem Kopf entstehen. Jeder Augenblick sehe in der Natur anders aus, auf der Leinwand aber verschmelzen diese flüchtigen Momente zu einem.
»Bestimmte Sachen kann man nicht in Worte fassen«, sagt Gerd Schuler. Und so ist die Malerei für ihn die höchste der Künste. Malerei und Musik: Farben kann man Tönen zuordnen, Schuler erinnert zum Beispiel an die laut Beethoven »schwarze Tonart h-Moll«. Es gibt Klangfarben und Farbtöne, die Sinne sind miteinander verbunden, hohe Töne kann man als helle Farbe wahrnehmen, tiefe als dunkle. Vor diesem Hintergrund öffnen sich immer neue Welten beim Betrachten zum Beispiel der sechs Sirenen in unterschiedlich gefärbter Kleidung, fünf davon singend, allen ein Vögelchen zugeordnet, die sechste aber steht mit geschlossenem Mund, auf ihrem Haupt ein Kiebitz.
In diesem Bild kommt alles zusammen, was der Maler zusammenkomponieren kann: die mythologische Erzählung von Odysseus und den Sirenen, die Geschichte der Kurtisanen beim Konzil von Konstanz, das Kiebitzen - in die Karten schauen, die musikalische Dimension der Farbtöne, symbolhafte Beleihung der Natur und noch so vieles mehr. Man muss sich einlassen, genau hinsehen, sich Zeit nehmen, um alle Hinweise zu entschlüsseln, um die Ecke denken und auf die Leserichtung achten. (GEA)