MÜNSINGEN. Gelegenheit macht Diebe. Das dachte sich wohl auch ein 25-jähriger Hermes-Paketzusteller, der in Münsingen ein Smartphone, einen Fernseher und eine Grafikkarte im Gesamtwert von knapp 2.000 Euro an die drei Besteller nicht auslieferte, sondern für sich selbst behielt. Deshalb musste sich der Mann aus dem Landkreis Göppingen jetzt vor dem Amtsgericht Münsingen verantworten. Der gelernte Florist, der bereits zehn Eintragungen im Bundeszentralregister vorzuweisen hat, unter anderem mehrfach wegen Betrugs, kam mit einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe davon.
Der Lebenslauf des jungen Mannes ist beeindruckend. Er war schon als Florist, Lagerhelfer, Aushilfsfahrer, Leiharbeiter bei Daimler und als Geschäftsführer eines Blumenhandels in der Schweiz beschäftigt. Ende Oktober 2023 heuerte er bei einem Hermes-Vertragspartner in Pfullingen an, der unter anderem in Münsingen im Auftrag der Hermes Germany GmbH Pakete abholt und zustellt. Nach zwei Tagen Einarbeitungszeit mit einem Kollegen übernahm der 25-Jährige, »auf eigenen Wunsch«, so der Pfullinger Betriebsleiter, allein die Paketzustellung auf der Albhochfläche. Am dritten Tag kam es bereits zu Reklamationen. Drei Kunden beschwerten sich, die bestellte Ware nicht bekommen zu haben, obwohl die Versender behaupteten, der Empfang sei quittiert worden. Laut Sendungsverlauf wurden die Waren erfolgreich zugestellt.
Schnell war der neue Paketbote als Übeltäter ausgemacht. Er hatte den Empfang des Smartphones, des Fernsehers und der Grafikkarte selbst auf seinem Handscanner quittiert. Obwohl die Beweislast gegen den 25-Jährigen erdrückend war, machte er zu Beginn der Gerichtsverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Vier-Augen-Prinzip
Die ermittelnde Polizeibeamtin sagte aus, damals eine sogenannte Wahllichtbildvorlage gemacht zu haben, bei der sie Zeugen Fotos von mehreren Personen vorgelegt habe. Jedes Mal sei der Angeklagte eindeutig erkannt worden.
Ob auch noch ein anderer Fahrer an dem besagten Tag in Münsingen im Einsatz gewesen sein konnte, fragte Richter Marian Jander nach. Der Betriebsleiter schüttelte den Kopf. Wertsendungen, wie im vorliegenden Fall, werden im Vier-Augen-Prinzip übergeben und mit dem Handgerät eingescannt, sobald sie in den Wagen verfrachtet werden. Die Pakete sind dann mit dem jeweiligen Paketzusteller verknüpft, erklärte der ehemalige Vorgesetzte des Mannes. Spätestens jetzt merkte der Angeklagte, dass Schweigen nicht mehr viel bringt und räumte, nach Rücksprache mit seinem Rechtsbeistand, die Taten vollumfänglich ein. Damit blieb weiteren Zeugen die Aussage erspart.
Richter, Staatsanwältin und sogar der Rechtsanwalt waren sich einig, dass eine Geldstrafe – nach zehn Vorstrafen in vier Jahren – nicht mehr abschreckend sei. Deshalb verdonnerte das Gericht den 25-Jährigen zu sechs Monaten Gefängnis, die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Damit aber nicht genug: Der Verurteilte muss den Schaden in Höhe von rund 2.000 Euro wieder gutmachen, zudem 1.000 Euro an den Förderverein für krebskranke Kinder in Tübingen überweisen, die Gerichtskosten bezahlen und die Auslagen seines Rechtsbeistandes übernehmen. (GEA)