REUTLINGEN/TÜBINGEN. Die allermeisten Kommunen in der Region Neckar-Alb haben einen Ortsnamen, der auf »-ingen« endet. Doch es gibt Gemeinden, die tragen Namen, die auf den ersten Blick ungewöhnlich und bisweilen auch recht exotisch klingen. Der GEA hat bei Experten nachgefragt: Wie sind Orte wie Tigerfeld oder Upflamör zu ihren Namen gekommen und was verbirgt sich dahinter? Die Antworten fielen bisweilen überraschend aus.
Upflamör, der Teilort von Zwiefalten, klingt so, als sei er ein Nachbarort von Bullerbü. Auf jeden Fall sorgt der ungewöhnliche Name immer für Gesprächsstoff. Doch die Herkunft lässt sich laut dem Ortsnamensforscher Dr. Lutz Reichardt eindeutig erklären: Erstmals historisch erwähnt wurde der Ort im Jahr 1089 als villa Uplumare. Doch wie kommt der Ort, der noch nicht einmal 100 Einwohner zählt, zu seinem exotischen Namen? Die Antwort liegt ein paar Kilometer entfernt, im Ort Pflummern. In beiden Namen steckt »Pfl«. Eine Gemeinsamkeit, die laut Reichardt auf Orte mit Pflaumenbäumen hinweist. Dann kommt bei Upflamör noch das »Up« hinzu, was »oberhalb« oder »auf« bedeutet. Also, der Ort oberhalb von Pflummern, mit einem Gelände, auf dem Pflaumenbäume wachsen.
Die Pflaumenbäume verbinden zwei Orte
Auf der Gemarkung von Tigerfeld haben, selbst als der Name entstanden ist, keine entsprechenden Raubkatzen gelebt. Der Ortsnamensexperte Reichardt hat den Ursprung vielmehr im Althochdeutschen gefunden. Einer Sprache, die vor vielen Jahrhunderten gesprochen wurde. Da bedeutet »tegar« soviel wie »groß und umfangreich«. Von »tegar« zu »tiger« ist es nicht weit. Ganz ähnlich sind demnach die Ortsnamen von Degerschlacht oder Degerloch herzuleiten. Und das althochdeutsche »veld oder feld« bezeichnete ein »waldfreies, relativ ebenes, für den Ackerbau geeignetes Gelände«, so Reichardt. Tigerfeld war also die Siedlung auf dem großen, waldfreien Gelände.
Auf den ersten Eindruck könnte der Hayinger Ortsteil Münzdorf etwas mit Geld zu tun haben. Hat man hier vielleicht einen Schatz mit Goldmünzen gefunden? Die etwa 130 Einwohner wüssten von so einem Fund. Die Herkunft des Namens lässt sich dem Ortsnamensforscher zufolge vielmehr auf den Gründer der Siedlung zurückführen. Der hieß demnach Muni und der Ortsname bedeutet nichts anderes als die »Siedlung des Muni«. Seit der Gebietsreform von 1975 ist Münzdorf Teil der Stadt Hayingen.
Der Ursprung liegt oft im Althochdeutschen
Für den Kulturwissenschaftler und Leiter des Kreisarchivs Tübingen, Professor Dr. Wolfgang Sannwald verbirgt sich hinter zwei Ortsnamen, die auf den ersten Blick ganz eindeutig erscheinen, mehr als man zunächst annehmen könnte. So sagt er im Gespräch mit dem GEA: "Bei Jettenburg könnte man ja mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die entsprechende Burg gemeint ist, von der ja erst kürzlich Überreste freigelegt wurden." Das sei aber ein Trugschluss. Vielmehr sei ursprünglich die Brücke gemeint, an der Jetto oder Uoto wohnte. Vor Jahrhunderten hieß der Ort folglich Jettenbruck.
Sannwald ist sich auch sicher, woher die Stadt Rottenburg ihren Namen hat: »Das nahe Waldgebiet auf dem Bergrücken zwischen Rottenburg und Tübingen, der Rammert, hieß früher Rotenberg, also ist die Burg auf dem Rotenberg gemeint.« Gleichzeitig räumt er damit auf, dass »Rotten«, was in früheren keltischen Sprachen in etwa »verkommen, kaputt, zerstört« bedeutete, etwas mit dem Namen der Bischofsstadt zu tun haben könnte.
Viele Ortsgründer verewigten ihren Namen
Obwohl Orte wie Reusten, Belsen oder Nehren keine Endung auf -ingen, -heim, oder-hausen haben, deuten sie genauso wie Orte mit diesen Endungen auf den Wohnsitz des Gründers hin. Kulturwissenschaftler Sannwald sagt: »Belsen könnte der Wohnsitz des Belsa oder Belso gewesen sein. Ebenso war bei Nehren wohl Nahro der Ortsgründer und Rusto war es bei Reusten.«
Nach Auskunft des Reutlinger Kreisarchivs gibt es zahlreiche Kommunen in der Region, deren Namen gleichzeitig der entscheidende Hinweis auf den genauen Ort ihrer Entstehung ist. Beispiel Zwiefalten: Im Mittelhochdeutschen bedeutet »zwivalt« in etwa zweifach/doppelt und das ist der Hinweis auf die Lage des Ortes, nämlich am Zusammenfluss der Kessel-Ach und der Ach aus dem Glastal - eben zweier Bäche. Auch Glems trägt den Namen eines Gewässers. Es ist die Siedlung am Glemsbach.
So einfach ist es demnach auch bei Häslach: »Die Siedlung am Haselgebüsch« schreibt Reichardt. Dörnach ist laut ihm die Siedlung am Dorngebüsch. Bei Gniebel leitet sich der Name ab vom Mittelhochdeutschen »genibele«, was eine Nebelmasse oder eine nebelige Stelle markiert. Hülben ist die Siedlung mit der Hüle, also mit dem als Viehtränke dienenden Teich. Der Name von Dapfen leitet sich laut Ortsnamensforschung vom althochdeutschen »stapfo oder staffo« her, was Schritt oder Fußspur bedeutet.
Etwas anders stellt es sich bei dem seit mehr als 80 Jahren verlassenen Dorf Gruorn dar. Laut Reichardt steht der Name im »Zusammenhang mit der Jagd im Münsinger Hart«. Er schreibt: »Gruorn dürfte der Ort sein, wo die Meute der Jagdhunde gehalten wird«. Zugrunde liege das althochdeutsche Wort »ruore« für Bewegung oder Hatz. Noch im 17. Jahrhundert habe es im Schwäbischen die Bezeichnung »Ruhrhund« gegeben. (GEA)