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Aktuell Amtsgericht

Berufsverbot: Krankenpflegerin verhilft Gefangenen in Zwiefalten zur Flucht

Junge Frau war mit Gefangenem liiert

Im Oktober 2023 konnte ein Patient aus dem Zwiefalter Zentrum für Psychiatrie flüchten.  FOTO: LENK
Im Oktober 2023 konnte ein Patient aus dem Zwiefalter Zentrum für Psychiatrie flüchten. FOTO: LENK
Im Oktober 2023 konnte ein Patient aus dem Zwiefalter Zentrum für Psychiatrie flüchten. FOTO: LENK

MÜNSINGEN. Eine Anklage wegen Gefangenenbefreiung verhandelt das Amtsgericht Münsingen äußerst selten, das letzte Mal vor fünf Jahren. Geklappt hat eine Gefangenenbefreiung im Herbst 2023 aus der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie in Zwiefalten, wo im Rahmen des Maßregelvollzugs gemäß Paragraf 64 des Strafgesetzbuchs suchtkranke Straftäter betreut werden. Der Patient, der sich damals aus dem Staub machte, hatte eine Komplizin, eine Krankenpflegehelferin, die seinerzeit im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) angestellt war. Für diese Straftat musste sich die 22-jährige Älblerin jetzt vor dem Amtsgericht Münsingen verantworten. Sie hatte gegen den Strafbefehl in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro Einspruch eingelegt.

Laut Anklage unterhielt die junge Frau eine Liebesbeziehung zu dem Patienten und überließ ihm ihr Smartphone sowie die Schlüssel ihrer Wohnung im Landkreis Reutlingen. Am 22. Oktober 2023 konnte er aus dem ZfP flüchten und versteckte sich in der Wohnung seiner Freundin, wo er bereits einen Tag später von der Polizei wieder dingfest gemacht wurde.

Vor Gericht sagte die 22-Jährige kein Wort. Über ihren Rechtsbeistand ließ sie verlauten, dass die Vorwürfe zuträfen. Der Verteidiger fügte hinzu, dass ihr Freund gesagt habe, er halte es im ZfP nicht mehr aus und er wolle sich nach zwei bis drei Tagen Freiheit selbst stellen.

Man habe wegen des Strafmaßes Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, in dem davon ausgegangen war, dass die Täterin in der Anstalt des öffentlichen Rechts »als besonders Verpflichtende« gehalten sei, das Entweichen des Gefangenen zu verhindern. Dass dieses Verpflichtungsgesetz auch für die junge Krankenpflegehilfskraft gelte, sah der Rechtsanwalt als nicht gegeben an. Eine ZfP-Mitarbeiterin, die als Zeugin aussagte, räumte ein, dass ihre ehemalige Kollegin Patienten, die flüchten, nicht zurückhalten dürfe. »Dafür gibt es den Sicherheitsdienst«, ergänzte der Rechtsanwalt.

Für den Gefangenen folgenlos

Trotzdem wurde der jungen Frau wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen die Berufspflichten das Führen der Berufsbezeichnung Krankenpflegehilfskraft aberkannt, was, laut Rechtsanwalt, »einem Berufsverbot entspricht«. Deshalb habe seine Mandantin jetzt eine Lehre als Bürokauffrau begonnen. Da sie nun finanziell nicht mehr so gut dastehe, habe sie ihre Wohnung aufgegeben und sei wieder in die elterliche Wohnung eingezogen.

Letztendlich wurde die junge Frau zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. Die Vertreterin der Anklage hatte geringfügig mehr, die Verteidigung geringfügig weniger im jeweiligen Plädoyer gefordert. Die 22-Jährige muss zudem die Gerichtskosten sowie die Auslagen für ihren Rechtsbeistand übernehmen.

Da alle beteiligten Parteien einen Rechtsmittelverzicht erklärten, ist das Urteil bereits rechtskräftig. Ob die verurteilte junge Frau und der ehemalige ZfP-Patient heute noch ein Paar sind, blieb während der Hauptverhandlung unbeantwortet. Der Ausbruch beziehungsweise die Entweichung blieb für den Mann folgenlos, denn die Selbstbefreiung von Gefangenen/ZfP-Patienten ist nicht strafbar. (GEA)

 

IM GERICHTSSAAL

Richterin: Julia Felbinger Staatsanwältin: Frau Schmid Rechtsanwalt: Daniel Mahle