MÜNSINGEN. Der Windpark Magolsheim nähert sich seiner Vollendung. Am Dienstag wurde damit begonnen, die Rotoren am Standort MA01 aufzuziehen, Mittwoch waren sie dann oben. Zwei Windräder sind bereits fertiggestellt, die Arbeiten an MA04 laufen parallel. An zwei weiteren Anlagen sind bisher nur die Betonsegmente zu sehen, gutes Wetter vorausgesetzt könnten auch diese noch in den nächsten Wochen fertig werden.
Den einen gefallen Windräder, den anderen nicht: Die Bauarbeiten sind auf jeden Fall ein Magnet für Schaulustige. So eine Baustelle bekommt man ja auch nicht alle Tage zu sehen, andere Windkraftprojekte in der Region sind noch lange nicht so weit.
Trotz der Dimensionen: Der Aufbau eines Windrads ist Präzisionsarbeit. Die Fundamentarbeiten wurden bereits im Sommer und Herbst vergangenen Jahres abgeschlossen, Baustart war der Mai 2024. Die 250 Meter hohen Giganten sind Hybridtürme: Bis auf 90 Meter Höhe wurden die Betonsegmente aufgeschichtet, vom »kleinen Großkran«. Seit Frühjahr geht es mit den Stahlsegmenten weiter, fürs Auge kaum unterscheidbar. »Wenn’s gerade wird, ist es Stahl«, sagt Bauleiter Thomas Engel, »wer es weiß, sieht’s.« Dann kommt das rote Maschinengehäuse mit dem Schöller SI-Logo drauf.
»Wenn’s gerade wird, ist es Stahl. Wer es weiß, sieht’s«
Nach Beton braucht es den »großen Großkran«, die Nabe liegt auf 162 Metern Höhe. Das ausgefahren 220 Meter hohe blaue Monster wird mit zig schweren Lkw angeliefert, für den Umzug von einem Sockel bis zum nächsten braucht es mit Auf- und Abbau und Transport allein eine Woche.
Viel Stillstand gibt es nicht
Die Mannschaften aus aller Herren Ländern mit viel Erfahrung im Windmühlenbau sind eingefuchst. Viel Stillstand gibt es nicht, ein Team am Boden bereitet alles vor, die Mannschaft oben übernimmt. Auf Zuruf geht bei den Höhen nichts mehr, Funkverkehr ist angesagt. »Wir können auch noch arbeiten, wenn das obere Ende im Nebel verschwindet«, sagt Engel.
Knifflig wird’s bei der Installation der 87 Meter langen Rotoren. Der Kran nimmt sie mit einer quietschgelben Haltevorrichtung auf, dann geht es langsam nach oben. Bodenmannschaften halten den Flügel mit Seilen und Winden in der Waagrechten, bis er – schon in leichter Schräglage – die Nabe erreicht.
Der Wind ist Fluch und Segen der Windparks. Einmal fertiggestellt, brauchen sie die Energie. Beim Bau bedeuten hohe Windgeschwindigkeiten aber Stillstand auf der Baustelle. Ab sechs Metern pro Sekunde Windgeschwindigkeiten wird es zu gefährlich, erklärt Engel. Für die Mannschaften und für die empfindlichen Flügel. Ein Kontakt mit dem Mast oder dem Boden bedeutet, dass die Teile penibel überprüft werden müssen, das kostet Zeit und Geld. Für die Flügelmontage angesetzte Termine mussten denn auch immer wieder fast wörtlich abgeblasen oder verschoben werden.
Im Zeitplan ist der Schöllerwindpark trotzdem, auch wegen der professionellen Arbeit der Fachleute. Nach einem windigen Tag wurden die drei Rotoren von MA06 in einer Nachtschicht angebracht. »Nachts rechnen wir mit 70 Prozent Effizienz«, sagt Engel, »die Jungs hier bringen auch im Dunkeln einhundert.«
Flügel schon installiert
An zwei Windrädern sind bereits alle drei Flügel installiert, das dritte wurde jetzt fertig. Währenddessen hat der zweite Großkran die Stahlsegmente und das Nabengehäuse am vierten Windrad aufgesetzt, jetzt geht es auch hier mit den Rotoren weiter. Parallel wird der MA01-Kran zum nächsten Standort wandern.
Wer genau hinschaut, kann zwei »Ohren« am Mast erkennen. Die beiden Kameras erkennen, was unten auf dem Boden passiert. »Wenn der Bauer Gülle ausbringt, interessiert das die Vögel nicht. Wenn gepflügt oder gemäht wird, aber schon.« Dann drehen die Räder in den Wind und kommen zum Stillstand. Fledermäuse fliegen nachts und bei wenig Wind, auch dann ruht die Stromerzeugung.
»Nachts rechnen wir mit 70 Prozent Effizienz, die Jungs bringen hundert«
Für den Windpark hat Schöller SI ein Umspannwerk auf Heroldstatter Markung errichtet, das nur noch ans Netz muss. Die Kabelarbeiten zwischen den Windrädern und hin zum Einspeisungspunkt sind lange fertig, von diesen durchaus anspruchsvollen Arbeiten war vor Ort kaum etwas zu sehen. Die Leitungen wurden »minimalinvasiv« über rund sechs Kilometer verlegt, die Schächte gerade so breit und so tief ausgefräst wie nötig, in aller Regel unter bestehenden landwirtschaftlichen Verbindungswegen. Mit im Vergleich zu den Kranen sehr traditionellen Baufahrzeugen. Die übrigens – wie jedes Baufahrzeug – jede Nacht auf Plastikplanen geparkt wurden, damit ja keine Flüssigkeiten in den Boden gelangen – Umweltschutz wird beim Umbau auf erneuerbare Energien groß geschrieben.
Vor der Sommerpause soll die erste Anlage ans Netz gehen, die letzte Ende Herbst. Das Landratsamt Reutlingen hatte davor mit einer rekordverdächtig kurzen Bearbeitungszeit, nachdem alle erforderlichen Unterlagen und Voruntersuchungen vorlagen, in drei Monaten den rechtlichen Grundstein gelegt. (GEA)
WINDPARK MAGOLSHEIM
Entstehen werden sechs Anlagen vom Typ Enercon E-175 EP5 mit einer Nabenhöhe von 162,5 Metern und einem Rotordurchmesser von 175 Metern, Gesamthöhe also 250 Meter. Jede Anlage produziert pro Jahr 13.300 Megawattstunden, der Windpark insgesamt 80.000 Megawattstunden. Schöller SI baut parallel ein eigenes Umspannwerk mit einer Transformatorleistung von 80/100 Megawatt-Ampere bei Heroldstatt. Insgesamt investiert Schöller SI 80 Millionen Euro in den Park. (GEA)