MÜNSINGEN. Es ist es wie mit einem Bach, der zu einen Nebenfluss in Richtung des Hauptflusses Glauben führt: Mit einem Mountainbike-Projekt geht das Evangelische Jugendwerk (EJW) Bad Urach-Münsingen seit gut drei Jahren neue Wege in der Jugendarbeit. Jugendreferent Samuel Löffler geht in die Schulen – er wartet nicht darauf, dass Kinder ins Gemeindehaus kommen und die klassischen Jugendangebote wahrnehmen. Und das mit einigem Erfolg: jährlich nehmen 350 bis 400 Schüler teil. An acht Schulzentren, hauptsächlich Gemeinschaftsschulen, Hauptschulen und Realschulen, werden insgesamt 30 Projekttage pro Saison organisiert. »Unser Kalender ist voll, das Projekt ist inzwischen ein Selbstläufer«, sagt Löffler.
Veränderte Lebenswelt
Die Jugendarbeit des EJW hat über Jahrzehnte hinweg auf bewährte Formate wie Jungschar, Zeltlager und Jugendkreise gesetzt. Diese Angebote haben sich vor allem in ländlichen Gebieten bewährt, wo viele Jugendliche aus kirchlich geprägten Elternhäusern stammen und dadurch einen gewohnten Zugang zu diesen Aktivitäten haben. »Die klassische Jugendarbeit erreicht zudem überwiegend Kinder, die Gymnasien besuchen«, sagt Löffler. Doch genauso wie die Zahl der Kirchenmitglieder schwindet, nimmt auch jene der Teilnehmenden und Mitarbeitenden der evangelischen Jugendarbeit ab. »Die Lebenswelt der jungen Leute hat sich verändert«, sagt Löffler. Wenn die evangelische Jugendarbeit weiterhin ein »relevanter Baustein« in der Gesellschaft bleiben wolle, müsse sie sich anpassen und modernisieren.
Das EJW hat deshalb ein innovatives Projekt ins Leben gerufen, das Modellcharakter für die evangelische Landeskirche in Württemberg hat: die Bike Academy »erfahrbar«. Löffler und seine Mitstreiter kommen mit einem Anhänger voller Mountainbikes direkt an die Schulen. Insgesamt 35.000 Euro wurden in die Ausrüstung investiert, damit jeder Teilnehmende die gleichen Voraussetzungen hat.
Lehrer können für ihre Klassen einen Bike-Erlebnistag buchen, der grundsätzlich kostenlos ist, wobei Spenden ans EJW gerne gesehen sind. Der Oberkirchenrat hat dafür eine eigene 50-Prozent-Stelle genehmigt, die zunächst für fünf Jahre finanziert ist. Im März 2026 läuft die Finanzierung aus. »Wie es weitergeht, wissen wir noch nicht«, sagt Löffler.
Die Saison 2025 ist noch gesichert. Danach möchte er das Projekt »auf eigene Beine« stellen. Er hofft auf Partner mit kirchlichem Hintergrund, Projektunterstützer wie die Aktion Mensch und private Spender. Einen Teil der Kosten könnten außerdem die Schulen übernehmen – nicht mehr auf freiwilliger Basis, sondern als eine Art Gebühr.
Werte vermitteln
Um das Projekt begleiten zu können, hat Löffler eine Zusatzausbildung zum Mountainbike-Fahrtrainer absolviert. »Mountainbiken war nicht schon immer mein Hobby«, so Löffler. Er sei ein »passabler« Fahrer und natursportaffin. Der Sport biete sich an, weil Radfahren jeder könne. Man ist allein unterwegs und in der Gruppe, erlebt die Natur. Er sei das »Gesicht« des Projekts, so Löffler, werde aber von acht Ehrenamtlichen unterstützt.
Das Ziel der Bike Academy sei keinesfalls, zukünftige Leistungssportler auszubilden, sondern den Schülerinnen und Schülern ein gemeinschaftliches Erlebnis zu bieten, bei dem Werte wie Gesundheit, Nachhaltigkeit, Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt im Mittelpunkt stehen. »Morgens vermitteln wir die Grundlagen der Fahrtechnik und mittags geht es auf eine Tour mit Erlebnisstationen in der Natur«, beschreibt Löffler den Ablauf eines typischen Projekt-Tags. Das stärke den Zusammenhalt und sei gelebte Nächstenliebe. »Wir steigen nicht tief geistlich ein bei den Workshops«, so Löffler. Der Zugang soll möglichst niederschwellig erfolgen. »Das ist keine Missionierung.«
Dennoch gibt es geistliche Impulse. »Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir von der Kirche kommen«, sagt Löffler. »Die Verkündung geschieht dabei durch Zuwendung.« Etwas konkreter geht es um die Vermittlung christlicher Werte bei Erzählungen in der Ich-Form. So berichtet Löffler zum Beispiel, wie ihn der Glaube trägt, gerade wenn es einmal schwierig wird. Zusammen gebetet wird nicht. »Das kennen die muslimischen Teilnehmer oft eher von daheim«, so Löffler.
Er räumt ein, dass sein Projekt recht weit weg von der Kirche ist. »Wir wollen kein Sportverein werden, sondern zu unseren Werten stehen und junge Menschen auf die Aufgaben dieser Welt vorbereiten«, fasst Löffler das Ziel des Projekts zusammen. Damit es weitergehen kann, sucht er nun nach Finanzierungsmöglichkeiten. (GEA)