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Aktuell Kommentar

Bürgermeisterwahl in St. Johann: Neustart mit schwerer Hypothek

Florian Bauer (Mitte) durfte sich über die Glückwünsche zahlreicher Abgeordneter und Bürgermeister-Kollegen freuen. Foto: Dieter Reisner
Florian Bauer (Mitte) durfte sich über die Glückwünsche zahlreicher Abgeordneter und Bürgermeister-Kollegen freuen.
Foto: Dieter Reisner

Nein, zuletzt war’s nicht mehr wirklich schön. Weder für die drei Bewerber noch für die Bürger. Dass ein Wahlkampf, wenn er in die Verlängerung geht, an den Nerven zerrt und zehrt, liegt in der Natur der Sache. Dass Kandidaten und Wähler beleidigt und diffamiert werden, geht trotzdem gar nicht. Hochemotional oder gar aggressiv: Das ist nicht der Tonfall, in dem ein Wahlkampf auf kommunalpolitischer Ebene üblicherweise geführt wird. So ganz aufklären lässt sich das, was da in den letzten beiden Wochen passiert ist, wohl nicht.

Auffällig sind, wie schon in der ersten Runde, die teilweise krass voneinander abweichenden Ergebnisse in den Ortsteilen. Offenbar spielten lokale Befindlichkeiten und das, was am Stamm- oder Küchentisch gesprochen wird, eine zentrale Rolle. Warum die Bleichstetter am 12. Februar mit 36,8 Prozent Alexander Knabe zu ihrem Bürgermeister gewählt hätten und ihren Favoriten nun mit nur noch 19,5 Prozent abstraften, wissen sie selbst am besten. Und auch in Ohnastetten war zwischen erstem und zweitem Wahlgang ordentlich Bewegung: Dort bekam Florian Bauer vor zwei Wochen 48,6 Prozent, der Sprung auf jetzt 66,9 Prozent ist augenfällig. Mehr holte er nirgendwo sonst.

Am wenigsten Boden gutmachen konnte Bauer in Gächingen, dort steigerte er sich nur von 33,3 auf 38,1 Prozent, während Mitbewerberin Sonja Döhler hier ihre Hochburg hatte: 41,1 Prozent vor zwei Wochen, jetzt sogar 49,5 Prozent: Ginge es nach den Gächingern, hätte St. Johann ab 15. April eine Bürgermeisterin. Bitter ist das Ergebnis für Alexander Knabe. Waren an seinem Einbruch die »öffentlichen Anfeindungen«, die er selbst als Erklärung heranzieht, schuld? Oder steckt dahinter teilweise auch der simple Mechanismus, dass sich die Wähler in Runde zwei auf die beiden Spitzenreiter fokussieren und derjenige mit der schlechtesten Ausgangsposition automatisch Stimmen verliert, weil’s jetzt wirklich um die Wurst geht?

Gut möglich, dass auch ein bisschen Psychologie im Spiel war: Ging’s in der ersten Runde etlichen Wählern darum, Bauer einen Denkzettel zu verpassen? Wenn ja, dann ist die Botschaft beim Empfänger angekommen. Eine gewisse Demut und die Einsicht, dass manches in der Vergangenheit hätte besser laufen können, hat Bauer in seiner Rede gezeigt. Erst im zweiten Wahlgang – mit nicht einmal der Hälfte aller abgegebenen Stimmen – gewählt zu werden, ist für einen Amtsinhaber, der wieder antritt, an sich schon eine Ohrfeige.

Arbeiten will und muss er an seiner viel gerügten Kommunikation. Was passiert, wenn sich Bürger – und sei es auch nur eine Gruppe unter ihnen – übergangen fühlen, hat die Schuldebatte gezeigt. Mit mehr Informationen und einer Bürgerversammlung vorab wäre es womöglich gar nicht zu einem Bürgerbegehren samt Bürgerentscheid gekommen. Gut wäre es, würde die Schul-Geschichte ein Lehrstück, eine Richtschnur dafür, wie Projekte mit Konfliktpotenzial künftig mit mehr Transparenz und Fingerspitzengefühl angegangen werden. In Zukunft wird es davon etliche geben – das Schiff St. Johann, das mit rund 1 600 Euro die höchste Pro-Kopf-Verschuldung im Landkreis hat, auf Kurs zu halten, wird nicht einfacher. Jetzt muss Bauer beweisen, dass er ein souveräner Kapitän ist.

marion.schrade@gea.de