ST. JOHANN. Stammgäste gibt es viele, und das freut Timo Burgmaier besonders. Manche kommen einmal die Woche, einige auch mehrmals. Und ein besonders treuer Besucher kehrte längere Zeit sogar an jedem einzelnen Öffnungstag in der Rohrauer Hütte ein. Das ist auch eine sportliche Leistung: Das Ausflugsziel unweit des Rutschenfelsens – eines von mehreren Naturfreundehäusern im Landkreis Reutlingen – ist nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Für Autos ist der Zufahrtsweg gesperrt.
Die ruhige Lage, die wunderschöne Landschaft an einem der spektakulärsten Abschnitte des Albtraufs: Das waren zwei der Gründe, die Timo Burgmaier zur Rohrauer Hütte hingezogen haben. Gut zweieinhalb Jahre ist es her, seit der im Glemser Stauseehotel ausgebildete Koch aus Reutlingen das Naturfreundehaus angepachtet hat. Nach verschiedenen gastronomischen Stationen in Tirol und einigen Jahren als Küchenchef auf dem Hohenneuffen lockte die Selbstständigkeit. Mit vielen Ideen wollte Burgmaier starten – nur um gleich am Anfang vom Corona-Lockdown ausgebremst zu werden. Monatelang war die Einkehr in der Hütte gar nicht oder höchstens mit Einschränkungen möglich. Essen und Getränke gab es nur »to go«.
Der schwierige Start – er hat dem frischgebackenen Hütten-Wirt nicht geschadet. »Ich würde es mir tatsächlich wieder so wünschen«, sagt Timo Burgmaier. Denn die strengen Vorgaben, die Gastronomie und öffentliches Leben monatelang lahmlegten, brachten ihm auch Vorteile, obwohl er als Neueinsteiger vom Staat keinen finanziellen Ausgleich bekam. Aber: Er konnte Schritt für Schritt beginnen, hatte Gelegenheit, das Traditionshaus Rohrauer Hütte samt gastronomischem Angebot nach seinen Vorstellungen umzugestalten, Personal zu gewinnen, auszuprobieren. In »normalen« Zeiten hätte gleich mit der Eröffnung alles perfekt sitzen müssen.
»Die Konkurrenz ist wieder größer«
So fing Timo Burgmaier klein an mit Getränken, belegten Mini-Seelen auf die Hand und Werbung nur in Form einer Tafel an den Wanderwegen in der Nähe. »Aber auch so war an den Wochenenden viel los«, erzählt er im Rückblick. Manchmal fast zu viel: Weil andere Anlaufpunkte fehlten, zog es die Menschen in Massen in die Natur. Und selbst für eine bescheidene Bewirtung »to go« waren die Leute in diesen Zeiten dankbar.
Inzwischen sind die Rohrauer Hütte, ihr Pächter und sein Team in der Nach-Corona-Normalität angekommen. Das heißt zum Beispiel, dass an den Wochenenden wieder zahlreiche Feste und andere Veranstaltungen locken und die Hütten-Einkehr nur eine Option unter vielen ist. »Die Konkurrenz ist wieder größer.« Das heißt auch, dass das Ausflugsziel am Albtrauf den wetterbedingten Nachfrage-Schwankungen wieder mit voller Wucht ausgesetzt ist. An heißen Tagen zieht es die Leute ins Freibad, bei Regen bleiben sie sowieso weg. Aber das Wetter regelt nicht alles. Warum manchmal unerwartet viele und manchmal überraschend wenige Gäste da sind, kann sich Timo Burgmaier oft selbst nicht erklären, »obwohl man in der Gastronomie ja immer überlegt, woran’s liegt«. Die Planung wird für den Hütten-Wirt dadurch natürlich nicht leichter. Zumal die wiedergewonnene Normalität auch ihre anstrengenden Seiten hat. Etwa dann, wenn eine 40-köpfige Gruppe unangemeldet vor der Hütte steht und keinen Gedanken daran verschwendet, dass das für ein kleines Team womöglich ein Problem sein könnte.

»Es pendelt sich jetzt vielleicht wieder auf dem Vor-Corona-Niveau ein«, meint Timo Burgmaier zum Hütten-Besuch. Was bedeutet, dass das Geschäft in den klassischen Wandermonaten im Frühling oder Herbst tendenziell besser läuft als im Hochsommer. Schließlich führt nicht nur der Albvereins-Klassiker »HW1« direkt an der Hütte vorbei, sondern auch einer der Bad Uracher Premiumwanderwege. An warmen Sommertagen sind es eher die Radfahrer, die auf ihrer Wochenend- oder Feierabendrunde bei Burgmaier einkehren.
Verlässlich gefragt sind die Übernachtungsmöglichkeiten im Naturfreundehaus, das insgesamt dreißig Betten in Zimmern unterschiedlicher Größe bietet, einfach, aber gemütlich, mit Waschbecken und Etagen-Klo. »Von kurz nach Ostern bis November ist so gut wie jedes Wochenende voll«, berichtet Timo Burgmaier. Und unter der Woche sind öfter Schulklassen oder Studentengruppen da, gleich für mehrere Tage. Das verlängert freilich auch die Arbeitszeiten des Hütten-Wirts, der auf Nachfrage ein Frühstück und manchmal auch ein Abendessen anbietet. Zwischen 11 und 19 Uhr ist die Rohrauer Hütte regulär geöffnet, außer an den Ruhetagen Montag und Dienstag.
»Die Menschen brauchen auch mal Ruhe«
In der Küche wird Burgmaier inzwischen von einem fest angestellten Koch unterstützt. »Wir machen viel selbst, die Kuchen, die Brühe, die Soßen.« Zu gefragten Hütten-Klassikern wie den warmen Seelen kommen vor allem an den Wochenenden Tagesgerichte. »Die können dann aber mal aus sein«, sagt der Wirt, für den sein Ziel einer »ehrlichen Küche« auch bedeutet, dass Lebensmittel nicht verschwendet werden. Möglichst viele der Rohstoffe kommen von regionalen Produzenten, das versteht sich hier eigentlich von selbst.
Auch wenn im weitläufigen Außenbereich der Rohrauer Hütte Selbstbedienung gilt, verstärken an schönen Wochenenden mehrere Aushilfen das kleine Gastro-Team. Dass ein Großteil seiner Stamm-Mannschaft aus St. Johann und der näheren Umgebung kommt, freut Timo Burgmaier besonders. Das zeigt ihm, dass die Hütte in der Gemeinde und der Region etabliert und geschätzt ist. Wegen Personalmangels ganz oder teilweise schließen? Das musste Burgmaier noch nie.

Rund 120 Sitzplätze, dazu Liegestühle, eine Hängematte, Grillstellen (an denen auch Mitgebrachtes verzehrt werden darf), Schaukeln – rund um die Rohrauer Hütte geht das Verschönern und Umgestalten weiter. Was nicht kommen wird, sind besondere Events, auch wenn manche Leute beispielsweise für den 1. Mai schon nach Musik gefragt haben. Timo Burgmaier ist aber davon überzeugt, dass die meisten Gäste anderes wünschen und wertschätzen: »Die Menschen brauchen auch mal Ruhe. Musik kann man schließlich überall hören.« Weil das Ausflugsziel ein Ort der Ruhe bleiben soll, stört es ihn, wenn immer wieder Leute die Sperrschilder ignorieren und mit dem Auto zur Rohrauer Hütte oder gleich bis zum Rutschenfelsen fahren. »Ich sag’ denen immer, dass das nicht geht«, meint Timo Burgmaier. Denn »Jeder, der hier unerlaubt herfährt, macht ein Stück von diesem besonderen Ort kaputt.« (GEA)