MÜNSINGEN. Vor 20 Jahren, am 31. März 2004, endete die traditionsreiche Geschichte der Herzog-Albrecht-Kaserne in Münsingen. An diesem Tag verließen die letzten Bundeswehrsoldaten die militärische Liegenschaft, auf deren Gelände sich heute die Parksiedlung befindet. Zwei Jahrzehnte später kommen Männer und Frauen in Uniform zurück auf die Mittlere Alb. Nein, der einstige Militärstandort wird nicht reaktiviert. Vielmehr geht das in der Alb-Kaserne in Stetten am kalten Markt (Landkreis Sigmaringen) beheimatete Artilleriebataillon 295 am 14. März eine Patenschaft mit der ehemaligen Garnisonsstadt ein. Mit im Boot ist der Münsinger Traditionsverband Panzerartilleriebataillon 285.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die »295«-Artilleristen, die zur Deutsch-Französischen Brigade gehören, auf Münsingen als Patenstadt gekommen sind. Der Verband wurde dort im Herbst 1958 als Feldartilleriebataillon 442 im damaligen Neuen Lager (seit 1965 Herzog-Albrecht-Kaserne) aufgestellt, bevor er Anfang 1959 nach Immendingen umzog. Seit 2016 sind die Soldaten in Stetten am kalten Markt beheimatet.
Rückblick: 1915 war auf dem Gelände der Parksiedlung ein Barackenlager fürs Militär gebaut worden. Bis Ende des Ersten Weltkrieges und von 1935 bis 1945 diente es den Soldaten als Unterkunft. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren dort Flüchtlinge untergebracht, bevor sich Mitte der 1950er-Jahre ortsansässige Firmen angesiedelt haben.
Sie blieben nicht lange, da die Verträge bald wieder gekündigt wurden. Im Februar 1958 erhielt das Verteidigungsministerium das Gelände von der Stadt überschrieben. Sieben Monate später war es so weit. Münsingen wurde Garnisonsstadt. Kommandeur Gottfried Tornau rückte am 22. September 1958 mit dem Panzerbataillon 310 ins Neue Lager ein. Zwei Wochen später präsentierten sich die 700 Soldaten vor dem Rathaus zum ersten Mal in der Öffentlichkeit.
Neue Kaserne 1965 eingeweiht
Mit dabei waren die Männer des neuen Feldartilleriebataillons 295, die ebenfalls im Neuen Lager untergebracht waren. Bereits Mitte Januar 1959 verließ der junge Verband die Alb Richtung Immendingen. Zwei Wochen später wurde die Kaserne mit neuen Soldaten gefüllt. Und zwar mit den Männern des Beobachtungsbataillons 270. Auch dieses Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Ende 1959 zogen sie Richtung Großengstingen in die Eberhard-Finckh-Kaserne um.
1961 fasste das Verteidigungsministerium den Entschluss, die baufälligen Baracken abzureißen und eine moderne Kaserne zu bauen. Offizielle Einweihung der umgerechnet rund 15 Millionen Euro teuren Neubauten war am 15. Dezember 1965. Seit diesem Tag hieß die militärische Anlage Herzog-Albrecht-Kaserne.
Drei Jahre später ließen sich unter anderem Bundespräsident Heinrich Lübke, Verteidigungsminister Gerhard Schröder, Ministerpräsident Hans Filbinger, Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier und Altbundeskanzler Ludwig Erhard die neuen Unterkunftsgebäude zeigen.
In den 1960er-Jahren waren einige Rekruten in der Kaserne, von denen man später noch viel hören sollte: so zum Beispiel der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, der gestorbene Schlagersänger Bernd Clüver, der ehemalige Tischtennis-Nationalspieler Torben Wosik, Olaf Malolepski von den »Flippers« und der einstige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan.
Sage und schreibe 40.000 Menschen strömten Mitte 1971 in die Kaserne, die einen »Tag der offenen Tür« veranstaltete. Hausherr war zu dieser Zeit das Panzerbataillon 304.
Fünf Jahre später ging es eng in der Kaserne zu. Neben »304« waren inzwischen noch das Panzerbataillon 283 und das Panzerartilleriebataillon 285 stationiert. Mit 1.200 Soldaten kam die militärische Anlage an die Grenzen ihrer Kapazität. Deshalb beschloss die Bundeswehr 1977, die Kaserne um sechs Hektar zu vergrößern. Völlig überraschend kam drei Jahre später die Mitteilung aus dem Verteidigungsministerium, dass das Panzerbataillon 304 im Jahr 1981 außer Dienst gestellt werde.
Elf Jahre später traf »283« das gleiche Schicksal. Jenes Bataillon, das lange Zeit als einer der modernsten Panzerverbände des Heeres galt, da es Mitte der 1970er-Jahre mit dem kampfstärksten Panzer dieser Zeit, dem Leopard 1 A4, ausgestattet worden war. Die meisten Panzersoldaten wechselten in das 1992 neu aufgestellte Fallschirmpanzerabwehrbataillon 283.
Flagge letztes Mal niedergeholt
Ihre Versetzung war ebenfalls nicht von langer Dauer. Am 19. September 1996 löste sich der sogenannte »Wiesel«-Verband wieder auf. Jetzt war nur noch das rund 500 Mann starke Panzerartilleriebataillon 285 in der Herzog-Albrecht-Kaserne präsent. Knapp acht Jahre später endete auch die traditionsreiche Geschichte dieses Verbandes, da die Kaserne geschlossen wurde. Das letzte militärische Zeremoniell fand am 31. März 2004 an der Wache statt. An diesem Tag holten die restlichen 30 Soldaten zum letzten Mal die Bundesdienstflagge nieder.
Noch im selben Jahr übernahm die Stadt Münsingen das 22,5 Hektar große Gelände und ließ, außer der ehemaligen Bekleidungskammer, in der heute die Baptistengemeinde Münsingen ihr Domizil hat, alle Gebäude und Hallen abreißen. Inzwischen stehen dort 200 Ein- und Zweifamilienhäuser. (GEA)
PROGRAMM
Die Unterzeichnung der Patenschaftsurkunden von Vertretern des Artilleriebataillons 295, der Stadtverwaltung und des Traditionsverbandes Panzerartilleriebataillon 285 findet am Donnerstag, 14. März, von 14.30 Uhr an in der Zehnscheuer in Münsingen statt. Zuvor gibt es um 9 Uhr einen Militärgottesdienst in der Martinskirche, das Feierliche Gelöbnis wurde auf 13 Uhr vor dem Rathaus auf dem Matthias-Erzberger-Platz terminiert. Das Heeresmusikkorps Ulm umrahmt das militärische Zeremoniell musikalisch. Gleich nebenan ist eine statische Waffenschau vorgesehen, um die Mittagszeit bieten die Soldaten Erbsensuppe aus der Gulaschkanone an. (lejo)