MÜNSINGEN/STUTTGART. Die Notfallpraxis - seit neuestem heißen die Notfallpraxen Bereitschaftspraxen - in der Albklinik in Münsingen soll zum 30. September geschlossen werden. Andere der 18 Bereitschaftspraxen im Land trifft es bereits zum 1. April, also in drei Wochen. Dagegen regt sich breiter Widerstand, allerdings zumindest bisher am Landtag vorbei. Den Oppositionsparteien gefällt das wenig. Der Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch hat Pressevertretern den Standpunkt seiner Partei dargelegt und zielte dabei auch auf die fehlende Einbindung der gewählten Gremien bei einer vor allem im ländlichen Raum essenziellen Frage ab: der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung.
Antrag der SPD-Fraktion
Die SPD will das Thema in den Landtag bringen, heute wird ein entsprechender Antrag eingebracht. Bisher lief die Schließungsorgie nicht nur an den Parlamentariern weitgehend vorbei. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ist der Meinung, dass etwa wegen eines vorhandenen oder drohenden Ärztemangels die Zahl der Bereitschaftspraxen reduziert werden sollte. Das ist klassisches Unternehmensberaterdenken: Weniger besser ausgelastete Standorte sind kostengünstiger als viele kleine, schwach frequentierte. Mit der Logik könnte man am Ende aber auch bei »einer einzigen Notfallpraxis in Böblingen für ganz Baden-Württemberg« enden, meint Andreas Stoch. Die KVBW sucht nach Einsparungspotenzialen, die mag sie an manchen Standorten auch finden. Wo die Einsparung in Münsingen liegen soll, erschließt sich aber nicht ohne Weiteres. Die Räume in der Albklinik bleiben und der Notfalldienst - jetzt Ärztlicher Bereitschaftsdienst - für die harten Fälle wird von denselben Kräften betreut, der Tresen bleibt offen. Und ob die Alb-Ärzte sich freuen, zum Wochenenddienst nach Reutlingen fahren zu müssen, darf bezweifelt werden.
Hier greift die Kritik von Stoch und seiner Partei: Die Aktion der KVBW, vielleicht im Ansatz verständlich, habe nie die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort betrachtet und zur Entscheidung herangezogen. Über die KVBW-internen Gründe wollte Stoch im Pressegespräch nicht spekulieren. Was er kritisiert, ist, dass sich Manne Lucha als Minister für Soziales, Gesundheit und Integration kritiklos »auf die Seite der Institutionen stellt«. Fachlich sei das Ganze nicht nachvollziehbar, meint Stoch.
Allerdings könne das Projekt im Alleingang von KVBW und Ministerium durchgezogen werden. Um so wichtiger sei es daher, jetzt politischen Druck aufzubauen. Und zwar aus der Opposition heraus, von den grünen Parteifreunden von Gesundheitsminister Lucha und den Koalitionspartnern von der CDU dürfe hier nicht viel erwartet werden. Trotz allem Verständnis auch aus den Reihen der Regierungsabgeordneten für die Verteidiger der von der Schließung bedrohten Standorte. Darunter übrigens auch öffentlich von Peter Hauk, CDU, Minister für den ländlichen Raum.
Abgeordnete sollen Farbe bekennen
Die Fraktion der SPD wird also heute im Landtag ihren Antrag einbringen. Die Landesregierung wird darin »ersucht, bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg darauf hinzuwirken, die Schließungspläne für folgende 18 Notfallpraxen (im Antrag aufgelistet, darunter Münsingen, geplante Schließung am 30. September) aufzugeben. Begründung: Viele Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg, darunter zum Beispiel auch der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, haben sich in unterschiedlicher Weise für den Erhalt der Notfallpraxen ausgesprochen und den baden-württembergischen Gesundheitsminister Lucha aufgefordert, sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung dafür einzusetzen, die Standorte der Notfallpraxen aufrecht zu erhalten. Der Antrag gibt dem Landtag Gelegenheit, das Regierungshandeln in dieser Sache zu beeinflussen.«
Stoch rechnet damit, dass der Antrag auch von anderen Oppositionsparteien, namentlich der FDP, unterstützt wird. Die Abgeordneten der Regierungsparteien und Vertreter ihrer Wahlkreise hätten ein Problem, müssten aber »Farbe bekennen« , sagte im Pressegespräch Florian Wahl, SPD, Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Integration des Landtags. Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass Gesundheitsminister Lucha seinen Aufgaben in dieser Sache nicht gerecht geworden sei, der Minister gehe Konflikten mit der KVBW aus dem Weg. »Lucha versteckt sich hinter seiner Rolle«, meint Stoch, der Minister habe die Pflicht zur Rechtsaufsicht. Die KVBW habe schließlich auch einen rechtlich definierten Sicherstellungsauftrag zu »einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten«. Stoch sieht daher gute Chancen für die Klage von 13 Kommunen, darunter Münsingen, gegen die Pläne der KVBW.
Wie die Abgeordneten aus den Landtagswahlkreisen Reutlingen und Hechingen-Münsingen über den Antrag entscheiden, wird sich zeigen. Am Montag, 17. März, hat die SPD zu einer weiteren Aktion aufgerufen, um noch mehr »politischen Druck« aufzubauen. Sie lädt zum Notfallgipfel »Schließung der Notfallpraxen« in den Landtag in Stuttgart ein. Interessierte Bürger sind willkommen (siehe Info-Box). (GEA)
Fahrt zum Notfallgipfel
Die SPD-Landtagsfraktion lädt am Montag, 17. März, zum Notfallgipfel »Schließung der Notfallpraxen« im Landtag in Stuttgart ein. Interessierte Bürger sind eingeladen, die Bürgerinitiative Albklinik hat Plätze für Interessierte reserviert und einen Bus für die Fahrt nach Stuttgart organisiert. Wer mit dem Bus mit nach Stuttgart fahren möchte, kann sich bei der Stadt Münsingen anmelden (07381 182-148 oder -149). Der Bus der Bürgerinitiative fährt am Montag, 17. März, um 14 Uhr am Bahnhof in Münsingen ab und wird zwischen 20.30 und 21 Uhr zurückkehren. Der Notfallgipfel selbst ist von 17 bis 19 Uhr angesetzt. Zum Auftakt des Gipfels wird der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Andreas Stoch, die Teilnehmenden begrüßen, es folgt eine inhaltliche Einführung von Florian Wahl (MdL, Sprecher für Gesundheit und Pflege im Stuttgarter Landtag). Professor Dr. Andreas Pitz, Experte für Sozialrecht und Gesundheit, wird ebenfalls einen Beitrag leisten. Eine Podiumsdiskussion schließt sich an. (GEA)

