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Albklinik: Chirurgische Praxis schließt zum Jahresende

Arbeits- oder Sportunfall? Dafür war bisher die chirurgische Ambulanz-Praxis in der Albklinik zuständig. Diese wird zum Jahresende geschlossen. Künftig ist die Notaufnahme die erste Anlaufstelle für solche Patienten.

Bei der Hausarbeit oder beim Sport verletzt? Leichtere Fälle wurden bisher ambulant in der chirurgischen Praxis der Albklinik be
Bei der Hausarbeit oder beim Sport verletzt? Leichtere Fälle wurden bisher ambulant in der chirurgischen Praxis der Albklinik behandelt. Doch die wird zum Jahresende geschlossen. Foto: Chinamon/adobe stock
Bei der Hausarbeit oder beim Sport verletzt? Leichtere Fälle wurden bisher ambulant in der chirurgischen Praxis der Albklinik behandelt. Doch die wird zum Jahresende geschlossen.
Foto: Chinamon/adobe stock

MÜNSINGEN. Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ II) Reutlingen wird die Praxis für Allgemein- und Unfallchirurgie, die in der Münsinger Albklinik angesiedelt ist, zum 31. Dezember dieses Jahres schließen. Das teilen die Kreiskliniken Reutlingen mit, in deren Strukturen das MVZ II eingebettet ist. Die Entscheidung wurde auf Vorschlag der Geschäftsführung mit Zustimmung des Aufsichtsrats im September getroffen. Als Grund werden »strukturelle Anpassungen der Angebote« genannt - wichtig in diesem Zusammenhang: Die stationäre chirurgische Versorgung in der Albklinik bleibt davon unberührt.

Auf der Alb schrillen bei Mitteilungen dieser Art inzwischen dennoch die Alarmglocken - die Streichkonzerte in der Gesundheitsversorgung auf dem Land waren in jüngerer Vergangenheit nicht zu überhören und bekamen einen zunehmend dramatischen Unterton. Die Ermstalklinik im benachbarten Bad Urach ist seit 2023 dicht - die Angst, dass die Albklinik in näherer Zukunft dasselbe Schicksal ereilen könnte, geht um. Bereits 2018 musste sich die Albklinik schweren Herzens von der Geburtshilfe-Abteilung trennen - trotz intensiver Bemühungen wurden nicht genügend Gynäkologen gefunden, um den Standort zu erhalten.

Die jüngste schlechte Nachricht betraf die Bereitschaftspraxis, die seit Ende September dieses Jahres dicht ist. Der Notdienst für die hausärztliche Versorgung am Wochenende war zwar in den Räumen der Albklinik untergebracht, wird aber nicht von den Kreiskliniken getragen und organisiert, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW). Die Entscheidung zur Schließung der Bereitschaftspraxis fiel also nicht bei den Kreiskliniken.

Anlaufstelle für kleine ambulante Eingriffe auf der Alb fehlt nun

Zuständigkeiten und Strukturen spielen auch im Fall der chirurgischen Praxis eine zentrale Rolle. Zur Vorgeschichte: Viele Jahre, von 1990 bis 2014, betrieb Dr. Theodor Schiek eine eigene ambulante chirurgische Praxis in Münsingen. Diese war Anlaufstelle für alles, was Menschen so auf dem Sportplatz, bei der Hausarbeit oder auf dem Schulweg zustößt: den Bänderriss, den Holzmacher-Finger oder das aufgeschürfte Knie. Auch für kleinere geplante chirurgische Eingriffe war die Praxis die erste Adresse - Hausärzte schickten ihre Patienten dafür »zum Schiek«.

Als der seine Praxis altershalber aufgab und keinen Nachfolger fand, sprangen die Kreiskliniken ein: Sie retteten die chirurgische Praxis, indem sie die Trägerschaft übernahmen, brachten sie in leerstehenden Räumlichkeiten der Albklinik unter und stellten mit Dr. Manfred Kuntz und weiteren Mitarbeitern auch das nötige Personal. Für die Patienten und auch die Hausärzte blieb also - bis auf die Adresse - alles beim Alten.

Das ändert sich nun gravierend, wie auch aus der Münsinger Hausärzteschaft zu hören ist. Sie haben nun keine lokale Anlaufstelle mehr für kleinere, planbare ambulante Eingriffe und müssen ihre Patienten zum Beispiel nach Pfullingen oder Reutlingen schicken, wie Dr. Eberhard Rapp, Hausarzt und Sprecher der Bürgerinitiative zum Erhalt der Albklinik, bestätigt. Gerade für ältere Patienten ein echtes Problem - die Wege werden weiter, genauso wie im Fall der Bereitschaftspraxis: Für den hausärztlichen Notdienst am Wochenende werden Patienten nun auf Reutlingen oder Ehingen verwiesen, wo die KVBW ihre Bereitschaftspraxen aufrechterhält.

Die Gefahr, dass nicht alle die weiten Wege auf sich nehmen werden und es stattdessen in der klassischen Notaufnahme der Albklinik versuchen, sehe man auch in den Kreiskliniken, sagt Pressesprecher Christian Hirtz. Ähnliches gilt für leichtere chirurgische Notfälle: Diese Patienten landen künftig - ob sie nun selbst fahren oder vom Rettungsdienst gebracht werden - auch in der Notaufnahme und nicht mehr in der chirurgischen Ambulanz. »Wir wollen natürlich vermeiden, dass die Notaufnahme völlig überrannt und überlastet wird«, betont Hirtz. Zum einen durch personelle Verstärkung: Es gebe Springer aus Reutlingen, die auch jetzt schon Engpässe abfedern. Zum anderen bemühe man sich darum, die ambulante Versorgung fortzuführen: »Dazu werden noch Gespräche mit potenziellen Ärzten geführt, die gegebenenfalls eine Nachfolgepraxis aufbauen wollen«, teilt Hirtz mit.

Stationäre Chirurgie wird eher ausgebaut als verkleinert

Und was, wenn das nicht gelingt? Droht dann dauerhaft eine Versorgungslücke? Hirtz verweist auf die Bedarfsplanung der KVBW, die primär für die ambulante Versorgung zuständig ist: Demnach »droht im Landkreis Reutlingen keine Unterversorgung bei den Fachärzten für Orthopädie und Chirurgie«. Im Landkreis sehe man allerdings, »dass die KVBW ihrem Sicherstellungsauftrag jetzt schon kaum noch nachkommen kann«. Deshalb seien Kreis, viele Städte und Gemeinden selbst initiativ geworden. Ein Beispiel dafür gibt es auch auf der Alb: Das Port-Gesundheitszentrum in Hohenstein, das die Lücke in Münsingen zumindest teilweise schließt. Denn dort ist unter anderem auch eine Zweigpraxis des Chirurgisch-Orthopädischen Zentrums Neckar-Alb angesiedelt.

»In einem weiteren Schritt hat sich der Landkreis auf den Weg gemacht, das Gesundheitssystem zukunftssicher aufzustellen. Es geht dabei insbesondere um die Überwindung der derzeit sehr engen Sektorengrenzen zwischen ambulanten und stationären Angeboten«, führt Hirtz aus. Wie bereits erwähnt: Die chirurgische Station der Albklinik bleibt weiterhin bestehen, die Schließung der chirurgischen Praxis sei »Teil einer strukturellen Anpassung der ambulanten Angebote«, erklärt Hirtz, »unser Kerngeschäft sind der Klinikbetrieb und die Notfallversorgung von Patienten«.

Man wolle sich auf Leistungen und Bereiche konzentrieren, »die sehr gut und mit hoher Qualität erbracht werden können«. Anstatt überall alles anzubieten, will man in den einzelnen Häusern der Kreiskliniken Schwerpunkte setzen und ausbauen. In Münsingen ist das neben der Schmerztherapie die Endoprothetik. Das Team des Gelenkzentrums um Dr. Tobias Dorn ist als Teilbereich der stationären Chirurgie gut ausgelastet und genießt einen guten Ruf in der Region. Und auch Gallenblasen, gebrochene Knochen oder Schilddrüsen werden in Münsingen weiterhin operiert, beruhigt Hirtz. »Dieser Bereich wird eher erweitert als verkleinert.« (GEA)