MÜNSINGEN. Weil ein 57-jähriger Älbler einen Mitarbeiter der Schwäbischen Alb-Bahn (SAB) als »Untersturmführer« beschimpft hatte, flatterte dem Verwaltungsangestellten wegen Beleidigung ein Strafbefehl in Höhe von 1.500 Euro (30 Tagessätze à 50 Euro) ins Haus. Dagegen legte er Einspruch ein, weshalb es dieser Tage zur Verhandlung vor dem Münsinger Amtsgericht kam.
Was war geschehen? Ende September vergangenen Jahres waren der Älbler und ein Freund am Nachmittag mit dem Fahrrad unterwegs. Um am Bahnhof Münsingen über die Gleise zu kommen, mussten sie mit ihren Drahteseln durch die rot-weiß lackierten Umlaufsperren.
»Das hätte verdammt blöd ausgehen können«
In diesem Augenblick fuhr ein Zug – aus Richtung Trochtelfingen kommend – auf Gleis 2 ein. Der Lokführer sah die beiden Radler und gab ein lautes Warnsignal ab. Ein Zugbegleiter, der auf Gleis 1 stand, rief noch "Halt, absteigen". Als keine Reaktion kam, schrie er ein zweites Mal und gestikulierte mit beiden Händen. Erst jetzt blieben die Radler stehen. Als der Zug den Überweg passiert hatte, setzten die Pedalritter ihren Weg fort. "Als sie auf meiner Höhe waren, haben sie mich fragend angeschaut, nach dem Motto: Was will der denn?", erinnerte sich der Zugbegleiter vor Gericht. »Das hätte verdammt blöd ausgehen können«, hatte er seinerzeit laut nachgedacht, danach trennten sich ihre Wege.
Tage später traf eine E-Mail bei der SAB ein. Darin beklagte sich der Angeklagte über den harschen Befehlston des Mitarbeiters. »Wir leben doch nicht in einer Diktatur«, erklärte der 57-Jährige vor Gericht, der sich am besagten Tag im September keiner Schuld bewusst war.
Er räumte ein, dass er der Verfasser der E-Mail gewesen sei und er den SAB-Bediensteten »Untersturmführer« genannt habe. »Das war aber sarkastisch gemeint«, schob der Älbler nach. »Ich wollte ihm den Spiegel vor Augen halten, ihm zeigen, dass man in einer Demokratie nicht mit einem solchen Ton unterwegs ist.«
»Dabei sind Sie deutlich übers Ziel hinausgeschossen«, entgegnete ihm Richter Marian Jander. Staatsanwältin Lisa Schall erinnerte den Angeklagten daran, dass Untersturmführer im Dritten Reich ein Offiziersrang der SS war. Dieser Nachhilfeunterricht kam nicht von ungefähr. Der Älbler hatte behauptet, er habe diesen Dienstgrad »erfunden«. Er habe nicht gewusst, dass es ihn tatsächlich gegeben habe. Nichtsdestotrotz: »Ich habe mich persönlich angegriffen gefühlt«, antwortete der SAB-Mitarbeiter auf die entsprechende Frage des Richters.
Jander bot dem Verfasser der mit »überspitzter Polemik« gespickten E-Mail an, das Strafverfahren gegen eine Geldauflage einzustellen, wenn er sich bei seinem Gegenüber entschuldigen würde. Nach reiflicher Überlegung willigte der Angeklagte ein, erhob sich von seinem Stuhl, knöpfte das Sakko zu und drehte seinen Kopf in Richtung des SAB-Mitarbeiters. »Meine Ausdrucksweise war zu extrem, meine Wortwahl war missverständlich«, räumte der 57-Jährige ein. Beleidigen wollte er niemanden, deshalb entschuldige er sich aufrichtig. Eine Entschuldigung, die angenommen wurde.
Deshalb fiel es auch der Vertreterin der Anklage leicht, sich dem Vorschlag des Richters anzuschließen. Man einigte sich darauf, dass der nicht vorbestrafte Radfahrer 500 Euro an die Gedenkstätte Grafeneck überweist. (lejo)
IM GERICHTSSAAL
Richter: Marian Jander Staatsanwältin: Lisa Schall