HOHENSTEIN-OBERSTETTEN. Die Oase ist mehr als nur ein Gebäude: Sie ist ein Raum, der seit 40 Jahren von Jugendlichen aus Oberstetten als Anlaufpunkt genutzt und mit Leben gefüllt wird. Nicht einfach ein Jugendclub, sondern ein lebendiges Zeugnis von Gemeinschaft, Freundschaft und unermüdlichem Engagement. Über vier Jahrzehnte hinweg wurde die Oase von Generation zu Generation weitergegeben, wobei jede neue Jugendgruppe ihren eigenen Stempel hinterließ, ohne die Traditionen und den Geist der ehemaligen Mitglieder zu vergessen. Und der ist immer noch spürbar.
Richard Mäurle hat die Oase mitgegründet und erinnert sich noch gut an die Anfangszeiten: »Es gab damals schon Bars in Oberstetten, so wie die Staubwolke. Aber da waren wir nicht erwünscht«. Also trafen sich zumeist an den Wochenenden acht bis zehn junge Leute im Wohnzimmer seiner Eltern. »Die hatten dann keinen Platz mehr auf dem Sofa. Beklagt haben sich meine Eltern aber nie darüber«, erzählt Mäurle lachend. Der Teppichboden sah – insbesondere im Winter – entsprechend aus, denn jeder steuerte auch mit dem größten Dreck an den Schuhen die Stube an. »Hier haben wir uns getroffen und dann ausgemacht, wohin wir gehen wollen«. Fast zwei Jahre lang ging das so, bis Richard Mäurle diesen Trubel seinen Eltern nicht mehr antun wollte. »Also haben wir beschlossen, uns selbst etwas zu bauen.«
Jedes Mitglied brachte 50 Mark ein
Auf dem Grundstück der Baufirma Josef Rudolf gab es eine brach liegende Fläche, die hatten die jungen Leute schließlich ins Auge gefasst und auch großzügigerweise zur Verfügung gestellt bekommen. Jedes Mitglied brachte 50 Mark ein, damit konnte Material zum Bau der Hütte gekauft werden. »Es gab keinen Plan, wir hatten im Kopf, wie unser Club aussehen sollte«, erzählt Karlheinz Raach. Mit Stroh wurde das Pultdach isoliert, mit eingesammeltem Styropor aus Verpackungen der örtlichen Elektrofirma wurden die Wände gepolstert. Außerdem sorgte ein Holzofen für Wärme im rund 15 Quadratmeter großen Raum, der mit einer kleinen Theke versehen war und schließlich am 22. Dezember 1984 mit ganz vielen Leuten eingeweiht werden konnte.
»Wir waren so ein eingeschworener Haufen und konnten uns blind aufeinander verlassen«
Verschiedene Dienste wurden eingeteilt, wer Putzdienst hatte, musste auch die Getränke besorgen. »Wir waren so ein eingeschworener Haufen und konnten uns blind aufeinander verlassen. Das war wie die eigene Familie«, sagt Mäurle. Man trug gemeinsam Verantwortung, das habe zur persönlichen Entwicklung beigetragen. »So viele Leute haben einen Schlüssel. Wenn man also Lust auf ein Bier hat, ist eigentlich immer offen«, berichtet Martin Holzhauer.
Von jeher investieren die Jugendlichen viel Zeit und Arbeit in ihre Hütte, die das Herzstück ihrer Aktivitäten bildet. Hier wird nicht nur gefeiert, sondern auch gemeinsam an Ideen und Projekten gefeilt, die den Zusammenhalt stärken. Ob es sich dabei um die Organisation von Veranstaltungen handelt, um die Pflege, den Ausbau oder den Umbau der Räumlichkeiten oder um die Planung von Ausflügen – schon seit 40 Jahren zeigen die jungen Leute hier ein bemerkenswertes Maß an Hingabe und Verantwortungsbewusstsein.
Vielen Um- und Anbauten mit Generationswechsel
Ungefähr alle fünf Jahre gab und gibt es einen Generationswechsel, mit ihm gingen auch immer wieder Um- und Anbauten einher. Die einen bauten Fenster ein, andere verlegten die Theke und gestalteten den Eingangsbereich um, es wurde richtig isoliert und schließlich auch ein Grillplatz samt Außenanlage angelegt. »Wir sind kein Gastronomiebetrieb, sondern ein Treff für Jugendliche, aus dem dann 2010 ein eingetragener Verein wurde«, erzählt Jürgen Raach und betont, dass all dies ohne die Großzügigkeit der Familie Rudolf und auch ohne die Akzeptanz der Anwohner nie möglich gewesen wäre. »Als wir die Oase bauten, gab es noch keinerlei Wohnbebauung drumherum. Das hat sich heute geändert. Jetzt liegt sie mitten im Ort«, ist von Karlheinz Raach zu erfahren. Klar, dass es da manchmal auch zu Unstimmigkeiten komme, aber man habe sich bisher immer einigen können. Für Grundstückseigentümer Andreas Rudolf ist dies nur möglich, weil es immer mit dem Vereinsvorstand einen festen Ansprechpartner gibt: »Man kennt sich und weiß, mit wem man es zu tun hat«.
»Wir sind kein Gastronomiebetrieb, sondern ein Treff für Jugendliche, aus dem dann 2010 ein eingetragener Verein wurde«
Während der Corona-Pandemie wurde die Oase grundlegend saniert, komplett entkernt, neu aufgebaut, Stromleitungen neu verlegt und ans Stromnetz angeschlossen sowie die Clubräume um ein Drittel vergrößert. Auch diesmal ohne Plan. »Wir haben einfach drauflos geschafft«, berichtet der heutige Vorstand Maxi Schmid.
Kameradschaft wird in der Oase großgeschrieben. In einem Umfeld, das von Vertrauen und Respekt geprägt ist, entstehen Freundschaften, die oft ein Leben lang halten. Die gemeinsamen Erlebnisse, sei es bei den regelmäßigen Treffen, Festen oder Unternehmungen, schweißen die 110 Mitglieder des Vereins zusammen und fördern ein starkes Gemeinschaftsgefühl. So hat sich die Oase im Laufe der Jahre zu einem Symbol der Zusammengehörigkeit entwickelt, das die Werte von Freundschaft, Unterstützung und Zusammenhalt verkörpert.
Oase-Fest ist legendär
Immer am Mittwoch vor Fronleichnam wird das traditionelle und legendäre Oase-Fest beim Sportplatz gefeiert, im nächsten Jahr bereits zum 30. Mal. Die Veranstaltung wurde stetig professionalisiert, es gab immer Live-Musik mit Bands, die eine Plattform suchten. Aus dem Gewinn konnten Sanierungen, Ausflüge und der Betrieb bezahlt werden.
Ab und an, so ist von früheren und heutigen Oase-Mitgliedern zu erfahren, habe es allerdings auch Zeiten gegeben, in denen kaum mehr aufgeschlossen wurde und nichts mehr los war. Im Ort gab es zwei Bauwagen für Jugendliche, die Oase wurde nicht mehr oft angesteuert. Da habe man sich lang überlegt, wie es weitergehen soll. Doch es ist weitergegangen: mit Fassbier-Wochenenden, Weihnachtsfeiern, Spieleabenden, dem »durschtigen Doschdig« und dem Jubiläumsfest im Sommer anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Oase. Und die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern und will der Oase dann für weitere Jahre ihren Stempel aufdrücken. (GEA)