TÜBINGEN. Für Staatsanwalt Maurizio Ruoff waren die Indizien und die Aussagen der Zeugen, vor allem die des Opfers, zum zeitlichen Ablauf des Tathergangs stimmig. Zwei Männer seien, von Mössingen kommend, in die Wohnung des Opfers eingedrungen, hätten ihn gefesselt und mit Waffen bedroht. Danach hätten sie den 82 Jahre alten Gastwirt genötigt, ihm Geld und Wertgegenstände auszuhändigen. Einer der beiden ist flüchtig. Der andere, ein 40-Jähriger, gestand.
Demnach drangen die beiden Italiener in der Nacht auf den 6. Juni 2024 in das Haus des Opfers ein, sie fesselten, bedrohten und beraubten ihn. Das brutale Vorgehen habe erhebliche psychische Folgen nach sich gezogen: Noch heute, über zehn Monate nach der Tat, habe der Mann Schlafstörungen. Er könne nicht in seinem Schlafzimmer, dem Tatort, übernachten, müsse wechselnde Zimmer im eigenen Gästehaus nutzen und wissen, dass jemand in seiner Nähe ist.
Erpresserischer Menschenraub
Achim Uhden, Verteidiger des 40-Jährigen, argumentierte, sein Mandant sei der Handlanger des nun flüchtigen Mannes gewesen. Für diesen sei nicht vom Tatbestand der Freiheitsberaubung auszugehen: Die Fesselung des Opfers habe diesem nicht die Fortbewegungsfreiheit genommen. Er plädierte dafür, seinen Mandanten nur wegen schweren Raubs zu verurteilen. Der Mann wurde vom Gericht wegen erpresserischem Menschenraub zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Schwieriger für die Kammer war es, sich mit der Tatbeteiligung von zwei anderen Angeklagten, gebürtigen Albanern, auseinanderzusetzen. Im Lauf des Verfahrens war von mehreren Seiten Verwunderung darüber ausgedrückt worden, dass diese beiden gut integrierten Männer, der eine 44, der andere 43 Jahre alt, in diese Tat verwickelt sein könnten.
Die Einbrecher chauffiert
Dem 43-jährigen Angeklagten konnte nachgewiesen werden, dass er, auf Bitte seines 44-jährigen Landsmanns, die beiden Haupttäter aus Italien abgeholt und nach Tübingen gebracht hatte. Des Weiteren wartete er in Mössingen, um die beiden Haupttäter nach der Tat mit dem eigenen Auto nach Tübingen zu chauffieren. Verteidiger Christian Niederhöfer beschrieb seinen Mandanten als naiv: »Er wusste gar nichts.«
Richter Christoph Kalkschmid betonte, spätestens am Tatabend müsse der Mann gewusst haben, was die anderen vorhatten. Seine erschrockene Reaktion nach der Festnahme, seinen Willen zur Aussage und die Entschuldigung beim Opfer legte die Kammer ebenso zu seinen Gunsten aus, wie die positive Sozialprognose. Die Kammer bestrafte den Mann mit zehn Monaten Haft wegen Beihilfe - und das auf Bewährung von nur zwei Jahren. »Wir haben keine Bedenken«, sagte Richter Kalkschmid. Ein Bewährungshelfer sei nicht nötig.
Anstiftung zur Tat
Über die Bestrafung des dritten Angeklagten diskutierte das Gericht am längsten und kam zum Schluss, der 44-Jährige müsse wegen der Anstiftung zur Tat verurteilt werden. Die Kammer war sich einig, dass der Mann zum einen den Tipp, dass bei jenem Wirt etwas zu holen sei, in einem Telefongespräch mit dem flüchtigen Mann erwähnt haben musste. Zum anderen habe er die Einreise der beiden Italiener und deren Aufenthalt organisiert.
Er habe wissen müssen, dass der flüchtige Mann einschlägig vorbestraft war, möglicherweise auch, dass letzterer deswegen aus der Haft heraus von Deutschland nach Italien abgeschoben worden war. Der 44-Jährige habe in den polizeilichen Vernehmungen »viel Quatsch erzählt«, so Richter Kalkschmid. Anders vor Gericht: »Sie haben noch die Kurve gekriegt«, beschied er dem Angeklagten.
Das Gericht wertete positiv, dass sich das Opfer mit der Entschuldigung des Mannes und der Überreichung von Schmerzensgeld im Gericht zufrieden zeigte. Anders als die Staatsanwaltschaft, sei man von einer positiven Sozialprognose dieses Mannes überzeugt. Daher habe man entschieden, zwei Jahre Haft für Anstiftung zu einer Straftat zur Bewährung von drei Jahren auszusetzen, allerdings mit einem Bewährungshelfer an der Seite. Zusätzlich muss der Mann 3.000 Euro an den Weißen Ring zahlen, eine Organisation, die Opfer von Straftaten unterstützt. (GEA)