ZWIEFALTENDORF. Kein Grab auf dem Friedhof von Zwiefaltendorf fällt so ins Auge wie jenes der Familie von Bodman. »Baronengrab« nennen es die Leute im Dorf. Es steht an der Nordseite der Kirche St. Michael. Ein gut drei Meter hohes, überdachtes Holzkreuz mit dem Gekreuzigten wird flankiert von zwei grauen Stelen, auf denen die Namen der Verstorbenen stehen.
Bis vor wenigen Monaten war auf der rechten Stele auch der Name des Franz Freiherr von und zu Bodman samt seinen Lebensdaten, 1909 bis 1945, eingraviert. Doch nach öffentlichem Druck hat die Familie diese Inschrift im November 2024 abschleifen lassen. Der Grund: Franz von Bodman war SS-Obersturmführer und Arzt in mehreren Konzentrationslagern. So in Auschwitz, wo er nach Zeugenaussagen 50 Frauen eigenhändig mit Phenolinjektionen getötet haben soll.
Name auf Stele getilgt
Doch mit der Tilgung des Namens kann es nicht erledigt sein. Findet ein Kreis um den in Zwiefaltendorf wohnhaften Hans Petermann, früherer Bürgermeister von Ertingen und Riedlingen (Kreis Biberach). Die Causa Bodman soll aufgearbeitet werden. Erster Schritt vor Ort ist ein Vortrag am 31. März um 19.30 Uhr im Gemeindehaus von Zwiefaltendorf. Als Veranstalter firmieren die »Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Biberach« und die Volkshochschule Donau-Bussen. Der Riedlinger Bürgermeister Oliver Schafft wird ein Grußwort sprechen, der Historiker Bernd Reichelt vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg moderiert.
Einer der Referenten ist der Tübinger Historiker Bastian Wade. Er gehört dem Arbeitskreis »Nationalsozialismus an der Universität Tübingen« an, der sich vergangenes Jahr intensiv mit Franz von Bodman beschäftigt hat. Bodman wurde 1935 an der Medizinischen Fakultät der Uni zum Dr. med. promoviert. Nach einer Anfrage an Rektorin und Dekan untersuchte der Arbeitskreis, ob Bodman der Doktortitel posthum entzogen werden kann. Dies verneinte das Gremium mit Verweis auf das Landeshochschulgesetz. Nach dem novellierten Gesetz kann der akademische Grad nur entzogen werden, wenn ein Wissenschaftler »gravierend gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit verstoßen hat«. Vorgesehen ist aber, in der Promotionsliste der Fakultät einen Eintrag mit Hinweis auf Bodmans Verbrechen zu machen.
Neu vom Gesetzgeber verhandelt werden
Was die Schriftstellerin Sybille Eberhardt aus Rechberghausen für nicht ausreichend hält. Es entsetzt sie, dass einem KZ-Arzt der Doktortitel nicht entzogen werden könne. »Wenn knapp 80 Jahre nach Kriegsende noch juristische Bestimmungen dem Täterschutz dienen«, erklärt sie, »so müssen diese vom Gesetzgeber neu verhandelt und angepasst werden.«
Die Autorin wird in Zwiefaltendorf berichten, welche Erfahrungen ehemalige jüdische KZ-Häftlinge aus Wilna/Vilnius mit dem Lagerarzt Franz von Bodman in Estland 1943/1944 gemacht haben. Der Mann gehörte einem Seitenast des bekannten, uralten Adelsgeschlechts an. Die von Bodmans sitzen am Bodensee, der nach ihnen benannt ist. Aber Rudolf von Bodman (1870–1926), ein Urgroßonkel des heutigen, hoch angesehenen Patrons Wilderich Graf von Bodman, heiratete in die Adelsfamilie Speth ein und ließ sich in Zwiefaltendorf nieder. Und so wuchs sein Sohn Franz im Schlösschen Zwiefaltendorf auf, zusammen mit seiner älteren Schwester Marie Sophie und seinem jüngeren Bruder Rudolf. Er legte sein Abitur in Ehingen an der Donau ab, studierte Medizin in München und Tübingen, wurde Hitler-Anhänger. Mit 24 Jahren trat er in die NSDAP ein, mit 26 Jahren in die SS. Ein Jahr später, 1935, machte er seinen Doktor in Tübingen – und danach Karriere in der SS.
Arzt für Konzentrationslager
Ein kaltblütiger Typ, ein Fanatiker der NS-Ideologie. Offenbar praktizierte er nur kurze Zeit als Arzt in Mengen (heute Kreis Sigmaringen). Danach hinterließ er blutige Spuren in mehreren Konzentrationslagern. Ab 1941 war er im KZ Majdanek als Lagerarzt tätig, im Juni 1942 wurde er zum Lagerarzt in Auschwitz befördert. Weitere Stationen waren die Lager in Neuengamme, Natzweiler-Struthof und Vaivara. Dort wurde er Arzt für alle Konzentrationslager im besetzten Estland.
Der NS-Forscher Ernst Klee hat Bodman als Erfinder der Tötung durch Injektionen mit Phenol bezeichnet, eine Hinrichtungsmethode, die den Opfern besonders viel Qualen zufügt. Er soll auch zahlreiche kranke Häftlinge persönlich umgebracht haben. In Auschwitz habe er sich »beim Töten von Häftlingen mit mörderischem Eifer und kalter Grausamkeit hervorgetan«, beklagt das Internationale Auschwitz-Komitee (IAK) in Berlin. Seit 1934 war von Bodman mit Maria Anna, geborene Otto, verheiratet, hatte mit ihr drei Kinder. Von ehelicher Treue hielt er wenig. Zeugen berichteten von einer jahrelangen Affäre mit der sadistischen KZ-Aufseherin Luise Danz, die 1947 in Polen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Gegen Ende des Kriegs kam Bodman als Truppenarzt in der SS-Panzerdivision »Wiking« zum Einsatz, die auf österreichischem Boden operierte. US-amerikanische Soldaten nahmen den SS-Mediziner fest und internierten ihn im Kriegsgefangenenlager von St. Johann im Pongau. Von Bodman befürchtete wohl, als KZ-Mörder entlarvt zu werden und nahm sich im Lazarett am 25. Mai 1945 das Leben.
Begraben liegt von Bodman auf dem Soldaten-Ehrenfriedhof in Lend im österreichischen Salzachtal. Dorthin sind die sterblichen Überreste des Freiherrn von einem früheren Grab in St. Johann im Pongau umgebettet worden, ganz offenbar in Unkenntnis seiner Identität.
Doktortitel hat Bestand
Die Hauptlinie der Bodmans hat sich inzwischen eindeutig positioniert. Juniorchef Johannes Freiherr von Bodman plädiert dafür, bleibend an die grauenhaften Taten Franz von Bodmans zu erinnern. »Franz von Bodman war Teil des NS-Regimes und am Holocaust persönlich beteiligt«, sagt der Mann, der die Geschäfte des Guts in Bodman-Ludwigshafen führt. Der NS-Mediziner habe furchtbare Taten während der NS-Diktatur begangen. Von Bodman hält die Erinnerungsarbeit für notwendig, um Geschichtsfälschung zu verhindern und um Sorge zu tragen, »dass ein solch menschenverachtendes Regime, auch nur ansatzweise, nie wieder möglich wird«. (GEA)
VORTRAG
Am Montag, 31. März, findet ein Vortrag über Franz von Bodman statt. Professor Dr. Karl Hönle wirft einen Blick auf die Familie Bodman. Historiker Bastian Wade beschreibt die akademische Laufbahn Bodmans. Sybille Eberhard hat Schicksale von KZ-Insassen erforscht. Der Vortrag im Gemeindehaus in Zwiefaltendorf beginnt um 19.30 Uhr. (eg)