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Traumland in Erpfingen wird 50: So entstand der Park

Wie ein Ehinger Schausteller zum Schlossherrn und Parkbesitzer wurde: Hans Gebauer hat 1974 auf dem Dach der Bärenhöhle in Sonnenbühl-Erpfingen den Freizeitpark gegründet. Seine Tochter Ines Ehe führt das Traumland in zweiter Generation.

Die neue Achterbahn des Sonnenbühler Freizeitsparks wird bis zu 50 Stundenkilometer schnell.
Die neue Achterbahn des Sonnenbühler Freizeitsparks wird bis zu 50 Stundenkilometer schnell. Foto: Jürgen Meyer
Die neue Achterbahn des Sonnenbühler Freizeitsparks wird bis zu 50 Stundenkilometer schnell.
Foto: Jürgen Meyer

SONNENBÜHL. Ende der 1950er-Jahre haben die Brüder Heinz, Hans und Willi Gebauer ihr erstes Fahrgeschäft, einen Kettenflieger, gebaut und damit den Grundstein für den Schaustellerbetrieb gelegt, für den Hans schon in den 1960er-Jahren immer zum Bärenhöhlenfest nach Erpfingen gekommen war. Schiffschaukel, Schießbude und andere Attraktionen sorgten auf der Alb für Amüsement und Kirmestrubel. Die Menschen waren nach dem Zweiten Weltkrieg erlebnishungrig. Der damalige Bürgermeister habe Hans Gebauer gefragt, ob er bleiben wolle, erzählt seine Tochter Ines. Hans blieb. Er pachtete das Gelände oben auf der Höhle. Obwohl es auf der Bärenhöhle keinen Strom, kein Wasser, keine Telefonleitung, sondern nur Wald gab, hat Hans Gebauer begonnen, einen Märchenpark zu bauen. Das war noch in den 1970er-Jahren der letzte Schrei.

1974 eröffnete der Park. Handwerklich begabt, entstand das meiste in Eigenregie. Sogar die Steine für das Märchenschloss - in dem die Familie selbst residierte - fertigte Hans Gebauer in Handarbeit. Vor einigen Jahren habe sie noch die Formen dafür gefunden, berichtet Ines Ehe. Und die ganze Familie war ins Unternehmen eingebunden. Als sie vier Jahre alt war, habe sie ihren ersten Arbeitsauftrag erhalten: Sie wurde rausgeschickt, um zu schauen, ob alle Märchen »laufen«. Ein Planschbecken am Riesenrad versüßte ihr die Freizeit.

Ein Märchenschloss, in dem die Gründerfamilie selbst gewohnt hat: Hans Gebauer hat 1974 das Traumland gegründet und eröffnet.
Ein Märchenschloss, in dem die Gründerfamilie selbst gewohnt hat: Hans Gebauer hat 1974 das Traumland gegründet und eröffnet. Foto: GEA-Archiv
Ein Märchenschloss, in dem die Gründerfamilie selbst gewohnt hat: Hans Gebauer hat 1974 das Traumland gegründet und eröffnet.
Foto: GEA-Archiv

Zehn Jahre später verkaufte sie Eis, Reitkarten, führte die Pferde. Überhaupt gehörte das zu den Attraktionen: »In den 70er-Jahren musste man exotische Tiere haben.« So tummelten sich damals noch unter anderem ein Krokodil, Affen, Schlangen und Flamingos auf der Alb, Bären samt Show gab's, Hirsche, Pferde, Wildschweine und mehr. Auch immer mehr Fahrgeschäfte kamen hinzu, eine Oldtimerbahn, das erste Riesenrad, das Waldhaus und ein neuer Kettenflieger. Die Oldtimerbahn gibt's heute noch, eines der Fahrzeuge, das 47 Jahre in Betrieb war, steht heute vor dem Eingang zum Fahrgeschäft. Die Strecke ist die gleiche geblieben, verändern darf das Traumland daran nichts, aber heute kutschieren Sonnenbühler Feuerwehrautos die Kinder über den Parcours.

Märchen kamen in den 1970er-Jahren gut an.
Märchen kamen in den 1970er-Jahren gut an. Foto: GEA-Archiv
Märchen kamen in den 1970er-Jahren gut an.
Foto: GEA-Archiv

Ihr Vater sei zeitlebens ein »großer Visionär« gewesen. Er wollte noch dreimal so viel Fläche, wie sie das Traumland heute hat, dazu haben, eine Westernstadt bauen unten vor dem Aufstieg zur Höhle, eine Seilbahn sollte beide Attraktionen verbinden. Daraus wurde nichts, die Westernstadt blieb ein Traum des Traumland-Gründers.

Der Standort war damals gut gewählt, die Bärenhöhle zog massenweise Besucher an. Heute sei die Lage - na ja, nicht direkt eine Katastrophe - aber eher schwierig. Die Anbindung ans überörtliche Straßennetz ist semi passabel, öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht, kein Internet. Und unter dem Traumland liegt die Höhle, ein Naturdenkmal, das zum Unesco Global Geopark Schwäbische Alb gehört. Zu tief darf man nicht buddeln. »Bei jedem Loch, das man gräbt, muss das Denkmalamt kommen«, sagt Ines Ehe. Denn vor Urzeiten siedelten durchaus Menschen auf der Alb und nutzten auch die Höhlen. Kann also sein, dass sie irgendwo Spuren wie Knochen, Keramikscherben oder Ähnliches hinterlassen haben, die die Archäologen sichern müssten. Mit Beschwerden von lärmgeplagten Anwohnern zumindest habe sie kein Problem wie bei anderen Freizeitparks. Und mit Hochwasser auch nicht, sagt Ines Ehe schmunzelnd.

Exotische Tiere wie Flamingos bevölkerten in den 1970er-Jahren das Traumland.
Exotische Tiere wie Flamingos bevölkerten in den 1970er-Jahren das Traumland. Foto: GEA-Archiv
Exotische Tiere wie Flamingos bevölkerten in den 1970er-Jahren das Traumland.
Foto: GEA-Archiv

1986 erlitt ihr Vater im Park einen Herzinfarkt, er sei von einer auf die andere Minute gestorben. Die Familie war auf sich gestellt. Es gab keinen Geschäftsführer, ihre Mutter sei eher »Mädchen für alles gewesen«, Ines Ehe war damals sieben, acht Jahre alt. Also wurde ihr Cousin überredet, zurückzukommen und die Leitung des Parks zu übernehmen. Der war im Übrigen als Kind einmal vermisst worden, und man hatte angenommen, dass er dem Krokodil zum Opfer gefallen sei. Das bewahrheitete sich zum Glück nicht. Der Junge war einfach nur im Park unterwegs. Apropos Tiere: Die gibt es seit 2018 nicht mehr im Traumland. »Tiere waren damals üblich«, sagt Ines Ehe. Wegdiskutieren lässt sich das nicht. Aber: »Wir versuchen, das aufzuarbeiten«. So soll eines der neuen Maskottchen im kommenden Jahr Kinder aufklären, wie man mit (Haus-)Tieren umgeht.

Die Sonnenbühler Feuerwehr fährt durch den Freizeitpark Traumland
Die Sonnenbühler Feuerwehr fährt durch den Freizeitpark Traumland Foto: Traumland
Die Sonnenbühler Feuerwehr fährt durch den Freizeitpark Traumland
Foto: Traumland

Es kamen harte Zeiten auf den Park zu. Manchmal habe ihre Mutter weinend in einem der Indianerzelte gesessen, erzählt Ines Ehe. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters rissen die Seile des Riesenrads, und die Hauptattraktion fehlte. Lange Verhandlungen mit den Banken fruchteten schließlich, sie trugen die Investition von einer Million Mark in ein neues Riesenrad mit. Dann kamen die 1990er-Jahre, die »fetten Jahre«, wie Ines Ehe sagt. In der näheren Umgebung gab es keine Konkurrenz, um die 100.000 Besucher zog das Traumland damals auf die Alb. Ab den 2000ern sanken die Zahlen. 1998 entstand das Ravensburger Spieleland, 2002 öffnete das Legoland in Günzburg, und Google-Bewertungen kamen auf, die manch einen Gast vom Besuch im Traumland abhielten.

Als Ines Ehes Mutter erkrankte, studierte die junge Frau noch, und sie musste Verantwortung übernehmen. 2003 stieg sie in die Geschäftsführung ein. Es stellten sich ihr viele Fragen: Wie kann man sich gegen die Konkurrenz behaupten? Was sind die Werte des Unternehmens? Was unternimmt man, um sinkende Besucherzahlen ins Gegenteil zu kehren? »Wir haben uns mit unserer Firmenkultur befasst und den Freizeitpark mit dem Blick durch die Kundenbrille betrachtet«, sagt Ines Ehe. Außerdem wurde investiert, zum Beispiel in die Wildwasserbahn, die Zugpferd wurde. Der Fokus des Traumlands wurde weg vom Märchen- hin auf den Freizeitpark gelegt, die Mitarbeiterzahl vervier-, wenn nicht sogar verfünffacht. Heute arbeiten 218 Menschen im Park, 48 sind festangestellte Kräfte. Die Bemühungen haben sich gelohnt, innerhalb von zehn Jahren, von 2010 bis 2020 konnte Ehe, mittlerweile alleinige Geschäftsführerin, die Besucherzahlen verdoppeln. Jährlich kommen 200.000 Menschen ins Traumland. Und Mitte Mai sei das Traumland der bestbewertete deutsche Freizeitpark geworden.

Ein neues Riesenrad musste her.
Ein neues Riesenrad musste her. Foto: Cordula Fischer
Ein neues Riesenrad musste her.
Foto: Cordula Fischer

»Wir müssen immer besser werden, um gut zu bleiben«, sagt Ines Ehe. Eine ständige Herausforderung. »In diesem Jahr haben wir viel investiert.« Zum Beispiel 2,6 Millionen Euro in die neue Achterbahn, den Wichtelexpress. Es gibt einen neuen Biberhopser, das Riesenrad wurde generalüberholt, was allein eine mittlere sechsstellige Summe kostet. Und es war ein gar nicht gutes Jahr: Im verregneten Frühjahr blieben Gäste fern, die Pfingstferien fielen ins Wasser. »Das bereitet uns schlaflose Nächte.« Denn der Freizeitpark ist ein Saisongeschäft, ist von April bis Oktober geöffnet. »Wir haben sechs Monate Zeit, um für zwölf Monate Umsatz zu generieren.«

Park-Chefin Ines Ehe.
Park-Chefin Ines Ehe. Foto: Cordula Fischer
Park-Chefin Ines Ehe.
Foto: Cordula Fischer

»Wir erfinden uns immer wieder neu«, sagt Ines Ehe. Entstanden sind die neuen Maskottchen Sini Bini und Hanni Banni. Ihre Kinder, die Zwillinge Sina und Hannes, standen Pate für die Namen der 479 Jahre alten Wichtel, die auch den Wichtelexpress zieren. Bei einem Designwettbewerb entwarf eine Künstlerin aus Mexiko die Figuren. Und so wird immer weiter am Erscheinungsbild des Parks, der Neuausrichtung und der Marke gefeilt. Dazu kommt noch die Instandhaltung beziehungsweise der Austausch mancher Fahrgeschäfte.

Die neue Achterbahn von oben: Der Wichtelexpress ist die neue Attraktion im Freizeitpark Traumland.
Die neue Achterbahn von oben: Der Wichtelexpress ist die neue Attraktion im Freizeitpark Traumland. Foto: Cordula Fischer
Die neue Achterbahn von oben: Der Wichtelexpress ist die neue Attraktion im Freizeitpark Traumland.
Foto: Cordula Fischer

Und die Rekrutierung neuer Mitarbeiter im Winter. Etwa 80 müssen neu eingestellt werden. Größtes Ziel sei die Kundenzufriedenheit. Deshalb steckt Ines Ehe viel Herzblut in die Firmenphilosophie. Es gibt Erweiterungspläne und im kommenden Jahr ein neues gastronomisches Angebot an der Bärenhöhle. Motto: »Stillstand ist Rückschritt.« Das hat Ines Ehe wohl von ihrem Vater geerbt: Sie ist Unternehmerin und Visionärin in einem. Alles, um Kinderträume wahr werden zu lassen. (GEA)