SONNENBÜHL. Jede Menge Kilometer ist Florian Müller schon über die Alb gefahren. Nicht nur zum Selbstzweck und reinen Vergnügen - das ist es nämlich manchmal auch gar nicht, wie er festgestellt hat. Seit Jahren hat er Radwege – vornehmlich auch in und um Sonnenbühl – unter die Lupe genommen. Entstanden ist eine Studie mit Problemstellen und Verbesserungsvorschlägen, die er samt eines offenen Briefs an den Landrat, an verschiedene Bürgermeister, Behörden, Verbände und Abgeordnete geschickt hat. Ein Geleitwort hat die Kreisgruppe Reutlingen des Verkehrsclub Deutschland (VCD) geschrieben. »Das Papier soll an die richtigen Stellen kommen«, sagt Müller, damit seine Vorschläge im fortgeschriebenen Radverkehrskonzept des Landkreises eingearbeitet werden können. »Es ist meine Motivation, etwas zu tun, damit es eine Verbesserung für Radfahrer gibt«, sagt Müller.
Das Land will ein »lückenloses Alltagsnetz« zwischen den Ober-, Mittel- und Unterzentren entlang von Bundes- und Landesstraßen herstellen und investiert ordentlich Geld in den Ausbau von Radwegverbindungen. Nicht immer gelingt dieser lückenlose Ausbau, außerdem führt so manche Beschilderung in die Irre, und Radfahrer sind häufig gezwungen, die stark befahrenen Landesstraßen zu queren – ohne dass Autofahrer auf diese Gefahrenstellen hingewiesen werden oder ein Tempolimit an den neuralgischen Punkten eingerichtet worden ist. Andere Landkreise seien da viel weiter, sagt Florian Müller. Viele Jahre war er Tourguide für die ehemalige Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke, suchte für deren jährliche Albtour die passenden Routen aus. Und hat dabei viele Schwachstellen im Radwegenetz festgestellt.

»Im Mittelpunkt meiner Recherchen stand der Bereich von Engstingen über Lichtenstein-Traifelberg bis Sonnenbühl, ganz speziell die neue Trassierung des Schwäbische Alb-Radwegs in diesem Abschnitt sowie der neue, erst teilweise fertiggestellte Radweg entlang der L 230 zwischen B 312 und Sonnenbühl-Genkingen«, schreibt Müller. Von Lückenlosigkeit, Alltagstauglichkeit und ausreichender Beschilderung kann hier nicht die Rede sein - wie auch schon andere Nutzer der Strecke moniert haben. Seine Studie soll unter anderem dazu beitragen, dass das »letzte Stück Radweg zeitnah überplant und fahrradfreundlich angelegt wird«. Es geht um das Stück von der Einfahrt der K 6732 zum Schloss Lichtenstein bis zur Kreuzung über die B 312 (Umfahrung »Tobelkapf«). Dabei nimmt er sowohl den 2024 fertiggestellten und von Staatssekretärin Elke Zimmer eröffneten neuen Radweg als auch den Schwäbische Alb Radweg in den Blick, die beide, so wundert sich Müller, »parallel in wenigen hundert Meter Entfernung verlaufen«.
Probleme attestiert er auch den Albaufstiegen, die, so Müller, ein Thema für sich seien. Sie seien wenig tauglich, um Freizeit- und Alltagsradverkehr auf sicheren Wegen auf die Alb und wieder hinunter und zu den ausgebauten Radwegen zu führen. Die Krux: Entweder gibt es an den Steigen keine Radwege, andere Strecken sind zu steil - »ohne Motor kommt man da nicht rauf«, wenn man nicht bergetappengeübt ist - oder bedeuten zu lange Umwege. Manche Strecken gleichen bei Regen eher einem Flusstal. Wer es doch wagt und auf den Steigen unterwegs ist, begibt sich in Gefahr zwischen Lastwagen und Autos. Die frommen Wünsche der Redner bei der Freigabe der Gönninger Steige nach deren Sanierung - die Verkehrsteilnehmer mögen Rücksichtaufeinander nehmen - bleiben wohl nicht mehr als das. Wer die Steigen täglich nutzt, weiß, wie wenig davon praktiziert wird. Für Senioren und Kinder, Freizeitradler ist das nicht akzeptabel, findet Müller.

Wer's heil auf die Alb geschafft hat aber ortsunkundig ist, hat bei der oft uneindeutigen Beschilderung das Nachsehen. Oder sieht sich bei Querungen der Ortsdurchfahrten oder Landesstraßen neuen Gefahren ausgesetzt. Für alle Schwächen des Radwegenetzes führt Müller Beispiele an und hat seiner Studie Fotos beigefügt. »Die Radwege brauchen eine vernünftige Anbindung«, sagt Müller. Und es bedarf Querungen, bei denen für Autofahrer ein Tempolimit gelten muss, Tempo 30 innerorts, mindestens Tempo 70 außerorts. In Engstingen hat eine AG Radwege ein Konzept für die Verbesserung des Netzes erarbeitet, 2023 wurde es vorgestellt, geschehen ist bislang wenig. In anderen Gemeinden, wie dem touristisch attraktiven Sonnenbühl, gibt es kein Konzept. In Genkingen und Undingen sieht Müller Handlungsbedarf.
Beschilderung und Oberflächenbeschaffenheit mancher Strecken lassen zu wünschen übrig. »Mir geht es um die Leute, die eher radfahrunerfahren oder auch ortsfremd sind, nach einer Karte fahren und dann vor uneindeutigen Hinweisen stehen.« Mal weisen Schilder zu einem Ort in zwei verschiedene Richtungen, mal ist unübersichtlich, wo es langgeht. Oder es gibt Hinweisschilder auf ein Ziel an einer Kreuzung, an der darauffolgenden ist das Ziel aber nicht mehr ausgewiesen. Außerdem müssten die Radwege allesamt einheitlich gestaltet sein. Sollen sie allen Zweiradfahrern dienen - also Alltags-, Freizeitradlern und Rennradfahrern - sollten sie asphaltiert sein.
Vom alltagsrauglichen Radnetz sei man noch weit entfernt. Müller hegt die Hoffnung, dass er mit seiner Studie etwas bewegen kann - im Landratsamt, beim Regierungspräsidium, im Verkehrsministerium. Bleibt am Ende seines Papiers ein sarkastischer Blick auf den Umgang mit den Belangen von Radfahrern: "Der neu erschienene Imagefilm Gemeinsam Momente schaffen des Landkreises Reutlingen ist ein gutes Beispiel: In nicht einmal drei Minuten brausen gleich in zwei Momenten Quads über die Wiesen der Reutlinger Alb - ein Fahrrad habe ich im Imagefilm nicht gesehen." (GEA)