SONNENBÜHL. Bereits im Juli waren die ersten Bewohner ins Samariterstift Sonnenbühl eingezogen. Sie wollten bei der Einweihungsfeier lieber in ihren Hausgemeinschaften bleiben, freuten sich aber am Nachmittag über einen Besuch des Bürgermeisterchors des Landkreises unter Leitung von Nadja Schmiling, der ihnen dort, und nicht nur den Festgästen unten im Begegnungsraum, einige Lieder sang. So soll es sein im Pflegehaus: Es soll ein Miteinander herrschen, ein Ort sein, an dem Gemeinschaft gelebt wird, ein Ort der Wärme, Geborgenheit, an dem Menschen in Würde leben können. Das betonten alle Redner. Die Mitarbeiter und die ehrenamtlich Engagierten arbeiten dafür, dass dies für die Bewohner auch so eintritt. Aber auch die Sonnenbühler sind gefragt, das als »offenes Konzept« geplante Areal anzunehmen und hier Begegnung stattfinden zu lassen, wie Andreas Diebold von Bamberg Architektur PlanG erklärte.
Für Hanspeter Brodbeck - nicht verwandt mit der Gründerfamilie des gleichnamigen Metzinger Bauunternehmens, das die insgesamt drei Gebäude auf dem Grundstück gebaut hat - war die Einweihung in doppeltem Sinn ein besonderer Termin. Seit zwei Wochen ist er Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung. Und es sei folgerichtig, in der heutigen Zeit ein solches Projekt zu beginnen und umzusetzen, aber auch mutig, ein unternehmerisches Risiko. 11 Millionen Euro haben die Baukosten betragen. Aber trotz aller Unwägbarkeiten konnten der Zeitplan und der Kostenrahmen eingehalten werden. Auch Personal zu finden, sei eine Herausforderung. »Das ist hier aber hervorragend gelungen«, sagte Brodbeck. Neben Hausleiter Mladen Gajek gibt es zwei Praxisanleiterinnen, die ausbilden können. Das sei umso wichtiger, da in der Altenhilfe nur 20 Prozent der Fachkräfte aus Deutschland, 80 Prozent aus anderen Ländern kommen. Vor allem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werde künftig noch mehr Personal benötigt. Umso erfreulicher dass, alle Mitarbeitenden aus der Gegend kommen oder nun auch in der Gegend wohnen, wie Angela Krohmer, Regionalleiterin Altenhilfe Reutlingen/Tübingen bei der Samariterstiftung, erklärte. Auch Hausleiter Mladen Gajek ist von der Alb: Er lebt in Engstingen.
Im großen Pflegehaus-Komplex werden 41 Plätze in Einzelzimmern auf zwei Etagen angeboten. Die Menschen leben in Hausgemeinschaften mit eigener Küche und Wohn- und Essbereich. Eine der Gruppen ist ein gerontopsychiatrischer Bereich speziell für Menschen mit demenzieller Erkrankung. Darüber hinaus gibt es eine Tagespflege mit 14 Plätzen. Außerdem der Begegnungsraum im Erdgeschoss, in dem auch die Schulkindbetreuung untergebracht werden wird. Neben dem Pflegehaus sind auf dem Grundstück auch zwei Mehrparteienhäuser der Baugenossenschaft Pfullingen mit barrierefreien Wohnungen entstanden. Passend zu den Worten, die Bürgermeister Uwe Morgenstern an die Festgäste richtete, erzählte Brodbeck die Geschichte einer der neuen Bewohnerinnen, denn hier befinde man sich an einem Ort mit Geschichte: Die Frau habe früher in der Strickwarenfabrik Wagner gearbeitet.

Ein Ort mit Geschichte: Morgenstern ließ die Historie des ehemaligen Wagner-Areals Revue passieren. Paul Wagner war aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt und habe Ende der 1940er-Jahre mit einer Handstrickmaschine begonnen zu arbeiten. In den 1950er-Jahren baute er die ersten Firmengebäude, das Textilgeschäft boomte in den 60ern und 70ern, zu Hochzeiten waren hier 200 Menschen beschäftigt. Eine Schwarzweißfotografie im Multifunktionsbereich zeigt eine Ansicht der Fabrik, vor den Häusern stehen die Bussle mit den damals auffälligen Zebrastreifen, in denen die Mitarbeiter abgeholt wurden. Dann begann der Niedergang der Branche auf der Alb. 1985 meldete Wagner Insolvenz an.
Die Gebäude wurden danach unterschiedlich genutzt - von Physiotherapie bis Party-Fabrikle. 2012 wurden erste Gespräche mit den Eigentümern geführt, die Gemeinde konnte das Grundstück erwerben und durch die Aufnahme ins Landessanierungsprogramm die Idee für ein Pflegeheim verfolgen. 2020 begann der Abbruch des Wagner-Areals, 2021 wurde es an Samariterstiftung und Baugenossenschaft verkauft. Im Juni 2022 war Spatenstich fürs Pflegehaus, ein Jahr später Richtfest, nun, im September 2024, die Einweihung. Schon vor 20 Jahren hatte der mittlerweile aus dem Amt ausgeschiedene Ortsvorsteher Heinz Hammermeister gesagt: »Wir müssen uns Gedanken machen über ein Alten- und Pflegeheim in der Gemeinde.« Morgenstern dankte allen am Projekt Beteiligten: Ohne sie alle wäre die Vision eine Vision geblieben.
»Es ist ein tolles Haus geworden«, sagt Angela Krohmer von der Samariterstiftung. Die drei Gebäude zwischen Bolberg-, Wiesen- und Grießstraße fügen sich in die Umgebung ein, die flachgeneigten Satteldächer seien an die Form derer auf den albtypischen Schuppenanlagen angelehnt, auch der Holzcharakter der Wohnhäuser mit insgesamt 18 Einheiten spiegele das wider, farblich habe man auf warme Grautöne gesetzt, erklärte Andreas Diebold das architektonische Konzept. Wie geplant, so umgesetzt: »Das Ergebnis kann sich sehen lassen.« Im Außenbereich wurden Plätze geschaffen, fußläufige Querverbindungen, Spielmöglichkeiten und Sitzgelegenheiten. Denn das Quartier der Generationen soll kein Fremdkörper im Ort bleiben, sondern »ein Ort werden, an dem Gemeinschaft durch alle Generationen hinweg gelebt wird«, sagt Martin Grado, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Pfullingen. (GEA)