MÜNSINGEN. Die Robe von Richter Joachim Stahl hat ausgedient. Der Direktor des Amtsgerichts Münsingen braucht sie nicht mehr, er geht nun in den Ruhestand. Rund 14 Jahre lang war der heute 60-Jährige Amtsvorstand im Justizgebäude im Schlosshof 3 und somit Chef von 15 Mitarbeitern.
In den 31 Jahren seines Berufslebens fällte der Sonnenbühler Urteile in Rottweil, Albstadt und Sigmaringen, bevor er nach Münsingen kam. Während dieser Zeit hatte er nur eine einzige Robe, die von seiner Schwiegermutter geflickt wurde, wenn bei der schwarzen Berufsbekleidung die Ärmel durchgescheuert waren, schmunzelt Stahl. Weiße Hemden und Krawatten hatte er während der drei Jahrzehnte im Gericht mehrere verschlissen.
Seine allerletzte Verhandlung im April endete unspektakulär. Es ging um eine Ordnungswidrigkeit, genauer gesagt um das Telefonieren mit dem Handy am Steuer. Der Beschuldigte hatte gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Letztlich musste Stahl kein Urteil fällen, da der Einspruch während des Ortstermins zurückgezogen wurde.
Begeisterter Heimwerker
Während seiner Zeit in Münsingen war der Direktor des Amtsgerichts für Zivilsachen für alle Klagen bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro zuständig. Als Strafrichter entschied er bei Vergehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu erwarten war. Außerdem leitete der 60-Jährige Ordnungswidrigkeitenverfahren und ordnete freiheitsentziehende Unterbringungen an.
Letztere liegen vor, wenn der Betroffene gegen seinen Willen auf einer geschlossenen Station, also beispielsweise in einem räumlich abgegrenzten Bereich eines Krankenhauses oder Heimes, für eine gewisse Dauer festgehalten wird. Dann fuhr Stahl unter anderem nach Zwiefalten, Trochtelfingen, Engstingen, Münsingen, Buttenhausen oder Grafeneck. Ab und zu wurde Stahl auch in Westerheim und Schelklingen im Alb-Donau-Kreis in einer solchen Angelegenheit tätig. Eigentlich hätte der Richter bis zu seinem 65. Lebensjahr arbeiten müssen. Seine Parkinsonerkrankung, mit der er offen umgeht, machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung. Die meisten persönlichen Sachen aus seinem Büro sind bereits verstaut. Bis zu seinem letzten Arbeitstag muss Stahl für die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts noch Beschlüsse über die Fortdauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt schreiben.
»Ich freue mich auf den Ruhestand«, sagt Stahl, der dann als »begeisterter Heimwerker« sein Haus in Schuss bringen kann. Dafür habe ihm in den vergangenen Jahren immer die Zeit gefehlt. Auch könne er sich in Zukunft mehr um die beiden Enkel, den neunjährigen Matti und die siebenjährige Nala kümmern, die im selben Haus leben. Als Ruheständler könne er sich dann mehr seinen Hobbys, dem Bierdeckel-Sammeln und dem Holzschlag im Wald, widmen. (GEA)
GERICHT FÜR DIE ALB
Der Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Tübingen umfasst die Landkreise Calw, Reutlingen und Tübingen mit sieben Amtsgerichten. Eines davon befindet sich in Münsingen. Dieser Gerichtsbezirk umfasst außer Münsingen noch Engstingen, Gomadingen, Hayingen, Hohenstein, Mehrstetten, Pfronstetten, Trochtelfingen und Zwiefalten, außerdem das Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen. (lejo)