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100 Jahre Gesang in Erpfingen zur Ehre Gottes

1925 wurde der Kirchenchor Erpfingen gegründet. Seit Anfang des Jahres probt er für das Jubiläumskonzert am Sonntag, 13. Juli.

Für sein Jubiläumskonzert hat der Kirchenchor Erpfingen Projektsänger gesucht. Seit 100 Jahren besteht der Chor nun schon.
Für sein Jubiläumskonzert hat der Kirchenchor Erpfingen Projektsänger gesucht. Seit 100 Jahren besteht der Chor nun schon. Foto: privat
Für sein Jubiläumskonzert hat der Kirchenchor Erpfingen Projektsänger gesucht. Seit 100 Jahren besteht der Chor nun schon.
Foto: privat

SONNENBÜHL. Erpfingen ist ziemlich musikalisch. Im kleinen Sonnenbühler Teilort gibt es nicht nur seit 161 Jahren den Männergesangverein mit seinen noch 40 wohlklingenden Stimmen, der damit einer der größten Männerchöre in der Region ist. Dass Männergesangvereine Auslaufmodelle sind, kann man also in Erpfingen als widerlegt annehmen. Genauso wenig ist es geboten, einen Abgesang auf Kirchenchöre anzustimmen - obwohl sich gerade einer in einer Nachbargemeinde in Auflösung befindet. Der Erpfinger Kirchenchor kann ein Lied davon singen, dass - auch wenn es mal schwierige Zeiten gab und gibt - der richtige Ton in Kirche und Gemeinde gut gepflegt auch 100 Jahre überdauern kann. Keine Floskel, sondern Fakt: Im Jahr 1925 wurde der Kirchenchor Erpfingen gegründet. »Die Singbereitschaft in Erpfingen ist groß«, sagt Rose Kögel.

Karl Höneß war der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen.
Karl Höneß war der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen. Foto: privat
Karl Höneß war der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen.
Foto: privat

Der 1919 gegründete Jünglings- und der Jungfrauenverein waren damals in Tübingen beim Kirchengesangsfest. Im Herbst wurde in Erpfingen dann ein Kirchenchor gegründet, dem die älteren Mitglieder beitraten. So ist es reihum in den Dörfern geschehen: Aus Jünglings- und Jungfrauenvereinen heraus entstanden Posaunenchöre oder Kirchenchöre. Auf Betreiben von Pfarrer Böckheler entstand die singende Gemeinschaft. Karl Höneß, der »Schlosser Karl«, wie er in Erpfingen genannt wird, war Organist in der Gemeinde, er leitete auch den Posaunenchor, der 1920 zum ersten Mal im Weihnachtsgottesdienst auftrat, und übernahm fünf Jahre später auch das Dirigat des neuen Kirchenchors. Und das mit Inbrunst und langem Atem: Er gab den Taktstock erst nach fast 50 Jahren seiner Chorleitertätigkeit weiter. Rose Kögel ist eine der noch aktiven Sängerinnen, die unter Karl Höneß in den Kirchenchor eintrat - sie singt seit 55 Jahren - und sich an ihn erinnert. Er hat den Chor im ersten halben Jahrhundert geprägt, und das, obwohl er Autodidakt war, nie ein kirchenmusikalisches Studium genossen hat. Als Dank dafür, dass Rose Kögel vor 55 Jahren den Chor verstärkte, brachte er ihr eine geräucherte Speckseite nach Hause. Und sie ist dem Kirchenchor bis heute treu. »Mit Speck fängt man Sänger«, witzelt Rose Kaschowitz, die in diesem November auf 50 Jahre Kirchenchormitgliedschaft zurückblicken kann.

Der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen Karl Höneß, genannt »Schlosser Karl«.
Der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen Karl Höneß, genannt »Schlosser Karl«. Foto: privat
Der erste Leiter des Kirchenchors Erpfingen Karl Höneß, genannt »Schlosser Karl«.
Foto: privat

Das Singen in Gottesdiensten und bei Beerdigungen waren die Dienste, die der Kirchenchor von Anfang an übernahm. Er sang Choräle und zu manchen Zeiten sechsstimmige Psalmen. In der Zeit nach 1930 ließen über 40 Erpfinger ihre Stimmen erklingen, während des Zweiten Weltkrieges und danach waren es viel weniger. Aber nie wurde aufgegeben, immer fanden sich Frauen und Männer, die die Gruppe verstärkten. Eine Gruppe, die mittlerweile mit der achten Chorleiterin zusammenarbeitet. Nach Karl Höneß kamen Anne-Dore Haug (1973 bis 1986), die auch einen Kinderchor ins Leben rief, Karl-Eberhard Wagner (1986 bis 2004), Beate Seiler (2004 bis 2005), Birgit Herrmann (2006 bis 2011), Anne Erbe (2011 bis 2016) und Karin Unold (2016 bis 2024). Im Oktober hat Ortrud Mulkerrin den Taktstock übernommen. Und wenn die jeweiligen Chorleiter mal verhindert waren, waren immer die Organisten bereit einzuspringen, die Proben zu übernehmen. So wie Ursula Hollenberg, die 2023 in der Naboriuskirche in Erpfingen verabschiedet wurde, in der sie 50 Jahre die meisten der sonntäglichen Gottesdienste an der Orgel begleitete. Auch die Pfarrer und deren Frauen sangen, so war es Tradition, im Kirchenchor mit, der von Anfang an ein gemischtes Ensemble war.

Der Chor mit Chorleiterin Anne-Dore Haug.
Der Chor mit Chorleiterin Anne-Dore Haug. Foto: privat
Der Chor mit Chorleiterin Anne-Dore Haug.
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So, wie sich die Kirche mit der Zeit verändert hat, hat sich auch der Kirchenchor verändert, jeder Chorleiter hat andere Akzente gesetzt, andere Literatur einstudiert. Zu den anfangs ausnahmslos klassisch kirchlichen Liedern kam immer mehr weltliche Musik ins Repertoire. Dem Zeitgeist entsprechend. Und mittlerweile singen nicht mehr nur evangelische Menschen im Erpfinger Kirchenchor, sondern er hat sich der Ökumene geöffnet. »Das hätte es früher nicht gegeben«, sagt Anja Steffen. Auch nicht, dass eine lateinische Messe einstudiert wird. »Wir hätten nie gedacht, dass wir mal Vivaldi singen.« Und das werden die 28 Sänger - fünf Männer und 23 Frauen - bei ihrem festlichen Jubiläumskonzert am 13. Juli tun (siehe Box). Apropos fünf Männer: Zwei Frauen verstärken den Tenor. Denn mit so wenig Männern wird es dann doch schwierig, vierstimmige Lieder zu singen.

Kooperationen sind keine Seltenheit

Fürs Konzert hat sich der Kirchenchor Verstärkung vom Männergesangverein geholt. Nicht das erste Mal, dass solche Kooperationen entstehen oder die Erpfinger andere Ensembles unterstützen. 2015 etwa hatten sie in großer Gemeinschaftsleistung eine Benefizveranstaltung zur Sanierung der Naboriuskirche initiiert. Dabei waren der Kirchenchor unter Leitung von Anna Erbe, der Männergesangverein mit seiner Leiterin Nadja Schmiling, der Posaunenchor mit Dirigent Eberhard Kappus, das Akkordeonorchester mit Ingrid Grünenwald sowie einem Pianist und Schlagzeuger.

Der Kirchenchor Erpfingen bei einem seiner Auftritte in der Kirche.
Der Kirchenchor Erpfingen bei einem seiner Auftritte in der Kirche. Foto: privat
Der Kirchenchor Erpfingen bei einem seiner Auftritte in der Kirche.
Foto: privat

Jedes Jahr lädt der Kirchenchor zu Serenade und Matinee ein, jedes Jahr stehen Konzerte auf dem Programm. Mal mit Unterstützung von Projektsängern, mal allein. Kirchliche Feste wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten gehören ebenso in den Kalender wie Auftritte bei Festen der bürgerlichen Gemeinde. Nur bei Beerdigungen singen die Erpfinger seit der Pandemie nicht mehr. Schöne Treffen sind das Christbaumschmücken, danach bewundert man den Baum noch eine Weile in der Kirche, unterhält sich, trinkt etwas. Alle erinnern sich noch an Singwochenenden und Ausflüge zurück. Und dann sind da noch die Wahlcafés, Kuchenverkauf, das Pizzabacken im Backhaus - so wird das Chorkässle aufgebessert. »Wir mögen uns«, sagen Kögel und Steffen, »wir sind eine Gemeinschaft, die auch vieles andere miteinander unternimmt.« Und das gleich welchen Alters. Die älteste Sängerin ist 88 Jahre, die Jüngsten sind Anfang 20. »Jeder ist bei uns willkommen, der singen will«, sagt Rose Kaschowitz.

Das Konzert

Zum 100-jährigen Bestehen lädt der Kirchenchor Erpfingen unter Leitung von Ortrud Mulkerrin am Sonntag, 13. Juli, um 17 Uhr zum festlichen Jubiläumskonzert in die Naboriuskirche in Erpfingen ein. Höhepunkte des Konzerts sind das »Gloria in D« von Antonio Vivaldi, gemeinsam aufgeführt mit dem Männergesangverein Erpfingen, der von Julia Winkler geleitet wird. Auch ein Instrumentalensemble und Vokalsolisten gestalten das Konzert mit. Außerdem werden Werke von John Rutter zu hören sein. Im Anschluss ans Konzert wird zum Ständerling eingeladen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten. (cofi)

Auch am 13. Juli wird ein großer voller Chor erklingen. »So etwas haben wir lange nicht gemacht. Es ist das größte Konzert seit langem«, sagt Rose Kögel. »Wir wollten gefordert werden, und das macht unsere neue Chorleiterin«, die gleich nach Übernahme des Dirigats, ohne die Mitglieder, ohne die Stimmen zu kennen, mit der Arbeit loslegte. Seit Anfang des Jahres laufen die Proben. Und noch wird am Gesang gefeilt - bis kurz vorher, erst dann wird es auch eine Orchesterprobe geben. Natürlich sind die Sänger aufgeregt, aber sie haben zu viel zu tun, um sich vom Lampenfieber unterkriegen zu lassen, denn nach dem Konzert sind die Akteure und Besucher noch zum Ständerling eingeladen. »Dann, um 18, 19 Uhr werden uns viele Steine vom Herzen fallen«, sagt Rose Kögel. (GEA)