SONNENBÜHL-GENKINGEN. Einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die den Kampf um Genkingen beobachtet und erlitten haben, ist der Genkinger Malermeister Erich Herrmann (Jahrgang 1930). Der erstaunlich rüstige Senior erinnert sich lebhaft an die dramatischen Ereignisse während des Fliegerangriffs, dem Artilleriebeschuss und dem Häuserkampf in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Im Gewölbekeller des elterlichen Hauses in der Pfullinger Straße suchte seine Familie damals zusammen mit Verwandten Schutz. Einer der schlimmsten Momente war, als eine Granate in die Stallmauer krachte und Steine an die gegenüberliegende Wand schleuderte. Hermann vernahm einen »furchtbaren Knall«. »Wie durch ein Wunder wurde von unseren Kühen keine verletzt, weil sie auf dem Boden lagen und die Steine über sie hinwegflogen. Im Keller waren alle zu Tode erschrocken«, berichtet er.
»Im Keller waren alle zu Tode erschrocken«
Wenig später klopfte es gegen die verschlossene Haustür. Herrmann: »Mein Vater ging nach oben, um nachzusehen.« Robert Herrmann traf auf einen deutschen Soldaten, der ihm befahl, die Türe offen stehen zu lassen. Der Hauseingang sollte ihm Deckung bieten. Vater Herrmann war damit nicht einverstanden und sagte dem Soldaten, mit diesem Vorhaben gefährde er die Frauen und Kinder im Keller. Vergeblich bat er ihn, sich zu entfernen. Der Soldat vertrieb ihn mit vorgehaltenem Gewehr. Ein Schusswechsel folgte, der Soldat fiel mit einem Aufschrei in den Hausgang, rief um Hilfe. Der Soldat erlag seinen Verletzungen, ebenso ein zweiter, der Deckung am Haus Herrmann gesucht hatte. Am anderen Morgen fand man den Leichnam des ersten Soldaten auf der Miste liegen. Dort lag er zwei Tage lang. Der junge Erich musste den Mist vom Stall auf die Miste bringen und jedes Mal ging er am Kopf des gefallenen Soldaten vorbei: »Es war wie ein Alptraum.«
Nach der Einnahme Genkingens wurde Erich Herrmann von seiner Mutter zum Rathaus geschickt, wo die Franzosen »alle greifbaren« Genkinger Männer gefangen hielten. Erich: »Mein Vater war auch dabei.« Im Korb brachte er für die Männer Essen mit. Das ganze Rathaus, so beobachtete Erich, war voll, »man hat schier die Tür nicht aufgekriegt«. Die Männer lebten in Todesangst, sie befürchteten, erschossen zu werden als Vergeltung für die drei französischen Verwundeten, die in der brennenden Scheuer umgekommen waren. Einige der deutschen Männer, die sich an der Rathauswand aufstellen mussten, wurden durch plötzlichen Beschuss getroffen. Herrmann glaubt, dass es die Deutschen waren, die ins Dorf geschossen hatten. Luftschutzwart Albert Kromer, dem Robert Herrmann nach dem Fliegerangriff beim Löschen geholfen hatte, erlitt einen Kopfschuss, dem er später erlag. »Jaisles Wagner«, ein älterer Mann, ist von den Franzosen nach Erich Herrmanns Bericht erst blutig geschlagen, nach einem kurzen Verhör von einem Marokkaner auf eine Wiese geführt und mit der Maschinenpistole erschossen worden. (GEA)