ENGSTINGEN. Die größte Pflegeeinrichtung für Ältere und Menschen mit Einschränkungen sind die Familien, weiß Klaus Stuhlmüller, Geschäftsführer der Sozialstation St. Martin in Engstingen. Ohne die Familien oder Helfer aus deren Umfeld geht es nicht, »so viele Pflegekräfte gibt es gar nicht«. Doch auch sie brauchen Unterstützung, und die bietet unter anderem die Sozialstation St. Martin mit einer Vielzahl von Angeboten.
Wenn die Mutter, der Vater, vielleicht ein Freund oder Nachbar allein nicht mehr zurechtkommen, beginnt für die Angehörigen eine schwierige Zeit. Der Wille ist da, aber es droht schnell eine Überforderung. Welche Unterstützung St. Martin bietet, erfahren Interessierte bei einer Podiumsdiskussion am Freitag, 6. September, sowie am Tag der offenen Tür am Sonntag, 8. September.
Podiumsdiskussion am Freitag
Der Notfall tritt ein, ein Mensch kommt allein nicht mehr zurecht, ob aus körperlichen oder geistigen Gründen. Es gibt fast immer eine Vorgeschichte, aber der Prozess verläuft schleichend, die Alarmglocken läuten selten so laut, wie sie sollten. Dabei ist es wichtig, sich frühzeitig über Themen wie Leben mit Demenz, mit Erblindung oder im Rollstuhl zu informieren. Dazu hat man im Alltag wenig Zeit und noch weniger Lust. Das Podium und der Tag der offenen Tür bieten am Ende der Ferienzeit deshalb eine gute Gelegenheit, sich als Nachkömmling schlauzumachen, bevor der Ernstfall eintritt. Von einer »wird schon irgendwie gehen«-Einstellung rät Klaus Stuhlmüller ab. Letztlich gehe es darum, allen Menschen möglichst lang ein selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen.
Für die Diskussion am Freitag konnte die Sozialstation einige beschlagene Gäste gewinnen. Auf dem Podium im Antoniushaus werden Andreas Bauer, Sozialdezernent im Landkreis Reutlingen, die kommunale Gesundheitsfachkraft Barbara Boßler, der Hohensteiner Bürgermeister Simon Baier, die Engstinger Seniorenbeauftragte Silke Kunz-Wernicke, der Hausarzt Dr. Wolfgang Gottwick und Mitarbeiter der Sozialstation das Thema Pflege aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.
Es stellen sich Anbieter von Altenhilfe vor, die Vertreter von Landkreis und Kommunen können etwas über bestehende und geplante Angebote sagen. »Was brauchen wir in der Region?«, lautet die spannende und mit Blick auf den demografischen Wandel dringende Frage, die an diesem Abend zumindest angesprochen werden soll.
Information zur Pflege kompakt
Der Tag der offenen Tür beginnt am Sonntag, 8. September, mit einem Zeltgottesdienst um 9 Uhr. Pfarrer Wolfgang Jäger wird von Mitarbeitern der Sozialstation unterstützt. Dann öffnet St. Martin seine Pforten mit Mittagessen, Kaffee und Kuchen sowie einer Tombola mit mehr als 600 Preisen, gestiftet von Firmen und Bürgern aus der Region. Für den Nachwuchs bietet der Verein familienfreundliches Engstingen (FafrE) Betreuung und Unterhaltung mit Spielfahrzeugen an.
Von 13 bis 16 Uhr gibt es an den Infoständen zahlreicher Gruppen Aufklärung für die interessierten Besucher. Petra Pasquazzo wird über die Angebote der Pflegestützpunkte in Engstingen, Sonnenbühl und Pfronstetten berichten. Barbara Boßler informiert als Gesundheitsfachkraft über die Angebote der Kommunen, Dr. Barbara Dürr über das Hospiz Eningen, vertreten ist auch das Alb-Hospiz Münsingen. Eva Perske stellt das Essen-auf-Rädern-Angebot der Sozialstation vor.
Einfühlungsvermögen ist für pflegende Angehörige wichtig, der Demenzsimulator »Adele« macht deutlich, wie sich Demenz anfühlt. Entlang der Situationen eines gewöhnlichen Tages – vom Anziehen bis zum Abendessen – können gesunde Personen erleben, wie sich die Symptome einer Demenz anfühlen.
Angebot auf Bedürfnis anpassen
Weitere Aufklärung über Demenz kommt vom Büchertisch von Gerlinde Leippert von der Engstinger Bücherei oder von Annette Schuberth von der Fachstelle Demenz des Deutschen Roten Kreuzes Reutlingen. Das DRK informiert auch über den Hausnotruf, den schnellen Kontakt zur Außenwelt im Notfall. Es gibt Aufklärung über Wohnformen, über Kosten, die auf die Familien zukommen, und über die vielfältigen Möglichkeiten, finanziell unterstützt zu werden. Präsent sind auch die AOK Reutlingen, Optik Gaus, die Albapotheke Engstingen und natürlich die Sozialstation selbst. Essen auf Rädern, Betreuungsgruppen und Einzelbetreuung – das Leistungsspektrum von St. Martin ist groß und kann auf die speziellen Bedürfnisse der pflege- oder einfach auch nur unterstützungsbedürftigen Menschen angepasst werden.
Vielfältiges Angebot
Das Rahmenprogramm am Sonntag ist umfangreich. Um 13 und 15 Uhr spielt das Theater am Torbogen (TaT) aus Rottenburg das Stück »Goldstücke«: Eine klassische Ballade, Humoriges à la Heinz Erhardt, eine Schlager singende Ratte, Lieder nach Gedichten von Hermann Hesse und andere sehenswerte Gold- und Glanzstücke versprechen die Kunstschaffenden. Alles mit Gitarre, Saxofon und Flöte eingängig, verträumt oder mitreißend musiziert. Die Line-Dancer, eine Country- und Western-Tanzgruppe, unter der Leitung der Seniorenbeauftragten Silke Kunz-Wernicke werden immer wieder zu sehen sein.
Auch die Klienten von St. Martin sind am Start: Ab 14 Uhr gehen sie auf den Catwalk im Schlosshof mit einer Modenschau, gestylt von Eva Perske, ausgestattet vom Knitpoint Steinhilben. Die Models sind zwischen 1,5 und 88 Jahre alt und zeigen, dass man auch mit dem Accessoire Rollator noch adrett aussehen kann.
Der längste Himbeerkuchen
Eine Weltsensation wird der längste Himbeerkuchen Engstingens. Acht Bäcker aus der Region – die Bäckereien Marquardt, Hanner, Haug, Schneider, Engler, Böck, Glocker und Becka Beck – , steuern ihr Kuchenstück bei, der fertige Kuchen wird versteigert – in Stücken, nicht am Stück.
Die Sozialstation wächst und sucht ständig weitere Pflegekräfte. Beim Speeddating für Ausbildungsplatzsuchende erklären Auszubildende und Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ), was St. Martin und Engstingen attraktiv macht. Arbeitsmangel gibt es nicht: »Wir konnten gerade vier neue Pflegekräfte gewinnen«, sagt Geschäftsführer Stuhlmüller, »alle sind schon voll ausgelastet.«
Und bevor man sich auf den Nachhauseweg macht, hat man die Gelegenheit, ein ganz besonderes Kochbuch zu erwerben. Die Mitglieder der Betreuungsgruppen haben ihre Lieblingsrezepte in einem »Erinnerungskochbuch« festgehalten. (GEA)