MÜNSINGEN. 1.000 Katzen hätten bei der großen Katzenkastrationsaktion auf der Hopfenburg versorgt werden können (der GEA berichtete). Svenja Große-Kleffmann erzählt, warum viel weniger Tiere gefangen werden konnten als geplant und wie es nun weitergeht.
Knapp über 70 Katzen haben die ehrenamtlichen Helfer des Vereins Mensch und Tier Region Schwäbische Alb in ihrer Aktionswoche Anfang April rund um Münsingen eingefangen. Das sind weit weniger als erwartet. Svenja Große-Kleffmann, die Vorsitzende des Vereins, ist aber nicht enttäuscht. »Jede Katze ist das wert. Egal ob es eine ist oder Tausend.« Elf der eingefangenen freilebenden Katzen sind trächtig und gebären ihre Jungen in den nächsten Wochen. »Die meisten bekommen vier bis sechs Junge.« Somit hat der Verein nicht nur 72 Katzen, sondern hochgerechnet mindestens 44 weitere Katzenkinder in spe gesichert, die in kurzer Zeit selbst wieder Junge bekommen hätten.
Aufnahme-Kapazitäten hätte es für 1.000 Katzen gegeben. »Das war viel Planung und Vorarbeit.« Ein Grund, warum weit weniger Katzen gesichert werden konnten, waren nach Angaben des Vereins Anwohner, die den Tierschützern das Einfangen verweigerten oder erschwerten. Sie seien größtenteils nicht im Vorfeld über die Aktion informiert worden, klagten sie. »Deshalb haben wir oft Stunden bis in die Nacht hinein erst einmal mit Aufklärungsarbeit verbracht«, sagt Svenja Große-Kleffmann.
Ärger mit Anwohnern
Während einige Landwirte mithalfen, die Helfer mit Getränken versorgten und ihre Katzen sogar selbst zur Hopfenburg zum Kastrieren brachten, waren die Helfer auch mit heftigem Widerstand konfrontiert. »Uns wurde mit Schlägen gedroht, und dass man uns umbringen möchte, obwohl der Betroffene das Aufstellen der Falle zuvor erlaubt hatte.«
An einem Ort war ein fünfköpfiges Fang-Team im Einsatz, konnte aber keine Katzen fangen, weil sich die Bewohner um die Fallen herum aufstellten. »Wir haben dann ganz ruhig mit ihnen geredet, ihnen erklärt, wie schnell sich ihre Katzen vermehren und unter welchen Krankheiten sie leiden.« Manchmal hat sich die Geduld ausgezahlt: Ein Anwohner ließ daraufhin eine Falle in seinem Garten aufstellen. Manchmal mussten gefangene Katzen aber auch direkt wieder freigelassen werden.
Nach zehn Tagen Katzen-Sichern sind die Helfer erschöpft. Körperlich, aber auch seelisch. Für sie ist schwer zu verstehen, dass den Tieren eine medizinische Versorgung verwehrt bleiben soll, die sie dringend benötigen, und die die Grundstücksbesitzer, auf deren Grundstücken die Katzen leben, nicht einmal Geld kostet. »Die OP-Kosten für die Kastration werden vom Regierungspräsidium bezuschusst«, erklärt Ann-Kathrin Goller, Kassenwartin des Vereins. »Alle weiteren Kosten, die sich bei komplizierteren Operationen auf die Tausende belaufen, trägt der Verein selbst.«
Und die waren mehrfach bitter nötig. An der Zentrale auf der Hopfenburg wurden die Tiere erstversorgt, dann von Fahrern zu den Tierärzten in der Region gebracht, die die Tiere kastrierten. Im besten Fall ging es danach zur Überwachung zurück auf die Hopfenburg und nach gut drei Tagen zurück an die Einfangstelle. Von den 61 kastrierten Katzen wurden 53 bereits wieder an ihren Einfangort zurückgebracht. Acht Tiere sind jedoch noch immer auf der MuT-Intensivstation in Unterhausen. Ihr Zustand war besonders schockierend. »Oft sind neben dem Katzenschnupfen die Zähne das Problem«, so Svenja Große-Kleffmann. »Bei einigen Katzen mussten wir vereiterte Zähne entfernen.« Ein Kater muss mehrere Jahre lang mit einem gebrochenen Bein gelebt haben und bei einem Tier hing das Auge heraus.
Parasiten und Zahnprobleme
»Schlimm war auch der Befall von Parasiten. Wir hatten ein Kätzchen, wenn man das umgedreht hat, sind die Haarlinge nur so gewuselt.« Auch Ohrmilben waren ein großes Problem. Sie hatten bei einem Kater schon das Trommelfell zerfressen. Ein Sorgenkind, dem alle Zähne entfernt werden mussten, bleibt erst einmal auf einer Pflegestelle in Neckartenzlingen. »Ohne Zähne kann er keine Mäuse mehr fangen.« Er bekam den Namen Zahni und wartet jetzt auf ein Zuhause.
»Bei einigen Katzen hat man direkt gemerkt, wie dankbar sie die Hilfe annehmen«, erzählt Jasmin Chornet Martinez, Vorstandsmitglied im Verein. »Sie geben die Dankbarkeit mit Zuneigung zurück. Es ist so schön, dass wir einigen so die Möglichkeit auf ein besseres Leben geben konnten.« Zurück bleibt auch eine große Dankbarkeit gegenüber den vielen Helfern. »An einem Tag hatten wir 180 Leute im Einsatz«, so Ann-Kathrin Goller. »Ich fand den Einsatz unserer Mitglieder und der freiwilligen Helfer zu jeder Tages- und Nachtzeit sehr bewegend. Sie haben Kennel geputzt, Wäsche gewaschen und auf der Lauer gelegen.«
Dankbar sei man auch allen Sponsoren und der Stadt Münsingen, die die Aktion möglich gemacht haben. »Einige Bäcker und auch die Sauer-Tankstellen-Betriebe aus der Region haben uns mit Brezeln, Quiche, Getränken und vielem mehr versorgt«, freut sich Svenja Große-Kleffmann.
Jetzt heißt es erst einmal, die Patienten weiter päppeln, auf Geburten der tragenden Mütter ohne Komplikationen in den Pflegestellen hoffen und Kräfte sammeln. Die nächste große Aktion ist für den Herbst geplant. Aber auch in der Zwischenzeit können sich Anwohner jederzeit melden, wenn sie verwilderte Katzen auf ihren Grundstücken bemerken. (GEA)