MÜNSINGEN-AUINGEN. Die Familie Weibler mit Sonja und Thomas sowie Sohn Lukas, der bald in den Betrieb einsteigen wird, konnte zum Tag der offenen Tür viele Besucher begrüßen. Im Rahmen einer Bio-Musterregion-Veranstaltung durften Besucher einen Blick hinter die Kulissen der ökologischen Landwirtschaft samt Produktion von Bio-Lebensmitteln werfen. »Wir wollen, dass sich in unserem Betrieb Kreisläufe schließen«, sagte Thomas Weibler. Er hält 25 Ochsen, die ganzjährig Zugang zu Weide und Stall haben. Auf Kraftfuttereinsatz wird verzichtet. Das kommt der Qualität des Fleisches zugute, das er ebenso wie Wurst, Mehlprodukte aus eigenem Dinkel und Weizen sowie Linsen, Senf- und Leinöl aus Selbstanbau im Hofladen vermarktet.
Darüber hinaus werden 55 Hektar Grünland und 75 Hektar Ackerland bewirtschaftet. »Artenreiches Grün- und Ackerland«, wie Weibler betonte. Damit das so bleibt, hat er Flächen der Forschung zur Verfügung gestellt. Schon seit vielen Jahren ist die Universität Ulm mit einem Exploratorium vor Ort. Grünlandbeauftragter Ralf Lauterbach mit Sitz in der Biosphären-Geschäftsstelle betreut diese Flächen rund um Münsingen. Bei einer Führung erklärte er die Langzeitforschung, die untersucht, wie sich unterschiedliche Formen und Intensität der Landnutzung auf Biodiversität und Ökosystemprozesse auswirken, wie verschiedene Komponenten der Biodiversität wechselwirken und wie sie verschiedene Ökosystemprozesse und Ökosystemleistungen beeinflusst.
Genutzt werden vielfältige Methoden wie Bodenproben, Vegetationsaufnahmen und Messungen an Wetterstationen. »Artenrückgang ist überall da«, teilte er mit. Auf der Wiese des Biohofs Weibler konnten auf einer Fläche von 50 auf 50 Metern rund 40 Arten festgestellt werden. Im Vergleich: »Auf einer intensiv bewirtschafteten Wiese kommen rund 20 Arten vor.« Auch auf einem Dinkelacker wird im Rahmen eines Pilotprojektes das Insekten- und Pflanzenvorkommen genau untersucht.
Insgesamt wurden im Exploratorium Schwäbische Alb aus 1.000 Flächen 100 sogenannte Experimentierplots ausgewählt, davon 50 im Wald und 50 im Grünland. Diese sind dauerhaft markiert und decken das größtmögliche Spektrum an Landnutzungsintensitäten ab. Der Grünlandanteil auf der Alb ist relativ hoch, zu den Experimentierflächen zählen extensive Schafweiden auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz, geschützte Halbtrockenrasen und Wacholderheiden mit extensiver Schafbeweidung, Pferde- und Rinderweiden sowie Wiesen mit ein- bis dreifacher Mahd pro Jahr und unterschiedlich intensiver Düngung. Dazu gehört die Wiese vom Biohof Weibler. Doch auch die Umgebung der Fläche spielt laut Lauterbach eine große Rolle. Man muss also »großdimensional denken«.
Dreijähriges Forschungsprojekt
Auf Weiblers Hof läuft derzeit noch ein zweites Forschungsprojekt: Natalie Hund von der Uni Hohenheim hat im Rahmen ihrer Masterarbeit auf dem Acker der Familie Weibler einen dreijährigen Versuch gestartet. Nach der Aussaat von Hafer wurden auf einer bestimmten Fläche acht verschiedene seltene Ackerkräuter ausgesät. Arten, die zusammen mit Nutzpflanzen auftreten, aber – im Gegenteil zu Unkräutern – mehr nutzen als schaden. Denn sie sind Nahrungsquelle für Insekten und Vögel und nehmen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Auch als Nahrungs- und Heilpflanzen können sie genutzt werden. Viele Ackerwildkrautarten sind laut Natalie Hund zwischenzeitlich gefährdet oder bereits ausgestorben. Für Thomas Weibler ist der Erhalt der Artenvielfalt wichtig und bisher zeigt sich, dass kein Ackerkraut dominiert. »Wir können Vielfalt schaffen und trotzdem ordentliche Erträge auf der gleichen Fläche generieren«, zeigte er sich zuversichtlich.
Ziel seines Betriebes sei, Biodiversität zu fördern. Deshalb werde auch nicht jedes Kraut als Konkurrenz zur Kulturpflanze angesehen. Mit ihrem dreijährigen Forschungsprojekt, das von Sonja Kimmel geleitet wird, hat die Uni Hohenheim deshalb bei ihm offene Türen eingerannt. »Im Ökolandbau wissen wir, dass ein völlig Beikraut freier Acker nicht gut ist«, so Weibler. Natalie Hund ist es deshalb ein Anliegen, der Landwirtschaft aufzuzeigen, dass bestimmte Ackerkräuter keinen Nachteil bringen. Im Gegenteil, sie können auch Zeigerpflanzen sein, die Auskunft über die Bodenbeschaffenheit geben. Die eingesäten Ackerkräuter wie Acker-Steinsame, echter Frauenspiegel, Ackerlichtnelke, Saatmohn, Feldrittersporn, Venuskamm, Ackerhahnenfuß und rundblättriges Hasenohr können über viele Jahre im Boden bleiben und blühen zu verschiedenen Zeiten. Für Weibler ist klar: ihr Beitrag zur pflanzlichen Artenvielfalt, ihr Einfluss auf Blütenbesucher, Nützlinge und Schädlinge, sowie ihre Auswirkungen auf Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffverfügbarkeit, Landschaftsbild und landwirtschaftliche Produktion passt zu seinem Betrieb, den vor inzwischen 17 Jahren auf Bio umgestellt hat. (GEA)