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Nur hier: Münsinger Berufsschule setzt Reitsimulator ein

Die Berufliche Schule Münsingen setzt als erste Berufsschule in Deutschland einen Reitsimulator ein. Angehende Pferdewirte aus dem ganzen Land werden darauf ausgebildet.

Sprung über imaginäre Hindernisse: Die angehende Pferdewirtin Janina Assel zeigt, wie man auf dem Reitsimulator trainiert.
Sprung über imaginäre Hindernisse: Die angehende Pferdewirtin Janina Assel zeigt, wie man auf dem Reitsimulator trainiert. Foto: Marion Schrade
Sprung über imaginäre Hindernisse: Die angehende Pferdewirtin Janina Assel zeigt, wie man auf dem Reitsimulator trainiert.
Foto: Marion Schrade

MÜNSINGEN. Hausmeister Volker Krause nennt ihn liebevoll »Torben«, für Oberstudienrätin Dr. Andrea Pfirmann ist er »Black Beauty«: Einen echten Namen hat das schwarze Pferd, das seit Oktober vergangenen Jahres seinen eigenen »Stall« in der Beruflichen Schule in Münsingen hat, nicht. Sein Körper besteht auch nicht aus Muskeln und Fell, sondern aus viel Kunststoff, unter dessen Oberfläche jede Menge Technik steckt. Black Beauty alias Torben ist ein Reitsimulator. Und er ist er erste, der bundesweit für eine berufliche Schule angeschafft wurde und dort im Unterricht der Landesfachklasse für angehende Pferdewirte verwendet wird.

Der Simulator ist mit rund 600 Kilo etwa so schwer wie ein Pferd - und er bewegt sich auch wie eins. Torben beherrscht alle drei Gangarten, Schritt, Trab und Galopp. Er hat die Moves für die Dressur bis zur hohen Schule drauf, springt über jedes Hindernis und ist geländegängig. Kurzum: Er ist der perfekte Trainingspartner für alle Reiter auf unterschiedlichen Levels und genau das, was die Pferdewirt-Azubis, die in Münsingen auf ihren Job vorbereitet werden, brauchen. Sechs von ihnen stellten den Simulator nun im offiziellen Rahmen vor geladenen Gästen vor. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Andrea Pfirmann zeigten sie, was das schwarze Hightech-Pferd kann und schwärmten von dessen Vorzügen.

Dass das Hightech-Horse made in England auch wiehern kann - geschenkt. »Am Anfang ist es lustig, später nervt es eher«, findet Andrea Pfirmann, die mit ihren Schülern nicht nur im, sondern auch außerhalb des regulären Unterrichts zu individuell vereinbarten Zeiten auf und mit dem Simulator trainiert. Für die Gäste stiegen Maria Gliesche und Janina Assel in den Dressur- beziehungsweise in den Springsattel und absolvierten verschiedene Fantasie-Parcours: Auf großen Bildschirmen ziehen Landschaften und imaginäre Hindernisse vorbei, der Simulator reagiert nach standardisierten Bewegungsmustern wie ein echtes Pferd auf das, was sein Reiter von ihm will.

Gefahrlos an der Technik feilen

Der große Vorteil aus Maria Gliesches Sicht: »Man kann sich ganz auf sich konzentrieren und nicht aufs Pferd.« Ein echtes Pferd hat seinen eigenen Kopf und auch mal schlechte Laune - Torben nicht, er bleibt brav. So kann sich der Reiter voll und ganz auf seine eigene Körperkoordination und das richtige Timing fokussieren und gezielt an seiner Reittechnik feilen - im gesicherten Raum ohne die Gefahr von Stürzen oder Verletzungen für Mensch und Tier. Davon haben durchaus auch echte Pferde was, die auf diese Weise geschont werden.

Außerdem entgeht Torben nicht die kleinste Bewegung seiner Reiterin oder seines Reiters: »Er hat Sensoren, über die alle drei Hilfen erfasst werden - Gewicht, Schenkel und Zügel«, erklärte Andrea Pfirmann. Ausbilderin und Schülerin sehen auf einem weiterem Bildschirm die Ergebnisse der digitalen Analyse in Echtzeit. So werden selbst geringste Abweichungen von der korrekten Sitzform erkannt und können korrigiert werden.

Rund 120.000 Euro hat das Kunstpferd gekostet, gut ein Jahr lang hat die Schule von der Bestellung in England bis zur Lieferung gewartet - die Auswirkungen des Brexit, berichtete Schulleiter Martin Salzer, haben sich hier unangenehm bemerkbar gemacht. Finanziert hat die Anschaffung der Landkreis Reutlingen in seiner Funktion als Schulträger. Dass das Geld goldrichtig investiert ist, darin waren sich all jene, die zur Einweihungsparty gekommen waren, einig. Menschen aus der Pferdewelt, aus Sport und Zucht, waren genauso neugierig darauf, das Wunderding zu sehen, wie Vertreter der Politik mit und ohne Erfahrung im Sattel.

Investition in eine moderne Ausbildung

Als »Pferdemädchen« outete sich die auf einem Bauernhof aufgewachsene Isabell Kling. Heute ist sie Ministerialdirektorin im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und total begeistert von der Ausbildung, die die angehenden Pferdewirte aus dem ganzen Land auf der Alb bekommen: In Münsingen ist die einzige Fachschule für diesen Ausbildungsberuf, mit dem nicht weit entfernten Haupt- und Landgestüt Marbach sowie der angegliederten Landesreitschule gibt es eine enge Kooperation. »Wir wollen den Azubis das beste Rüstzeug geben. Marbach ist das größte Ausbildungszentrum im Pferdesport, wir sind Leuchtturm.«

Steffen Kohler, im Regierungspräsidium Tübingen für die beruflichen Schulen zuständig, griff den Slogan der Münsinger Schule auf: »Wir schaffen Zukunft« passe hier wie das Ross zum Reiter. Der Simulator sei Digitalisierung in Reinkultur, möglich gemacht hat die kostspielige Investition der Digitalpakt Schule der Bundesregierung. Mit dem Reitsimulator wolle der Kreis auch ein Zeichen fürs Thema Landwirtschaft setzen, betonte Marius Pawlak, Verwaltungsdezernent im Landratsamt Reutlingen.

Pawlak zeigte sich begeistert von der hohen Identifikation: »Die Schüler sind stolz auf ihre Schule.« Das war den sechs jungen Leuten, die nicht nur den Simulator, sondern auch ihren Beruf vorstellten, in der Tat anzumerken. Elisa Stößel, Julius Dietze, Felizia Nittel, Maria Gliesche, Janina Assel und Angelina Hofer gaben in lebendigen Schilderungen sowie mit Bildern und Videos Einblicke in den Alltag ihrer jeweiligen Ausbildungsbetriebe und -schwerpunkte. Pferdewirt ist nicht gleich Pferdewirt, die Azubis können sich in verschiedenen Fachrichtungen spezialisieren.

Julius Dietze zum Beispiel hat sich für »Pferdehaltung und Service« entschieden und arbeitet mit Islandpferden, Felizia Nittels Haupteinsatzgebiet ist die Deckstation des Marbacher Gestüts. Janina Assel wird mit dem Schwerpunkt »klassisches Reiten« künftig vor allem junge Pferde ausbilden, aber auch Reitstunden erteilen. Angelina Hofers Welt ist der Stutenstall, sie spezialisiert sich auf den Zuchtbereich und kümmert sich um werdende Mütter und ihre Fohlen. Eins aber haben alle gemeinsam: Reiten können gehört genauso dazu wie der tägliche Stalldienst mit Misten und Füttern. (GEA)