MÜNSINGEN. Würdevoll reitet der Soldat durch die Gasse zwischen den Baracken. Er trägt eine königsblaue Uniform mit gelben Aufschlägen, am Sattel hängt ein Säbel. Die Besucher, die an diesem Tag durchs Alte Lager in Münsingen-Auingen spazieren oder radeln, drehen sich um, zücken ihre Handys und machen Fotos. Wo kommt der denn her?
Der Zeitreisende sitzt fest im Sattel. Sein Name ist Hans Pecovnik, er lebt im Hier und Jetzt in Bad Urach, und sein großes Hobby ist die Kavalleriereiterei. Zum Pressegespräch ist er alleine mit seinem Pferd gekommen, am Wochenende, 7. und 8. September, wird er rund ein Dutzend Kameraden mitbringen: Der Deutsche Kavallerieverband wird das frühere Alte Lager und heutige Albgut mit Leben füllen. Den Anlass dazu gibt der Tag des offenen Denkmals am 8. September.
»Die Leute, die hier feiern oder einkaufen, wissen oft gar nicht, dass sie sich in einem Denkmal aufhalten«, sagt Annegret Tress. Sie und ihr Mann Franz haben die ehemalige Kaserne, die 1895 erstmals von württembergischen Soldaten bezogen und mehr als 125 Jahre lang militärisch genutzt wurde, nach dem Abzug der Bundeswehr gekauft, um sie für die Nachwelt zu bewahren und erlebbar zu machen. In die ehemaligen Mannschaftsunterkünfte sind Manufakturen gezogen, die hier ihre Produkte verkaufen und teilweise auch herstellen. Mehrere Funktionsgebäude - das ehemalige Offizierscasino und die alte Schmiede zum Beispiel - werden für festliche Anlässe vermietet.
Formationsreiten nach historischen Dienstvorschriften
Dass das Gebäude-Ensemble, das aussieht wie aus dem Film und in der Tat auch schon für Dreharbeiten gedient hat, mehr als eine Kulisse ist - ein Ort mit Geschichte nämlich - will das Ehepaar Tress gemeinsam mit Hans Pecovnik, seinen Kavalleriereitern und weiteren Akteuren anschaulich machen. Die Reiter werden zwei Tage lang im Alten Lager sein, sowohl Samstag als auch Sonntag sind zwischen 10 und 17 Uhr etwa im Stundentakt Vorführungen geplant.
»Wir werden in Formation reiten und zeigen, wie sich die Reiter auf Kommando im Feld bewegt haben«, erklärt Pecovnik. Als historische Grundlage dient die »Heeresdienstvorschrift 12« von 1918, nach der die Pferde ausgebildet werden. Kavalleriereiten ähnelt nicht von ungefähr der modernen Vielseitigkeit, früher »Military« genannt. Zum sportlichen Wettkampf gehören Geländeritt, Springen und Vielseitigkeit - Disziplinen, in denen auch die Pferde der Kavalleriereiter fit sein müssen.
Hinzu kommen bei Pecovnik und seinen Kameraden noch die militärhistorischen Aspekte und Requisiten: »Die Königsdisziplin ist das Waffenreiten mit Lanze und Säbel«, sagt er. Soweit möglich, werden Original-Ausrüstungsgegenstände gekauft, die Uniformen werden nach historischen Vorlagen in Polen geschneidert. Dort, weiß Pecovnik, ist das Kavalleriereiten Volkssport: »Da gibt's Gruppen wie bei uns Fußballclubs und richtige Meisterschaften.«
In der Uniform des württembergischen Ulanen-Regiments
Die Reiter verstehen die beiden Tage auch als eine Art öffentliches Training. Denn sich mit Ross und Reitern regelmäßig zu treffen ist gar nicht so einfach. Zum Deutschen Kavallerieverband gehören zahlreiche reitende Gruppen und Regimenter in ganz Deutschland. Der Verband ist auf keine geschichtliche Epoche festgelegt und deckt das breite Spektrum der Kavallerie von 1500 bis 1918 ab. Pecovnik gehört zum königlich bayerischen Ulanen-Regiment mit Sitz in Weißenhorn, in dessen Reihen aber auch württembergische Kameraden zu finden sind: Pecovnik selbst trägt die Uniform des zweiten württembergischen Ulanen-Regiments König Wilhelm I. Dieses kam, merkt Franz Tress an, in der historischen Wirklichkeit tatsächlich zu Übungen ins Alte Lager.
Wer jetzt denkt, »den hab ich doch schon mal irgendwo gesehen«, liegt richtig. Denn auch beim Schäferlauf-Umzug in Bad Urach reiten Pecovnik und seine Gruppe mit. Neben Uniformen werden Besucher im Albgut am Wochenende auch zivile Kleidung zu Gesicht bekommen. Denn außer den Reitern erwarten Annegret und Franz Tress weitere historische Gruppen, die durch die Soldatensiedlung flanieren. Es werden Kutschfahrten angeboten, und es gibt Bewirtung. Im BT 24, einem der Mannschaftsgebäude gleich hinterm Parkplatz am Osttor, soll es eine kleine Ausstellung und eine Fotobox geben: Hier kann man sich selbst ein paar Accessoires aus der historischen Klamottenkiste aussuchen und ein Erinnerungsfoto schießen.
Das Gebäude, in dem früher eine Textilmanufaktur untergebracht war und das seit geraumer Zeit leer steht, soll sich in ein Info-Zentrum verwandeln - am Wochenende zunächst mal provisorisch, bevor die Bauarbeiten beginnen und das Zentrum im Frühjahr 2025 eröffnet werden soll. Es ist zugleich auch Ausgangspunkt der Führungen, die insgesamt sechs Alb-Guides anbieten: An beiden Tagen führen sie Besucher um 14 Uhr über das Gelände und informieren über die Geschichte des Alten Lagers und seine jetzige Nutzung.
Bei Bedarf beziehungsweise großer Nachfrage werden auch weitere Führungen angeboten. Wer am Wochenende keine Zeit hat, kann sich das Alte Lager von den Guides auch an einem anderen Tag zeigen lassen: An jedem ersten und dritten Sonntag im Monat stehen Führungen bis Oktober immer um 14 Uhr fix im Kalender. Außerdem sind Zusatztermine auf Anfrage möglich (www.alb-guide.de/Touren-albgut). (GEA)