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Für rund eine Million Euro: Sanierung der Kirche in Gruorn beginnt

Die denkmalgeschützte Stephanuskirche inmitten des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen wird für rund eine Million Euro saniert.

Der Chorraum der Stephanuskirche bekommt einen neuen Boden, und auch die gotischen Wandmalereien werden restauriert und konservi
Der Chorraum der Stephanuskirche bekommt einen neuen Boden, und auch die gotischen Wandmalereien werden restauriert und konserviert. Foto: Marion Schrade
Der Chorraum der Stephanuskirche bekommt einen neuen Boden, und auch die gotischen Wandmalereien werden restauriert und konserviert.
Foto: Marion Schrade

MÜNSINGEN. Die Stephanuskirche in Gruorn hat eine Jahrhunderte lange Geschichte. Sie hat, wie viele andere Kirchen auch, Kriege und die Reformation überdauert. Die Besonderheit ihres Ortes aber hat dafür gesorgt, dass sie noch etwas mehr gelitten hat als andere. Gruorn war einst ein vergleichsweise großes Dorf. 1895 wurde in der umliegenden Gegend ein Truppenübungsplatz eingerichtet und 1937 so erweitert, dass Gruorn geräumt werden musste: Die Bewohner waren gezwungen, ihre Häuser aufzugeben - und damit auch ihre Kirche. Sie ist, gemeinsam mit dem benachbarten Schulhaus, das Einzige, was die Zeiten der militärischen Nutzung überdauert hat - wenn auch alles andere als unbeschadet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die französischen Streitkräfte die Herrschaft über den Platz, Gruorn diente auch zum Training im Häuserkampf, wie Günter Braun berichtet. Er ist Vorsitzender des Komitees zur Erhaltung der Kirche in Gruorn, das 1974 gegründet wurde. Die Mitglieder - vor allem ehemalige Bewohner und ihre Nachkommen - machten es sich zur Aufgabe, das zu erhalten, was von ihrem Dorf noch übrig war. Vieles war damals schon aus Sicherheitsgründen eingeebnet und gesprengt worden. Letzteres gilt auch für den Turm der Stephanuskirche, der später durch einen turmartigen Dachreiter ersetzt wurde, um wenigstens die kirchentypische Silhouette zu erhalten.

»Es geht vor allem um den Erhalt und die Sicherung der Bausubstanz«

Um weit mehr als nur die Optik geht es nun bei der großen Sanierung, die in den vergangenen Tagen begonnen hat und sich bis in den nächsten Sommer ziehen wird. Für rund eine Million Euro sollen vom Dachstuhl über die mit Heiligenbildern aus der gotischen Zeit bemalten Wände bis zum Boden des Chorraums mehrere große Baustellen abgearbeitet werden. Die Kirche steht mittlerweile unter Denkmalschutz, und bei Gebäuden, die die diesen Status haben, geht es vor allem um »den Erhalt und die Sicherung der vorhandenen Bausubstanz«, erklärt Dieter Schmid vom Münsinger Architekturbüro Gehr Hintzenstern Schmid.

Schmid ist federführend auf der alles andere als alltäglichen Denkmal-Baustelle, an der mehrere Partner beteiligt sind - auch das ist der Geschichte Gruorns und der besonderen Lage mitten im ehemaligen Truppenübungsplatz geschuldet. Das Grundstück gehört nicht zu einer Gemeinde, Eigentümerin ist die Bundesrepublik Deutschland. Dennoch spielt die Stadt Münsingen eine zentrale Rolle. Warum, erklärt Bürgermeister Mike Münzing: »Als es vor einigen Jahren darum ging, das ehemalige Schulhaus zu sanieren, gab es dafür weder Geld vom Bund noch vom Land.« Das Gebäude aber war sowohl dem Komitee als auch der Stadt wichtig, es ist Museum und Wirtshaus in einem. »Als Hilfskonstrukt, um Fördermittel zu generieren, haben wir einen Dreiecksvertrag geschlossen«, erklärt Münzing. Die Stadt hat die Liegenschaft vom Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), gepachtet, das Komitee tritt als Unterpächterin auf.

Der beschädigte Dachstuhl drückt auf das Deckengewölbe. Dadurch sind Risse im Mauerwerk des  darunterliegenden Chors entstanden,
Der beschädigte Dachstuhl drückt auf das Deckengewölbe. Dadurch sind Risse im Mauerwerk des darunterliegenden Chors entstanden, erklärt Architekt Dieter Schmid. Foto: Marion Schrade
Der beschädigte Dachstuhl drückt auf das Deckengewölbe. Dadurch sind Risse im Mauerwerk des darunterliegenden Chors entstanden, erklärt Architekt Dieter Schmid.
Foto: Marion Schrade

Mit dieser Konstruktion war es möglich, Mittel aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum zu beantragen, so Münzing. Mit 360.000 Euro gibt das Land den größten Batzen Geld für die Sanierung der Stephanuskirche. Dass sich auch die Bima mit einem Betrag von 300.000 Euro beteiligt, ist für Stadt und Komitee so überraschend wie erfreulich. Das gilt auch für die Zuwendung des Landkreises in Höhe von 50.000 Euro, die für Münzing auch ein »Signal dafür ist, dass man Gruorn und die Kirche nicht als x-beliebiges Denkmal versteht«. Weitere Fördermittel kommen vom Landesdenkmalamt sowie von der Stadt (50.000 Euro) und vom Komitee selbst, das gezielt um Spenden für die Sanierung geworben hat, sodass die berechneten Kosten von rund einer Million Euro bereits gedeckt sind.

Auch wenn hier noch - vor allem an Pfingsten und an Allerheiligen, wenn sich hier ehemalige Gruorner und ihre Nachfahren treffen - Gottesdienste stattfinden: Die Kirche ist entwidmet, erklärt Günter Braun, die Landeskirche ist deshalb nicht mehr zuständig und steuert auch nichts zum Erhalt des Bauwerks bei. Die Kirche gilt, so Bürgermeister Mike Münzing, heute vor allem als »kulturelles Begegnungszentrum«. Als Bauherrin tritt die Stadt Münsingen auf, Stadtbaumeister Alfred Schnürch koordiniert das Projekt gemeinsam mit Architekt Dieter Schmid. Das Komitee beteiligt sich nach Möglichkeit wie bisher auch mit Eigenleistungen, wobei die rund 160 Mitglieder aufgrund ihres Alters immer weniger in der Lage sind, schwerere Arbeiten zu übernehmen. Man brauche dringend jüngere Mitglieder, wirbt Günter Braun um Unterstützung. Nicht nur helfende Hände, sondern auch weitere Spenden sind willkommen.

»Der Dachstuhl ist Dreh- und Angelpunkt der Sanierung«

Eine wichtige Rolle spielt neben dem Denkmal- auch der Naturschutz, das gilt für den gesamten Truppenübungsplatz genauso wie für die Stephanuskirche. Dafür zuständig ist der Bundesforst, vertreten durch Walter Krug als Leiter des Forstreviers Süd um Gruorn. In der Stephanuskirche haben zahlreiche Fledermäuse verschiedener Arten ihr Sommerquartier, ihre »Kinderstube« haben sie unterm Dach eingerichtet. Ihre Lebensgewohnheiten bestimmen nicht nur den Zeitplan der Sanierung, sondern teilweise auch deren Details. So sollen, erklärt Architekt Dieter Schmid, beispielsweise die Glasziegel im Dach herausgenommen werden, damit es noch dunkler wird. Die »Haustüren«, durch die die Tiere den Weg in ihren Unterschlupf finden, werden offen gehalten, außerdem werden simple Holzkonstruktionen eingebaut, die den Fledermäusen das Leben in der Familiengründungsphase leichter machen.

Der Dachstuhl über dem spätgotischen Chor, sagt Dieter Schmid, »ist Dreh- und Angelpunkt der Sanierung«. Gearbeitet werden kann dort mit Rücksicht auf die Fledermäuse aber erst ab Spätherbst. Bis es soweit ist, ist erstmal der Chorboden dran. »Bisher besteht er aus vielfach ausgebessertem Walzbeton, der mit zwei unterschiedlichen Niveaus und verwinkelten Stufen die Nutzung des Chorraums erschwert«, sagt Dieter Schmid. Das ist für Ensembles, die dort musizieren, ebenso hinderlich wie für Besucher mit Handicap - die Kirche soll, auch dank Umgestaltung des Nebenportals, insgesamt barrierefrei werden. Der alte Chorboden ist aber nicht nur unpraktisch, er hat auch der Bausubstanz geschadet: »Der relativ dichte Beton führt zu Feuchtekonzentrationen in den angrenzenden Wänden«, sagt Schmid, die Flecken am Übergang von Boden zur Wand sind unübersehbar.

»Die Baumaßnahmen sollen erlebbar sein, das ist unser erklärtes Ziel«

Rund 400.000 Euro und damit fast die Hälfte des Gesamtbudgets entfallen auf die Arbeiten am Dachstuhl. Undichte Stellen sind die Ursache dafür, dass das Gebälk durch die Nässe beschädigt und verformt wurde und auf das darunter liegende Netzgewölbe des Chors drückt. Risse in den Wänden sind der sichtbare Beweis dafür. Defekte Hölzer und Verbindungen werden ersetzt und die Deckenbalken und Längsträger wieder angehoben, damit die Last vom Chorgewölbe genommen wird.

Erst wenn das erledigt ist, geht's an die weitere Sanierung des Chorraums, auf die mit rund 275.000 Euro ebenfalls ein großer Teil des Budgets entfällt. Nicht nur das Deckengewölbe ist kunstvoll verziert: An den Wänden finden sich Bilder von Heiligen, die, soweit nötig, von Fachleuten restauriert und für die Nachwelt konserviert werden. Risse im Sandstein-Mauerwerk werden geflickt, Oberflächen gereinigt und Steine, wo nötig, ergänzt. Dafür wird im Chor ein Gerüst aufgestellt. Besucher haben aber, wie die Beteiligten des Projekts betonen, grundsätzlich immer Zutritt zur Kirche. Auch Führungen werden nach wie vor angeboten. »Die Baumaßnahmen sollen erlebbar sein, das ist unser erklärtes Ziel«, sagt Architekt Dieter Schmid. Dass die Kirche gerade Baustelle ist, werden Besucher schon von Weitem sehen, wenn sie von außen eingerüstet sein wird: Auch die Fassade muss dringend gemacht werden, der Putz hat Risse, der Anstrich ist ausgewaschen, verschmutzt und von Rotalgen befallen. Ausbesserungen und ein neuer Anstrich sind also dringend nötig. (GEA)
www.gruorn.info