MÜNSINGEN. Vom Donnerstag, 26., bis Sonntag, 29. Juni, dreht sich in Münsingen und Buttenhausen wieder alles um jüdische Kultur und Geschichte. Das Münsinger Klezmer-Festival geht in seine vierte Runde, das Interesse ist groß. Organisator Yannick Krebs haben im Vorfeld Anfragen von Bands aus aller Herren Länder erreicht, weit über Deutschland hinaus. Gruppen aus Paris, Polen, Dänemark, den USA und Kanada haben sich gemeldet. »Das Festival hat mittlerweile internationale Strahlkraft«, sagt der Kulturamtsleiter, selbst überrascht von der Reichweite der Veranstaltung. Das »kleine, schöne Festival« haben auch die Besucher schon im Blick, bereits bevor das Event offiziell angekündigt wurde. »Uns erreichen Anfragen von Interessierten, die gleich ein paar Tage hier bleiben wollen und für die Planung das Programm kennen müssen.« Das Geld, das Münsingen für die jüdische Kultur in die Hand nehmen muss, scheint also im touristischen Bereich gut angelegt. Die Reisekosten für Bands aus Übersee sind - noch - zu hoch fürs Münsinger Festival, das Angebot kann sich dennoch sehen lassen.
Los geht's am Donnerstag, 26. Juni, mit einer Einladung auch an diejenigen, die mit Klezmer bisher wenig anfangen können. »Klezmers Techter und Shai Terry« treten umsonst und draußen ab 19 Uhr auf dem Matthias-Erzberger-Platz auf. Die »Techter« und ihre Mezzosopranistin interpretieren Schätze jiddischer Musik von Tango bis Jazz. Die Gruppe ist zum zweiten Mal in Münsingen dabei, wegen des großen Erfolgs hält Krebs die vier Frauen für den richtigen Appetitmacher auf mehr an den folgenden Tagen.
Jiddisch reden und verstehen
Der Freitag richtet sich erst mal weniger an die Seele als an den Verstand. Matthias Schiebe und Wolde Mammel bieten einen zweiteiligen Jiddisch-Kurs in der Zehntscheuer an. »Buttenhausen am Schwarzen Meer - Iomir redn yidish!« erinnert an das enge Zusammenleben von Deutschen und Juden in der Ukraine, als auch die dortigen Deutschen Jiddisch verstehen und sprechen konnten. Im Münsinger Buttenhausen war das Zusammenleben ähnlich eng, hier entwickelte sich aus dem Jiddischen das »Juden-Deutsch in Buttenhausen«. Los geht es um 16 Uhr, beide Kursteile dauern mit Pause etwa 2,5 Stunden, für den etwas anderen Sprachkurs ist eine Anmeldung erforderlich.
Ebenfalls in der Zehntscheuer steht am Freitag ab 20 Uhr Yxalag auf der Bühne. Die sieben Musiker haben sich während des Musikstudiums kennengelernt, sind mittlerweile alle professionelle Musiker. Frisch und beschwingt mit osteuropäischem Klezmer, Liedern der Sepharden oder Stücken vom Balkan sind sie gern gesehene Gäste auf internationalen Bühnen - »energiegeladene Live-Show mit überraschenden Arrangements«, meint der meist kritische Deutschlandfunk.
Der Samstag startet mit einem neuen Format. Von 10.30 bis 14 Uhr gibt es einen Gedichtrundgang durch Buttenhausen. An verschiedenen Orten wird Lyrik jüdischer und nicht-jüdischer Autoren vorgelesen. Alle Texte haben einen Bezug zu Buttenhausen oder allgemein zur jüdischen Kultur. Unter den Dichtern sind unter anderem Paul Celan und Nelly Sachs aber auch der Buttenhausener Flieger Gustav Mesmer. Start ist am Denkmal der Deportation in der Buttenhausener Ortsmitte. Die Buttenhausener Museen haben geöffnet, eine Führung durch das Jüdische Museum gibt es um 13 Uhr. Dann geht es zurück nach Münsingen und von dort weiter nach Israel. Petra Winter lehrt wieder israelische Tänze: »Du stellst meine Füße auf einen weiten Raum - Israelische Tänze sind mehr als ein Volkstanz«, heißt ihr Angebot. Mindestens genau so empfehlenswert ist der Vortrag von Monika Sänger um 17 Uhr in der Zehntscheuer. Sie stellt die Goldschmiedin und Industriedesignerin Paula Strauss vor, die immer wieder auch in Gundelfingen gearbeitet hat. Eine moderne, berufstätige Frau, 1929 bei der Weltausstellung in Barcelona ausgezeichnet, 1943 in Auschwitz ermordet. Der Samstag endet um 20 Uhr mit Stellas Morgenstern. Das Ausnahmeensemble rund um die charismatische Sängerin mischt Jiddisch, Hebräisch, Deutsch und Englisch.
Vorträge und Tänze ergänzen das Angebot
Der Sonntag beginnt um 9.15 Uhr in der Michaeliskirche in Buttenhausen, die Predigt zum vorgezogenen Israelsonntag - eigentlich am 10. Juni - hält Pfarrerin Regina Götz. Eine Gelegenheit für die christliche Gemeinde, sich auf ihre jüdischen Wurzeln zu besinnen. Nach dem Gottesdienst, um 10.30 Uhr, unterhalten im Bürgersaal der Bernheimer'schen Realschule in Buttenhausen »Bojos letzte Papirosen« aus Blaubeuren. Jiddische Lieder und Klezmer werden durch jemenitische und sephardische Stücke bereichert. Das Café Ikarus hat am Sonntag ab 11 Uhr geöffnet und bietet Maultaschen - auch vegetarisch - und Kaffee und Kuchen an. Um 12 Uhr führt Eberhard Zacher durchs Jüdische Museum, die Führung dauert etwa eine Stunde. Das musikalische Nachmittagsprogramm startet das Hamburg Klezmer Duo in der Michaeliskirche. Mark Kovnatskiy und Stas Dinerman verbinden Tradition und Moderne, das Hamburg Klezmer Duo ist seit 2007 eine der bekanntesten Klezmer-Bands Norddeutschlands. Wir bleiben in der Michaeliskirche in Buttenhausen. Ab 17 Uhr machen die Haiducken den Abschluss. Traditionell oder selbst geschrieben, mit ihrem neuen Album »Reyze nockh Odessa« kommen sie jetzt nach Buttenhausen.
Zurück in Münsingen auf dem Matthias-Erzberger-Platz macht das Akkordeonorchester Münsinger Alb den Abschluss. Die jungen Musiker und Musikerinnen der Formationen DaCapo und InTakt wagen sich ebenfalls an in die facettenreiche Welt des Klezmer.
Was kostet der Spaß? Klezmers Techter sind am Donnerstagabend frei. Tagestickets kosten am Freitag 20 Euro, am Samstag und Sonntag je 25 Euro, das Kombiticket Samstag und Sonntag 40 Euro. Die einzelnen Veranstaltungen können für jeweils 15 Euro besucht werden. Karten gibt es bei der Touristik Information Münsingen unter 07381 182 145 oder touristinfo@münsingen.de (GEA)