MEHRSTETTEN. Kaffee und frische Backwaren, Putzmittel, Zahnpasta, Zeitschriften, Haarspängle und Klobürsten. Im Mehrstetter Dorfladen »Marktplatz 11« gibt es eigentlich alles, was man zum Leben braucht. In materieller, aber durchaus auch in ideeller Hinsicht. Denn der Laden, der vor gut zwei Jahren eröffnet wurde, ist nicht nur wichtig für die Nahversorgung, sondern auch fürs öffentliche Leben im Ort. In der Café-Ecke sitzt fast immer jemand, um - spontan oder verabredet - eine kleine Auszeit zu nehmen und ein Schwätzchen zu halten. Vor allem dann, wenn freitagnachmittags alle zwei Wochen ein paar Musiker aus dem Ort ihre Instrumente mitbringen und im »MusiCafé« zum Mitspielen und Zuhören einladen.
»Der Laden ist als Treffpunkt nicht mehr wegzudenken«, sagt Frieder Gundert. Er ist einer von zwei Vorständen der Bürgergenossenschaft, die den Laden in Eigenregie betreibt. Die zweite ist Anke Dauter, die auch im Gemeinderat sitzt und die Zahlen kennt. 1.488. Die Mehrstetter sind in den vergangenen Jahren nicht, wie in anderen kleinen Orten, weniger, sondern mehr geworden. 181 von ihnen haben derzeit Anteile an der Genossenschaft. Der Laden gehört keinem Unternehmen, sondern der Allgemeinheit. Das Gebäude ist im Besitz der Gemeinde, die der Genossenschaft den Ladenbereich kostenfrei überlässt - zumindest derzeit noch, denn wie lange diese Art der Starthilfe noch läuft, ist ungewiss. Die Zusage der Gemeinde lautete damals: Der Deal gilt so lange, bis die Genossenschaft auf eigenen Füßen stehen kann.
Rund 100 Kunden am Tag
So weit ist es noch nicht ganz. Der Mehrstetter Laden ist in vielerlei Hinsicht eine Erfolgsgeschichte. Das heißt aber nicht, dass er nicht mit dem einen oder anderen Problem zu kämpfen hat. Nachdem der letzte Lebensmittelladen im Ort geschlossen hatte, begannen 2017 die Planungen für den Dorfladen. Die Idee stieß bei einem großen Teil der Bevölkerung auf Zustimmung, die Leute brachten und bringen sich bis heute ein - ein Glück, denn ohne sie ließe sich der Laden nicht wirtschaftlich betreiben. Die Corona-Pandemie hat den Start erheblich verzögert, Bau und Ladenrichtungen wurden teurer als gedacht, »wir haben mit Verlust begonnen«, sagt Anke Dauter. Rund 100 Kunden kommen am Tag, berichtet Frieder Gundert, im Schnitt gibt jeder 14,50 Euro aus - »das ist schon ganz gut, sollte aber noch etwas besser werden«, reden die beiden Vorstände Klartext. Daraus, dass es schwierig ist, machen sie kein Geheimnis, den Gerüchten, dass der Laden bald schließen soll, treten sie aber entschieden entgegen. Auch der Getränkemarkt, den die Genossenschaft zusätzlich übernommen hat, läuft gut.
Das ist vor allem auch den über 20 Ehrenamtlichen zu verdanken, die Marktleiterin Gela Felger und die beiden Minijobber unentgeltlich unterstützen. Die freiwilligen Helfer - darunter sind Rentner genauso wie junge Mütter - räumen Regale ein, übernehmen Putzdienste und backen Kuchen fürs Café. Einige von ihnen stehen sogar hinter der Kasse, von ihnen bräuchte es noch mehr, betonen die beiden Vorstände Frieder Gundert und Anke Dauter. Helfen darf jeder - ob er nun aus Mehrstetten kommt oder nicht. Auch Gela Felger ist keine Mehrstetterin, sie stammt aus Auingen und wohnt in Sonnenbühl, kennt ihre Helfer und Kunden inzwischen aber ziemlich gut. Gebrauchen kann sie jede helfende Hand im Laden, denn die Chefin macht hier irgendwie alles, wenn's klemmt. Butterbrezeln schmieren, Pakete annehmen und zwischendurch mal rauswischen, wenn Kunden bei Schmuddelwetter schmutzige Fußabdrücke zwischen den Regalen hinterlassen haben.
Treffpunkt fürs ganze Dorf
Alteingesessene, Zugezogene, Menschen aus den Nachbarorten, Radler oder Wanderer, die einkehren oder den Rucksack füllen: Im Dorfladen treffen sie aufeinander. »Er ist ein Ort für Menschen, die sonst nicht so sichtbar sind, weil sie beispielsweise neu zugezogen oder nicht in einem Verein sind«, meint Frieder Gundert. »Manche kommen täglich oder sogar mehrmals täglich«, erzählt Anke Dauter. »Man hat einfach immer die Chance, dass man jemanden trifft«, fügt Frieder Gundert hinzu. Genau das schätzen auch Gudrun und Josef Micheli. Vor zwei Jahren ist das Ehepaar aus Bad Urach nach Mehrstetten gezogen, und auch Irmgard Glück, die mit den beiden am Tisch sitzt, ist Wahl-Mehrstetterin. »Im Café kommt man immer ins Gespräch, das ist schön, wenn man alleine wohnt«, sagt Irmgard Glück.
Die drei haben nichts als Lob für die Gemeinde: »Man kann sich hier selbst versorgen«, sagen sie, für einen so kleinen Ort hat Mehrstetten eine unglaubliche Infrastruktur. Es gibt einen Bäcker und einen Metzger, über dem Dorfladen ist eine Pflegeeinrichtung untergebracht, und gleich nebenan hat eine Hausärztin ihre Praxis. »Man kann alles zu Fuß erreichen«, das ist Gudrun Micheli wichtig. Friseur- oder Zahnarztbesuch, Physiotherapie, Autoreparatur: Auch dafür müssen die Mehrstetter nicht extra in einen Nachbarort fahren.
Schwerpunkt regionale Produkte
Für die 81-jährige Traudl Neils und ihren Mann Olaf ist das Gold wert: Sie kommen zu Fuß mit dem Rucksack zum Einkaufen, den Laden unterstützen sie seit dem ersten Tag - auch als ehrenamtliche Helfer, soweit Alter und Gesundheit das noch zulassen. Marktleiterin Gela Felger weiß inzwischen sehr genau, was ihre Kunden brauchen. »Ich konzentriere mich auf Dinge des täglichen Bedarfs«, sagt sie, Schnickschnack und Ladenhüter hat sie sukzessive aussortiert. Nach zwei Jahren ist klar, was gekauft wird und was nicht. Ein Schwerpunkt liegt auf regionalen Produkten: Milchprodukte, Pilze, Mehl, Eier, Käse, Honig, Marmelade, Kartoffeln und vieles mehr liefern Erzeuger aus der nächsten Umgebung. Traudl Neils bringt es treffend auf den Punkt: »En onserm Lädle geit's älles. Ond was ed geit, braucht ma au ed.« (GEA)