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Staatssekretärin macht Denkmalreise-Station im keltischen Althayingen

Archäologen graben an der frühkeltischen Befestigungsanlage Althayingen. Und sind auf viele Funde gestoßen. Staatssekretärin Andrea Lindlohr hat auf ihrer Denkmalreise durch Baden-Württemberg in Indelhausen Station gemacht uns sich über die Grabungsbefunde informiert.

Schmuck, was die älblerischen Keltenfrauen trugen: Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Mitte) betrachtet einen Ohrring, den Archäo
Schmuck, was die älblerischen Keltenfrauen trugen: Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Mitte) betrachtet einen Ohrring, den Archäologen auf der Anlage Althayingen gefunden haben. Foto: Cordula Fischer
Schmuck, was die älblerischen Keltenfrauen trugen: Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Mitte) betrachtet einen Ohrring, den Archäologen auf der Anlage Althayingen gefunden haben.
Foto: Cordula Fischer

HAYINGEN. Tag vier und damit Abschluss der Denkmalreise von Staatssekretärin Andrea Lindlohr im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, wartet mit einem echten Superlativ auf der Alb auf: Professor Dr. Dirk Krausse vom Landesamt für Denkmalpflege (LAD) ist ganz begeistert, spricht einer »riesigen, bombastisch befestigten Anlage«. Es geht um Althayingen, über das »man gar nicht viel weiß«, sagt Claus Wolf, Präsident des LAD. Noch nicht, denn seit 2020 graben Archäologen auf der Höhe über dem Lautertal. Die Anlage liegt im Dunstkreis der Heuneburg. Gehörte Althayingen noch in deren Einflussbereich, war es ein Satellit oder ein eigenständiges Machtzentrum? Diese Fragen werden noch zu klären sein.

Die Anlage von Althyingen war riesig. Hier haben die Archäologen einen Teil freigelegt.
Die Anlage von Althyingen war riesig. Hier haben die Archäologen einen Teil freigelegt. Foto: Cordula Fischer
Die Anlage von Althyingen war riesig. Hier haben die Archäologen einen Teil freigelegt.
Foto: Cordula Fischer

Die Größe der Anlage ist enorm: Sie erstreckt sich auf rund sieben Hektar, das entspricht der Größe von etwa 14 Fußballfeldern, sagt Dirk Krausse. Solchen Gigantismus hätte man früher den Kelten nicht zugetraut. »Althayingen ist ein fantastisch erhaltenes Geländedenkmal.« Gräben und Wälle, um die Keltenfestung zu schützen, sind im Wald gut zu erkennen. »Hier ist enorm viel Erde bewegt worden.« Und natürlich gab es in der Vergangenheit auch Oberflächenfunde. Die Wissenschaftler datieren die Anlage ins 6./7. Jahrhundert vor Christus. Die Untersuchungen in diesem Jahr - die Grabungssaison ist in der vergangenen Woche beendet worden - haben Funde zutage gefördert, die Genaueres aussagen: Etwa Stücke von Holz- und Holzkohleresten, die analysiert wurden. Ergebnis: Sie stammen aus dem Jahr 705 vor Christus.

Ein Holzkohlerest. Datiert aufs Jahr 705 vor Christus.
Ein Holzkohlerest. Datiert aufs Jahr 705 vor Christus. Foto: Cordula Fischer
Ein Holzkohlerest. Datiert aufs Jahr 705 vor Christus.
Foto: Cordula Fischer

Eher enttäuschend war das Ergebnis der freigelegten Steinhügel auf der Anlage. Die frühere, bei einer ersten Schürfung 1938 entstandene Annahme, dass es sich um Begräbnisstätten handelt - innerhalb einer Siedlung sei das allerdings auch unwahrscheinlich -, war falsch. Sie sind modernen Ursprungs, es handelt sich um reine Lesesteinhaufen, wie Archäologe Leif Hansen erklärt. Dafür sind die Forscher aber auf eine gewaltige Steinmauer im Boden gestoßen. Sie haben die Außen- und Innenseite ausgegraben und eine Torgasse sowie beiderseits je drei Pfostenlöcher freigelegt. »Das ist etwas ganz Besonderes«, sagt Dirk Krausse, denn solche Toranlagen gebe es bis dato sonst keine in Baden-Württemberg. Anzunehmen auch, dass der heutige Weg hinauf auf den Althayingen der gleiche ist wie ihn die frühen Kelten genommen haben. Dass es auf der Burg gebrannt haben muss, erkennen die Wissenschaftler an rötlich gefärbten oder zerfallenen Steinen. Dies geschieht bei Temperaturen 250 bis 600 Grad beziehungsweise ab 700 Grad.

Blick auf die Torgasse mit den seitlichen Mauern und den je drei Pfostengruben.
Blick auf die Torgasse mit den seitlichen Mauern und den je drei Pfostengruben. Foto: Cordula Fischer
Blick auf die Torgasse mit den seitlichen Mauern und den je drei Pfostengruben.
Foto: Cordula Fischer

Weitere Funde aus der gleichen Bodenschicht haben die Archäologen beim Besuch der Staatssekretärin oben auf dem Althayingen präsentiert. Da sind Keramikscherben. Der Fachmann erkennt alltägliches Haushaltsgeschirr - Töpfe, Schüsseln, Schalen, aber auch Reste von feinerer Ware. Diese Scherben sind rot und weiß bemalt oder sind profiliert. Dies ist ein Hinweis auf die Nähe zur Heuneburg, wo solche Keramik hergestellt wurde. Mehr Details aus dem Alltag und den Essgewohnheiten der Kelten zur Blütezeit der Heuneburg und wohl auch des Althayingen verraten Knochenfunde. 90 Prozent stammen vom Schwein - kein wildes, sondern hier gezüchtetes Hausschwein. Normalerweise liege die Menge der Schweineknochenfunde zwischen 50 und 70 Prozent. Warum liebten die Althayinger Kotelett und Haxe? Das Schwein war leicht zu halten, fand auf Waldweiden Nahrung, braucht nicht so viel Platz, Gras oder Heu wie Rinder und hat keinen auf wenige Gräser spezialisierten Appetit wie Schafe. Und es gab Haushühner: Wohl eher nicht zum Verzehr von Fleisch und Eiern - dazu waren die Tiere zu klein -, sondern als Prestigeobjekte.

Die Althayinger standen auf Fleisch: Vor allem vom Schwein durfte es ein bisschen mehr sein.
Die Althayinger standen auf Fleisch: Vor allem vom Schwein durfte es ein bisschen mehr sein. Foto: Cordula Fischer
Die Althayinger standen auf Fleisch: Vor allem vom Schwein durfte es ein bisschen mehr sein.
Foto: Cordula Fischer

Dass die keltischen Älbler was auf sich hielten, zeigen Schmuckstücke, zum Teil aus einst goldener, nun grün oxidierter Bronze. Ein Ohrring, Nadeln, Fibeln, eine vermutlich auf ledernes Zaumzeug gezogene Perle. Ein Knochenfragment könnte zu einem Spiel gehört haben, zumindest erinnert seine Form an einen Brettspielstein oder -kegel. Amüsement wird es also vielleicht auch gegeben haben.

Schmucke Älbler: Bronze- und Knochenfunde belegen, dass in Althayingen wohl durchaus wohlhabende Kelten lebten. Der Fund links
Schmucke Älbler: Bronze- und Knochenfunde belegen, dass in Althayingen wohl durchaus wohlhabende Kelten lebten. Der Fund links sieht aus wie ein Spielstein. Foto: Cordula Fischer
Schmucke Älbler: Bronze- und Knochenfunde belegen, dass in Althayingen wohl durchaus wohlhabende Kelten lebten. Der Fund links sieht aus wie ein Spielstein.
Foto: Cordula Fischer

Lindlohr war beeindruckt von der Anlage und den Erkenntnissen. »Die Entdeckungen in Althayingen werfen neues Licht auf die frühe keltische Geschichte der Region«, so Staatssekretärin Lindlohr. Die Arbeit der Denkmalpflege trage zum Verständnis der einstigen Siedlung bei. Die Grabungen in Althayingen gehören zu einem Langfristprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Kooperation mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern unter Beteiligung von Ehrenamtlichen.

Bei Althayingen hat es sich um eine monumentale Anlage gehandelt.
Bei Althayingen hat es sich um eine monumentale Anlage gehandelt. Foto: Cordula Fischer
Bei Althayingen hat es sich um eine monumentale Anlage gehandelt.
Foto: Cordula Fischer

In den kommenden zwei bis drei Jahren sollen die Grabungen mit gezielten Sondagen fortgeführt werden, um offene Fragen zu klären. Gibt es mehrere Zugänge zur Anlage auf dem Plateau? Wie sah die Anbindung ans Lautertal aus? Gibt es eine Außensiedlung, gründeten die Alb-Kelten ein neues Machtzentrum oder ist Althayingen der Heuneburg zugehörig, die nur 23 Kilometer entfernt liegt und mit Alter Burg, Großer Heuneburg und Althayingen eine Kette bildet? Verkehrstechnisch ist die Lage der Festungsanlage Althayingen auf jeden Fall perfekt gewesen: Sie thront über dem Lautertal, und die Alb-Kelten haben Flüsse wie hier die Lauter, bis in die Oberläufe als Verkehrswege genutzt.

Althayingen war mit mehreren Wällen und Gräben befestigt.
Althayingen war mit mehreren Wällen und Gräben befestigt. Foto: Cordula Fischer
Althayingen war mit mehreren Wällen und Gräben befestigt.
Foto: Cordula Fischer

Als Höhepunkt der Denkmalwoche findet der bundesweite Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, statt und steht in diesem Jahr unter dem Motto »Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte«. Die landesweite Eröffnung startet mit der Nacht des offenen Denkmals. Diese wird – in Anwesenheit von Ministerin Nicole Razavi – bereits am Vorabend ab 17 Uhr in der Johanniskirche in Schwäbisch Gmünd gefeiert. Auch hier in der Region gibt es viele Angebote und diverse Denkmale zu entdecken. (GEA)

Wohl Teil eines Pferdegeschirrs.
Wohl Teil eines Pferdegeschirrs. Foto: Cordula Fischer
Wohl Teil eines Pferdegeschirrs.
Foto: Cordula Fischer