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Gammertinger Erbschaft wandert in Unternehmensbeteiligung

Die Netze BW bietet Kommunen lukrative Beteiligungsmöglichkeiten. Gammertingen parkt hier Mittel aus der Erbschaft Michael Ott für fünf Jahre.

Gammertingen muss eine halbe Million Euro unterbringen.
Gammertingen muss eine halbe Million Euro unterbringen. Foto: Hildenbrand/dpa
Gammertingen muss eine halbe Million Euro unterbringen.
Foto: Hildenbrand/dpa

GAMMERTINGEN. Gammertingen hatte geerbt, und zwar die beträchtliche Summe von 500.000 Euro. Die Erbschaft Michael Ott ist zweckgebunden, der Erbin - der Stadt Gammertingen - wurde auferlegt, aus den Mitteln des Nachlasses »soweit technisch vertretbar im städtischen Hallenbad einen Whirlpool einzurichten« oder dem »Gemeinwohl dienende Einrichtungen« zu unterstützen. Das Tafelsilber wurde bisher nicht angetastet und ist solide angelegt auf jetzt 533.402 Euro angewachsen. Das Erbe hätte in den Bau der Stadthalle einfließen können, das Projekt ist aber zurzeit auf Eis gelegt. Oder nah am Stiftungszweck in die Modernisierung der Alb-Lauchert-Schwimmhalle, die ja bereits in der Umsetzung ist. Auch andere, dem »Gemeinwohl dienende Einrichtungen« könnten profitieren.

4,38 Prozent Verzinsung

Jetzt hat sich aber eine lukrative Möglichkeit ergeben, die halbe Million für fünf Jahre anzulegen. Der Gammertinger Gemeinderat musste sich mit der Frage beschäftigen, ob man die Erbschaft für eine gewisse Zeit parkt. »EnBW vernetzt«, die kommunale Beteiligungsgesellschaft der Netze BW, bietet Kommunen an, sich mit Einlagen zu beteiligen. Die Konditionen sind attraktiv, »EnBW vernetzt« sichert eine Verzinsung von 4,38 Prozent zu. Das liegt deutlich über den sonst realisierbaren Guthabenzinsen, deswegen begrenzt die Netze BW die Einlagenhöhe. Gammertingen könnte, Stand 2024, mit dem Maximalbetrag von 531.166 Euro einsteigen. Dieser Betrag richtet sich nach Größe der Kommune, Leitungsnetz und anderen Kriterien, im Fall Gammertingen passt die Obergröße perfekt aber zufällig zum Erbschaftsvermögen.

Im Oktober 2020 hatte sich der Gemeinderat noch gegen eine Beteiligung an der Netze BW ausgesprochen, schließlich ist die Stadt bereits Mehrheitseigentümer der Gammertinger Energie- und Wasserversorgung (GEW) mit eigenem Stromnetz. Mittlerweile hat sich das ein Stück weit geändert, die GEW hat ihr Stromnetz im vergangenen Mai an die Netze BW verkauft, da gibt es also keinen Interessenskonflikt mehr.

Ausgeben oder Anlegen

Für den Gemeinderat blieb also die Frage, ob das Geld aus dem Erbe angelegt oder beispielsweise direkt in die laufende Schwimmbadsanierung einfließen sollte. Die CDU-Fraktion stand der Anlage zuerst kritisch gegenüber. Die Beteiligung sei ein gutes Modell, sagte Fraktionssprecher Gerhard Jaudas. Aber angesichts der zahlreichen anstehenden Aufgaben sei es das falsche Signal, »wenig Geld auch noch anzulegen«. Die Beteiligung sei eine Chance, die Mittel seien aber etwa für das Schwimmbad, den Neubau des Pflegeheims St. Elisabeth oder für Kindergärten nötiger. Geld könne man anlegen, wenn man es übrig habe, meinte auch Jaudas Fraktionskollege Sebastian Dieminger.

Die Verwaltung und Bürgermeister Andreas Schmidt hatten den Vorschlag zur Beteiligung im Gemeinderat eingebracht. Aktuell sind 214 der 1101 politisch selbstständigen Kommunen im Land an der Netze BW beteiligt. Viele hätten die Beteiligung über Kredite finanziert, berichtete Stefan Dangel, Kommunalberater der Netze BW, der das Konzept zum zweiten Mal vorstellte. Mit der Beteiligung sind einige nicht monetäre Vorteile verbunden, insbesondere Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte. Und die zugesicherten 4,38 Prozent könne man sich sogar mit Schuldzinsen, die zurzeit für Kommunen bei etwa 3,3 Prozent liegen, sichern, wie Kämmerer Siegfried Hagg sagte. Selbst wenn man die halbe Million für die Beteiligung aufnehmen müsste, wäre es also immer noch ein Geschäft, sagte Rat Wolfgang Lieb für die Fraktion Gleiches Recht für Alle (GRfA). Er wolle auch nicht, dass das Erbe im laufenden Haushalt untergehe: »Noch brauchen wir das Geld nicht.«

Erklecklicher Gewinn

Aber das Geld ist ja da, wird zurzeit als Festgeld mit 3,6 Prozent verzinst. Die Zinsbindung läuft nächste Woche aus, Kämmerer Hagg geht davon aus, dass die Guthabenzinsen sinken werden, Zinsen für Kredite aber auch: Es sei daher kaufmännisch günstiger, Kredite für Projekte aufzunehmen, als auf die Zinserträge von der EnBW zu verzichten, meinte Lieb, Geschäftsführer eines größeren Bauunternehmens. Lieb wies auch darauf hin, dass angelegtes Geld nicht verloren sei, sondern von Banken als Sicherheit akzeptiert wird. »Die wissen ja, dass sie nach fünf Jahren darauf zugreifen können.«

Im Lauf dieser fünf Jahre erwirtschaftet die Beteiligung nach Steuern einen Gewinn von 94.795 Euro. Damit werde der Wert des Erbes inflationssicher erhalten, meinte Lieb. Die Sitzung wurde kurz unterbrochen, die CDU-Fraktion zog sich zur Beratung zurück. Und unterstützte dann doch den Beschluss zur Beteiligung. Der Beschlussvorschlag wurde auf Anregung von Hans Hübner von den Grünen dahingehend ergänzt, dass die Kapitalerträge entsprechend dem Geist der Erbschaft verwendet werden. Der Beschluss pro Beteiligung in Höhe von 531.166 Euro erfolgte dann einstimmig. (GEA)