GAMMERTINGEN. Über die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum hört man wenig Gutes. Wenn der Onkel Doktor in Ruhestand geht, findet sich selten ein Nachfolger, auch nicht für gut eingeführte Praxen. Als Einzelkämpfer ist die Arbeitsbelastung hoch, der bürokratische Aufwand ist enorm - Tendenz eher steigend - , dazu kommen die Investitionen in die Medizintechnik. Die Anstellung in einem Ärztezentrum oder einer Klinik ist attraktiv.
Dr. med. Johannes Pawlowski hat sich für den anderen Weg entschieden. Wenn alles wie geplant klappt, wird er ab Anfang Oktober Terminanfragen entgegennehmen und voraussichtlich am 4. November eine Hautarztpraxis in Gammertingen in der Sigmaringer Straße in den Räumen der ehemaligen Praxis von Dr. Kähny eröffnen. Warum eine Hautarztpraxis, warum in Gammertingen? Pawlowski stammt aus Unterhausen und es zog ihn nach Jahren in der Fremde zurück in die Heimat. Zuletzt war er Oberarzt an der Universitätsklinik in Mainz, der einzigen Universitätsklinik in Rheinland-Pfalz. Andere Stationen seiner Laufbahn führten den 34-Jährigen nach San Franzisko, im Sommer hält er Vorlesungen an der Harvard-Universität in Boston.
Versorgungslücke wird geschlossen
Die Hautarztpraxis »Albderma« wird von Grund auf neu aufgebaut. »Laut der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist es die erste Neugründung in Südwürttemberg seit zehn Jahren«, sagt Pawlowski. Er wird vorerst hier der einzige Arzt sein, denkt aber schon an die Zukunft. Seine Vision ist ein hautärztliches Zentrum, das die Hautarztlücke zwischen den Universitätskliniken in Tübingen, Ulm, Freiburg und Zürich schließt. »Die Kollegen und die KV waren schon etwas verwundert über die Neugründung«, sagt er.
Pawlowski sieht im Neustart die Chance, alles nach seinen Vorstellungen aufbauen zu können, ohne eingefahrene Routinen und Abläufe, mit denen man sich bei einer Praxisübernahme beschäftigen muss: »Mehr Verantwortung, aber auch mehr Freiheit.« Außerdem reizt ihn die neue und herausfordernde Aufgabe: Genehmigungen müssen eingeholt, Geräte gekauft und die Finanzierung sichergestellt werden. Mittlerweile sei das zumindest auf den Weg gebracht worden, gesucht wird noch Personal: Medizinische Fachangestellte, Sprechstundenhilfen, Empfangsmitarbeiter und Auszubildende. Wer sich für einen Job in einem innovativen Umfeld interessiert, findet Zugang über die bereits eingerichtete Webseite von Albderma.
Gezielte Behandlung und Pathologie
In der Dermatologie habe sich in den vergangenen Jahren einiges entwickelt, es habe zwei große Revolutionen gegeben, berichtet Pawlowski. Das reine Verabreichen von Salben und Cortison, im Falle von Hautkrebs Chemotherapie, sei vorbei. In Gammertingen werden unter anderem Lasertherapie und Sonografie angeboten werden oder auch Immuntherapie. Pawlowski wird ambulante chirurgische Eingriffe bei Hautkrebs durchführen können, die Vor- und Nachsorge bei der Krebsbehandlung gehört dazu.
Eine Besonderheit des Hautarztzentrums im Werden wird die Dermatopathologie. Auf diesem Feld, also der möglichst frühen Erkennung von Krebs und Krebsarten, hat Pawlowski gearbeitet und geforscht. »Mit dieser Qualifikation gibt es nur rund einhundert Ärzte in Deutschland«, sagt er. Für Patienten kann das lebensrettend sein: »Nach einer späten Diagnose Hautkrebs kann die Lebenserwartung nur noch sechs Monate betragen«, warnt er. Und Hautkrebs trifft alle Altersklassen. Sobald sich das Muttermal verändert oder Hautflecken auftreten sollte man unbedingt zum Arzt gehen, so sein Rat.
Für Gammertingen sei Pawlowski ein absoluter Glücksfall, sagt Bürgermeister Andreas Schmidt. Die Ärzteversorgung ist in der Region auch über Gammertingen hinaus ein Thema, Schmidt tauscht sich mit seinen Kollegen darüber aus, wie die Region hier gestärkt werden kann: »Da tut uns jeder Arzt gut«. Die Hautarztpraxis wird von der Stadt mit 15.000 Euro Ansiedlungsprämie unterstützt. Dass Pawlowski seine Praxis bald eröffnen wird, hat sich in Gammertingen bereits herumgesprochen, er werde laufend darauf angesprochen, erzählt der Bürgermeister. Und verspricht eine Eröffnungsfeier, wenn Dr. Pawlowskis Praxis bereit ist, ihre Pforten zu öffnen. (GEA)