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Aktuell Verwaltung

Das Ende der Aktenschränke in Gammertingen

Gammertingen stellt sich den Herausforderungen der Digitalisierung im Rathaus und im Netz

Elektronische Akten werden künftig auch in der Gammertinger Verwaltung die Papierberge abtragen helfen.  FOTO: PLEUL/DPA
Elektronische Akten werden künftig auch in der Gammertinger Verwaltung die Papierberge abtragen helfen. FOTO: PLEUL/DPA
Elektronische Akten werden künftig auch in der Gammertinger Verwaltung die Papierberge abtragen helfen. FOTO: PLEUL/DPA

GAMMERTINGEN. Die Gammertinger Verwaltung stellt sich grundlegend neu auf, Digitalisierung heißt das Zauberwort. Der scheidende Gemeinderat hat in seiner letzten Sitzung in der bisherigen Zusammensetzung noch ein umfassendes Paket auf den Weg gebracht. Dass die Neuerungen nicht erst vom neuen Rat angestoßen werden, hat seinen Grund in gesetzlichen Vorgaben: Die Webseiten und Apps der Kommunen müssen barrierefrei werden, das heißt, auch für Menschen mit Einschränkungen verständlich und einfach zu benutzen sein.

Die Deutsche Rentenversicherung schaut darauf, dass es mit der Barrierefreiheit auch klappt. In Gammertingen hapert es noch, beim Testen der Webseite mussten die Prüfer erfahren, dass zwölf von 15 Anforderungen derzeit noch nicht erfüllt werden, teilte Bürgermeister Andreas Schmidt dem Gemeinderat mit.

Beispielsweise tun sich Blinde mit Grafiken und Bildern naturgemäß schwer. Bei Texten gibt es Hilfen, »Screenreader« – Bildschirmleser – können sie verstehen und sie dann vorlesen. Grafiken müssen also Texte zur Seite gestellt werden, die der Screenreader dann vorlesen kann.

Internetauftritt à la Bitz

Was »leichte Sprache« bedeutet, hat sich zumindest teilweise herumgesprochen. Hier wird Amtsdeutsch in einfache und verständliche Sätze übersetzt, eine Hilfe für alle, die sich aus welchem Grund auch immer mit der deutschen Sprache schwertun. Netter Nebeneffekt: Leichte Sprache hilft auch denen, die Goethes Faust verstehen, die dritte Durchführungsverordnung zum Paragrafen XY aber nicht. Leichte Sprache gibt es auf der Gammertinger Webseite bisher noch nicht, hat die Rentenversicherung unter anderem kritisiert.

Am Gammertinger Internetauftritt hat sich seit 2018 nichts oder wenig geändert, eine Aktualisierung lohnt nicht, die Seite wird deswegen komplett neu aufgesetzt. Die Verwaltung hat sich nach Anbietern umgesehen und ist dabei auf eine interessante Alternative gestoßen: Es gibt den »Förderverein für regionale Entwicklung – Azubi-Projekte«, der öffentliche Einrichtungen bei der Neuausrichtung ihres Internetauftritts unterstützt. Und das kostenlos, der Verein finanziert sich durch Spenden und Fördermittel. Die eigentliche Arbeit übernehmen kostengünstig Auszubildende und Studierende im Rahmen ihrer Ausbildung. Die Gestaltung und Programmierung der Webseite kostet die Stadt also erstmal nichts, 2.570 Euro kostet die Schnittstelle zur E-Gouverment-Plattform des Landes Service-bw. 285,60 Euro werden dann jährlich für die Wartung fällig, 17,85 Euro monatlich für die Unterbringung der Daten auf einem Cloud-Server sowie 357 Euro jährlich für das Service-bw-Angebot. Insgesamt sehr überschaubare Kosten, meinte Schmidt.

Seine Mannschaft muss aber einiges zuliefern, etwa fürs Texten der Beiträge, die künftig auf www.gammertingen.de zu sehen sein werden. Die Verwaltung will möglichst viel in Eigenleistung erstellen, einen Puffer für Hilfe von außen hat Schmidt sich aber gewünscht. Mit neuen Bildern und Filmen rechnet er mit Gesamtkosten von 20.000 Euro, der Gemeinderat hielt das für vertretbar und stimmte zu.

Neues Stadtlogo

Bevor es mit der Programmierung losgeht, werden die Bürger gefragt. Die Verwaltung bereitet einen Workshop vor, in dem dann Wünsche und Ideen eingebracht werden können – die Einladung dazu wird in einem der kommenden Amtsblätter erscheinen.

Wenn schon ein neuer Auftritt, dann auch mit neuem Logo. Dazu haben dem Bürgermeister vier Agenturen und die Web-Designer geraten. Über den Sommer werden Vorschläge erarbeitet, über das neue Gammertinger Wahrzeichen im Netz und im Schriftverkehr wird dann der neue Stadtrat im Herbst entscheiden, bis dahin soll auch der neue Internetauftritt online gehen können. Wer sich ansehen will, wie der aussehen könnte: Die Webseite der Nachbargemeinde Bitz wurde als Azubi-Projekt kostenlos erstellt.

Mit dem neuen Anstrich im Internet ist es nicht getan. Dass Deutschland sich mit der Entbürokratisierung schwer tut, ist bekannt, dass Nachwuchs auch für die öffentliche Verwaltung immer schwerer zu finden ist, auch. Um mit der steigenden Arbeitslast klarzukommen, organisiert sich die Verwaltung neu.

Aktenberge sollen der Vergangenheit angehören, Dokumente werden künftig als e-Akten verschickt. Die Verwaltung hat sich mehrere Dokumenten-Managementsysteme angeschaut, die Wahl viel auf die Cloud E-Akte von Komm.One, einer Anstalt öffentlichen Rechts. Über Komm.One konnte man beispielsweise am 9. Juni laufend die Kommunalwahlergebnisse verfolgen. Komm.One ist also bekannt und im Vergleich zu anderen Anbietern günstig. 3.720 Euro kostet das System, 4.360 Euro jährlich der laufende Betrieb.

Sofa statt Gang aufs Rathaus

Mit dem System können Bürger immer mehr Verwaltungsdienstleistungen online in Anspruch nehmen. Daran kommt Gammertingen nicht vorbei, das »Online-Zugangsgesetz« schreibt vor, dass künftig »Behördengänge« vom Sofa aus erledigt werden können.

Gesetz ist auch die E-Rechnungspflicht. Die klassische Papierrechnung soll nach und nach verschwinden, so will es das Wachstumschancengesetz. Mit der Rechnung per Datei wird auch der Arbeitsaufwand in der Verwaltung geringer, hofft Schmidt, und so die Anschaffung gerechtfertigt. Das papierlose Rechnungswesen wird die Kommune 23.889 Euro kosten – plus Schulung, Installation sowie Wartung und Support im laufenden Betrieb. (GEA)