ENGSTINGEN. Pfeifend und schnaufend fuhr der erste Dampfzug aus Richtung Trochtelfingen ein, kurze Zeit später nahte bereits ein zweiter aus Richtung Münsingen heran. Unter ihnen die Zahnrad-Dampflokomotive 97 501 »Paula«, die an diesem Sonntag ihr 100. Jubiläum feiern konnte. Sie war eigens für die anstehenden Feierlichkeiten am Samstag von ihrem Standort am Reutlinger Westbahnhof nach Münsingen überführt worden. Früher waren das nur 34,5 Kilometer gewesen. Doch ihre alte Stammstrecke von Reutlingen über Pfullingen und Honau nach Engstingen existiert nicht mehr, und so musste ein rund 100 Kilometer langer Weg über Plochingen, Geislingen und Schelklingen auf die Alb in Kauf genommen werden. Unterwegs mussten dreimal Wasser gefasst und schnellere Züge vorbeigelassen werden.
Am Sonntag kam »Paula« dann auf der Strecke zwischen Münsingen und Trochtelfingen zum Einsatz. Parallel dazu war auch die Dampflok T3 der Schwäbischen Alb-Bahn (SAB) unterwegs. Sie und »Paula« sind laut Uli Ruopp von der SAB noch die einzigen betriebsfähigen Normalspur-Dampfloks als »Überbleibsel der Württembergischen Staatsbahn«. Großer Bahnhof herrschte am Sonntagnachmittag, als sich beide Loks mit kräftigem Schnaufen und Pfeifen begegneten. Viele Zuschauer hatten sich zu diesem einzigartigen Anlass in Engstingen eingefunden, darunter auch zahlreiche Eisenbahnfreunde aus ganz Deutschland. Laut Uli Ruopp erreichten die SAB schon die ganze Woche von überall her Anfragen nach Tickets für diese Sonderfahrten, zwischen 1.500 und 2.000 Passagiere wurden mit den beiden Dampfzügen hin und her chauffiert.
»Die Begeisterung für Dampfloks ist bei allen Generationen deutlich spürbar.«
»Die Begeisterung für Dampfloks ist bei allen Generationen deutlich spürbar«, hat Dieter Reichhold bei den Fahrgästen bemerkt. Gemeinsam mit Uli Ruopp und Michael Ulbricht von der Zahnradbahn Honau-Lichtenstein hat Reichhold Fotos in einem rund 26 Meter langen Fahrradgepäckwagen auf dem Engstinger Bahnhof ausgestellt. Mit ihnen durfte bis ins frühe 20. Eisenbahn-Jahrhundert zurückgereist werden, sie gaben Einblicke in die letzten 130 Jahre der Strecke Honau-Engstingen-Münsingen, thematisierten das 100-jährige Bestehen der Zahnradlok »Paula« und das Jubiläum 20 Jahre SAB-Verein.
Uli Ruopp war Gründungsmitglied und berichtete gerne über die Anfänge der Schwäbischen Alb-Bahn. »Ganz klein, mit nur wenigen Leuten. Uns ging es zunächst nur darum, die Strecke zwischen Schelklingen und Engstingen zu retten. Eine Strecke kann man aber nur erhalten, wenn was darauf fährt.« Nach und nach nahm der Verkehr hier Fahrt auf, nicht nur für Freizeitfahren, sondern auch für den Regelbetrieb. Die Fahrzeuge der SAB werden seit dem Bau des Lokschuppens in Münsingen im Jahr 2010 in Stand gehalten. Rund 250 Mitglieder gehören heute – nach 20 Jahren – der SAB an. Für den Verein ein guter Grund zu feiern. Und was wäre dazu besser geeignet gewesen, als mit einem stilreinen »Donnerbüchsenzug« aus den 1930er-Jahren. Eisenbahnfreunde kamen hier voll auf ihre Kosten und auch das leibliche Wohl kam auf den Bahnhöfen in Münsingen, Engstingen, Kohlstetten und Honau nicht zu kurz. (GEA)