PFULLINGEN. Vor acht Jahren hatte Comiczeichner Sascha Hommer (Jahrgang 1979) das Märchen »Das kalte Herz« von Wilhelm Hauff als Hörbuch kennengelernt. »Die Geschichte hat mich begeistert«, sagte er am Samstag, als die VHS Pfullingen in Kooperation mit dem Hauff-Museum in Honau rund 25 Gäste in Pfullingen begrüßen konnte.
Museumsleiterin Jutta Kraak erinnerte an ihre Veranstaltung im Herbst 2023, als Hommer sein Projekt, »Das kalte Herz« in einen Comic zu übertragen, vorgestellt hatte. Jetzt ist das rund 160 starke Werk fertig und bietet die 1828 veröffentlichte Geschichte in einer neuartigen Form. »An einigen Stellen habe ich die Sprache modernisiert, aus dem ursprünglichen Glasmännlein wurde ein Glasweiblein und Lisbeth, die Freundin der Hauptperson Peter, bekam eine wichtigere Rolle«, berichtete Hommer über seine Arbeit. Aber ansonsten habe er den altertümlichen Charme des fast 200 Jahre alten Märchens erhalten wollen und dazu eine zurückhaltende Farbigkeit, basierend auf einem Olivgrün, eingesetzt.
Pakt mit dem Teufel
In der Geschichte versucht der arme Köhlerjunge Peter Munk mithilfe des hinterlistigen Holländermichel zu Reichtum zu gelangen. Er schafft dies auch, doch der Preis ist hoch. Peter verkauft sein Herz und verliert auch seine große Liebe Lisbeth. Doch es gibt auch eine gute Macht, das Glasmännlein, das alles Üble wieder rückgängig werden lässt. Am Ende hat Peter viel daraus gelernt. »In der Geschichte steckt allerdings mehr als eine einfache Botschaft«, so Hommer. »Sie hat bei näherem Hinsehen viele verschiedene Ebenen.« Zeittypisch für die Epoche der Romantik, in der auch Goethes »Faust« entstand, sei der riskante »Pakt mit dem Teufel«.
Unter anderem, ergänzte Jutta Kraak, gehe es auch um die profitorientierte, radikale Zerstörung der Natur. Der Nordschwarzwald wurde damals abgeholzt, die Stämme verkaufte man nach Holland. Um alles schnell wieder aufzuforsten, startete damit auch die Monokultur der Fichte.
Pro Seite drei Tage
Dass das Märchen, Teil der Erzählung »Das Wirtshaus im Spessart«, im Schwarzwald spielt, habe ihn sehr angesprochen, so Hommer, denn als Kind sei der Hochschwarzwald seine Heimat gewesen. Für den Comic habe er sich auch mit Leben der Köhler, Glasbläser und Flößer sowie deren historischer bildlicher Darstellung und auch mit früheren Verfilmungen des Märchens befasst. Er schrieb den Märchentext komplett ab, entwarf seine Figuren und erstellte ein Storyboard, das die Bilder auf jeder Seite festlegt. Erst zum Schluss wurden die Texte eingefügt. Drei Tage benötigt jede Seite. Unter seinen Büchern sei »Das kalte Herz« das erste in Farbe. Wie die vielen Fragen aus dem Publikum zeigten, interessierte es sich sehr für den Schaffensprozess.
In seiner Lesung zeigte Hommer die gezeichneten Bilder und unterlegte sie mit Musik, sodass fast ein Film abzulaufen schien. »Durch einen Comic kann man die komplexe Situation schnell erfassen«, sagte Hommer. Schon als Kind und Asterix-Fan habe er viel gezeichnet, gründete eine illustrierte Schulzeitschrift und wurde später Student bei Anke Feuchtenberger, Professorin für Zeichnen und Grafische Erzählung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Heute lehrt er selbst an der Kunsthochschule Kassel, unterrichtet auch Kinder und veranstaltet Workshops in der ganzen Welt. 2005 gründete Hommer das Comicfestival Hamburg, für das er bis heute tätig ist.
Comic als Literaturform
»In Deutschland wird der Comic erst seit zehn Jahren als Literaturform verstanden«, erläuterte er. Auftrieb habe beispielsweise das internationale Comicfestival in Fumetto (Schweiz) gegeben. In den 1990er Jahren kamen japanische Manga-Comics auf den deutschen Markt. Während sich beispielsweise die Hefte von Rolf Kauka mehr an Kinder gerichtet hatten, thematisierten Comics seitdem auch Politisches. (GEA)