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Unterrichten, wo der Pfeffer wächst

ENINGEN/ANTSIRABE. Madagaskar - aus dem Matrosenlied bekannt, dessen Produkte wie Pfeffer, Vanille oder Kaffee jeder konsumiert und dessen Pflanzen- und Tierwelt ihresgleichen sucht: Was dieses Land wirklich ausmacht und welche kulturelle Vielfalt es dort zu entdecken gibt, dem wollten drei 22 und 23 Jahre alten Absolventen der ESB Reutlingen - Manuel Bender (Stuttgart), Andreas Käshammer aus Engstingen und Jakob Kalbfell aus Eningen - nachspüren.

In wärmeren Gefilden und im Kreis von Madagassen - die ehrenamtlichen Dozenten.  
FOTOS: PR
In wärmeren Gefilden und im Kreis von Madagassen - die ehrenamtlichen Dozenten. FOTOS: PR
In wärmeren Gefilden und im Kreis von Madagassen - die ehrenamtlichen Dozenten. FOTOS: PR
Jedoch sind sie nicht als Touristen, sondern als ehrenamtliche Dozenten dort hingefahren, an die École Supérieure Spécialisée du Vakinankaratra (ESSVA) in Antsirabe im Hochland Madagaskars. Und dort begrüßte sie - nach langem Flug - der Rektor der Fachhochschule, Alain Rabarijaona. Den drei Besuchern kam er am Flughafen freudig entgegen, denn durch seine frühere Tätigkeit als Vikar in Eningen und Reutlingen sind ihm die Neuankömmlinge wohlbekannt.

In Reihen auf dem Hof

»Montagmorgens um 7.45 Uhr beginnt die neue Woche an der Fachhochschule. Die Studenten stehen in der Schuluniform - schwarze Hose, gelbes Hemd und grüne Krawatte - in Reihen auf dem Hof und beginnen den Unterricht mit gemeinsamem Singen der madagassischen Nationalhymne. Kaum sind die letzten Töne verklungen, tritt der Rektor vor die Studenten, begrüßt sie, verkündet anstehende Termine und wünscht eine lehrreiche und gute Studienwoche«, so erzählen sie von ihrem Arbeitsantritt.

Danach gehe es zum allmorgendlichen Kaffee, den Alain Rabarijaona mit den schwäbischen Worten: »Ha, des schmeckt oifach«, genieße. Nicht nur den schwäbischen Dialekt, sondern auch viele andere Dinge habe er während seines zehnjährigen Aufenthaltes im Schwäbischen kennen- und liebengelernt.

1998 war Rabarijaona nach Deutschland gekommen, um seine Doktorarbeit in Theologie an der Universität Tübingen zu schreiben - ohne zuvor schon Kenntnisse der deutschen Sprache gehabt zu haben, fanden die drei Madagaskarbesucher heraus: »Der Kontakt mit den Menschen im Rahmen meiner Tätigkeit als Vikar für die Kirchengemeinden St. Wolfgang in Reutlingen und Zu unserer lieben Frau in Eningen hat mir jedoch schnell über diese Hürde geholfen. Durch die vielen gemeinsamen Veranstaltungen habe ich schnell Anschluss gefunden. Daraus haben sich viele lang anhaltende Freundschaften entwickelt«, erzählt Dr. Rabarijaona rückblickend.

Der Abschied im Januar 2008 war deshalb schwer für ihn, auch wenn die Rückkehr nach Madagaskar für ihn gleichzeitig eine neue Herausforderung bedeutete, da er die Position des Rektors der im Jahr 1998 gegründeten privaten Fachhochschule in Antsirabe übernahm.

Die ESSVA bietet sechs verschiedene Studiengänge an, allesamt auf die speziellen Bedürfnisse der Bewohner der viertgrößten Insel der Welt zugeschnitten. Deswegen können sich die Studenten in den Studiengängen Ökotourismus, Management (BWL), Kommunikation, Pädagogik, Elektromechanik oder Hotellerie-Gastronomie einschreiben.

Eine Herausforderung

»Die ESSVA ist eine ausgezeichnete Hochschule, für ihre fundierte Ausbildung in Madagaskar sehr bekannt und dafür geschätzt«, meint Dr. Yvan Randriansandratriniony, der Präsident des madagassischen Senats. Die internationale Ausrichtung der Fachhochschule, die von einer schweizerischen Stiftung getragen wird und mit zahlreichen Partnern und Lehrkräften aus Europa kooperiert, ist ein weiteres Erkennungsmerkmal.

Für die drei Deutschen ist ihre Aufgabe eine Herausforderung: Nachdem sie im Juli 2008 an der Hochschule Reutlingen ihren Abschluss im Fach »Außenwirtschaft« erlangt haben, war klar, dass es schnell wieder in die Ferne gehen wird.

»Die Internationalität ist schließlich nicht nur eine Floskel, die uns im Studium beigebracht wurde. Über den eigenen Tellerrand zu schauen und fremde Kulturen zu erleben ist ein Teil unseres Lebens geworden,« sagt Jakob Kalbfell und sein Kommilitone Manuel Bender fügt hinzu: »Auch unser eigenes Wissen, unsere Erfahrung und unsere Kultur weitergeben zu können ist für uns eine großartige Sache, dass dies dann noch in einem völlig anderen Kulturkreis geschieht, gestaltet die ganze Sache natürlich extrem interessant«.

Für drei Monate gilt es nun, das in Deutschland Erlernte den madagassischen Studenten näherzubringen. Wobei Alain Rabarijaona von den drei Deutschen vor allem erwartet, dass sie die deutsche Arbeitsweise fördern: »In Sachen Disziplin und Ehrgeiz sind die Deutschen einfach Vorbilder, wir Madagassen können hier noch viel lernen.«

Hilfsbereite Menschen

In den Vorlesungen auf Deutsch, Englisch und Französisch in den Studiengängen Ökotourismus, Management und Kommunikation gibt es für die drei viel zu erleben: »Die Studenten hier sind sehr lebhaft, manchmal muss man eingreifen, um für Ruhe zu sorgen. Jedoch sind sie - wie alle Madagassen - überaus nette, fröhliche und hilfsbereite Menschen,« meint Andreas Käshammer.

Madagaskar ist ein Entwicklungsland, in dem 45 Prozent der Bevölkerung jünger als 14 Jahre sind. Das durchschnittlich jährliche Einkommen der 19,5 Millionen Madagassen liegt bei 600 Euro. Trotz der herrschenden Armut legten sie eine ansteckende Lebensfreude an den Tag. Beeindruckend sei vor allem die Kreativität der Kleinsten in den ländlichen Regionen der ehemaligen französischen Kolonie.

Allzu viel freie Zeit bleibt Bender, Kalbfell und Käshammer nicht, denn neben der akademischen Ausbildung arbeiten sie an einem Internetauftritt der Fachhochschule, einem Bewertungssystem zur weiteren Verbesserung der Qualität der Ausbildung und stehen der Hochschulleitung mit Rat und Tat zur Seite: »Es ist eine Menge Arbeit«, so Kalbfell, »macht aber auch eine Menge Spaß«. (GEA)