PFULLINGEN. Ist der Weltfrauentag am 8. März, eingeklemmt zwischen Valentinstag und Muttertag, nur ein weiterer Anlass ein paar Blumen zu verschenken und den Frauen zu danken, um danach weiterzumachen, wie bisher? GEA-Redakteur*innen haben am Freitag auf den Pfullinger Marktplatz Frauen gefragt, was sie von diesem Tag halten.
»Ich persönlich brauche den Frauentag nicht«, sagt Ilse Talmon-Gros. Die 79-Jährige bezeichnet sich selbst als eine emanzipierte Frau. »Ich weiß, was ich will, und hole es mir auch.« Die Rentnerin findet es aber trotzdem wichtig, dass der 8. März der Weltfrauentag ist. Vor allem für die jungen Mädchen und Frauen: »Die können vielleicht noch nicht so für sich einstehen, einfach aufgrund ihres Alters.« Da sei es wichtig, »dass es einen solchen Tag gibt«, der Themen, wie beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau, in den Fokus rücke. Egal, ob es um die Bezahlung oder auch um die Bildung gehe: »Niemand sollte aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden.«
Gleichberechtigung auf Knopfdruck
Kristina Warkentin sieht das genauso. Sie braucht dafür aber keinen eigenen Tag. »Man sollte sich immer wieder Gedanken über Themen wie die Gleichberechtigung machen und nicht nur zu einem bestimmten Datum und das dann auf Knopfdruck.« Auch darüber, was es bedeute, heutzutage eine Frau zu sein, solle jeder nachdenken. Vor allem stört die 35-Jährige aber, dass der Frauentag so kommerzialisiert wird. »Überall gibt es Blumen und Schokolade zu kaufen, das hat gar nichts mit dem Tag zu tun.« Seit wann der 8. März auch Weltfrauentag ist, weiß Warkentin nicht, nimmt sich aber vor, dessen Herkunft in Ruhe zu recherchieren.

Eine, die vom Weltfrauentag gar nichts hält, ist Karin Heinlin. Es gebe schließlich auch keinen Männertag. Für Heinlin ist klar: »Jeder Tag ist ein Frauentag, wie auch jeder Tag ein Männertag ist«, sagt die 72-Jährige. Damit sei für sie die Frage, ob der Weltfrauentag noch zeitgemäß sei, hinfällig. Ihre klare Antwort: »Nein.«
Wertschätzung an jedem Tag
In einer Sache kann Sibel Isleyem ihr zustimmen: Jeder Tag sollte ein Frauentag sein. »Das ist für mich persönlich viel wichtiger als der eine Tag im März.« Beim Valentinstag sieht sie das genauso. »An jedem Tag im Jahr sollte die Frau Wertschätzung erleben«, sagt die 33-Jährige. Jeden Tag sollte sich daher auch mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau beschäftigt werden. Vor allem das Thema Gehalt findet Isleyem wichtig: »Frauen sollten für die gleiche Arbeit auch gleich viel verdienen wie die Männer «, ist ihre klare Meinung.
Es ist gut, dass es den Weltfrauentag gibt, sind sich Sybille Landenberger (76), Felicitas Vogel (72) und Ursula Weiß (74) einig. »Mir ist bewusst, dass wir hier in einer heilen Blase leben, vor allem in Pfullingen, in der wir viele Rechte besitzen«, sagt Vogel. »Auf der Welt gibt es aber zahlreiche Frauen, die dieses Umfeld nicht haben und da ist ein Tag, der auf die Diskriminierung aufmerksam macht, wichtig.« Landenberger und Weiß nicken zustimmend: »Pfullingen hat schon immer starke Frauen gehabt. Das sieht man ja am Frauenaufstand«, ergänzt Landenberger. Sie würde es nicht stören, wenn daher eben diese Frauen namentlich auf der Stele vor dem Rathaus genannt würden, fügt die 76-Jährige schmunzelnd hinzu.
Weltweit etwas tun
Die drei Frauen sind sich einig, dass sie in ihrer persönlichen Gleichberechtigung sehr weit sind. Dass sich in der Sache weltweit etwas tun muss, ist ihnen aber auch klar. »Wir können von unserer Blase nicht auf die ganze Weltgesellschaft schließen«, sagt Vogel. Sie kommen schnell auf das Thema Beruf zu sprechen und finden alle, dass Frauen genauso gut und viel schaffen wie Männer. »Sie können sogar besser sein«, fügen die Seniorinnen mit einem Augenzwinkern an. Egal ob beim wöchentlichen Badmintonspielen oder dem monatlichen Treffen: Landenberger, Vogel und Weiß wollen die Frauen in ihrem Leben nicht missen und sind froh um sie. »Ich gehe jetzt auch am Wochenende zur Frauenwanderung des Schwäbischen Albvereins«, sagt Weiß. »Darauf freue ich mich schon sehr.«
Bei Stefanie Herrmann (31) und Saskia Reck (32) hat sich der Weltfrauentag eingebrannt. Das Thema Emanzipation begegne ihnen immer wieder im Alltag. Deshalb sei der Tag selbstverständlich wichtig. »Frauen haben viele Aufgaben, das wird gerne vergessen.« Der Tag lenke etwas Aufmerksamkeit auf die Frauen. In ihrem privaten Umfeld, sagen die Versicherungs- und die Industriekauffrau, hätten sie keine Probleme. Sie halten aber vor allem auch die Unterstützung von Müttern für wichtig. Wenn der Mann nicht genug verdiene, sei etwa das Elterngeld knapp, wenn sich die Frauen um die Kinder kümmern und nicht mehr arbeiten gehen könnten. Veranstaltungen zum Weltfrauentag besuchen sie heute nicht, auch, wie sie sagen, weil sie von keinen wissen. Auch das müsse sich ändern.
Frauen unterrepräsentiert
Sieglinde Schairer (65) hält den Weltfrauentag für wichtig, »weil die Gleichberechtigung immer noch nicht erreicht ist«. Auch in den Parlamenten, betont sie. Traurig sei’s, sagt sie, wenn sie auf die Parteilisten bei der vergangenen Bundestagswahl blickt und feststellen muss, dass in vielen Fällen Frauen unterrepräsentiert waren oder auf solchen Listenplätzen standen, auf denen sie keine Chance hatten. Sie sagt aber auch: »Frauen müssen dann die Kandidatinnen auch wählen.« Für sie ist wichtig, dass »Frauen selbst entscheiden können, ob sie arbeiten wollen oder nicht«. Das dürfe keine Frage der Kinderbetreuung oder der Bezahlung sein. Für diese Entscheidungsfreiheit müsse man die Voraussetzungen schaffen.
Anderseits sollten sich Frauen auch selbst darum kümmern, in der Gesellschaft sichtbarer zu werden und für ihre Politik einstehen, findet Schairer. Dass sich Politik und Gesellschaft nur langsam bewegen, macht die ehemalige Gewerkschaftssekretärin und langjährige Betreiberin von Schairers’s Esskultur an einem Beispiel deutlich: 1982 habe die Gewerkschaft ihre erste Bundesfrauenkonferenz organisiert. Die Forderungen von damals, wie etwa gleiche Bezahlung, seien heute noch dieselben. Der Weltfrauentag sei wichtig, um die Diskussion immer wieder in die Köpfe zu bekommen.
Julia Klingenstein (36) weiß, dass heute der Weltfrauentag ist, weil für sie das Thema Emanzipation wichtig ist. Gerade auch mit Blick auf ihre kleine Tochter und deren Zukunft. In ihren Augen sollte viel mehr aufgeklärt werden, etwa über den Gender Pay Gap, also darüber, dass Frauen in den gleichen Positionen häufig weniger verdienen als Männer. Julia Klingenstein spricht auch die Kindererziehung an. Oft sei es selbstverständlich, dass diese von den Frauen übernommen werde. Der Tag unterstütze die Diskussion über die Emanzipation. Allerdings dürfe es nicht dabei bleiben, seine Mutter sollte man ja auch nicht nur am Muttertag ehren: »Das sollte man jeden Tag leben.« Es komme immer mal wieder vor, dass man als Frau in die Ecke gedrängt werde. Sie selbst lasse sich aber nicht einschränken, erklärt sie. (GEA)
Weltfrauentag
Der Weltfrauentag soll weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam machen. Der Tag soll die bisherigen Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung feiern und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf immer noch bestehende Diskriminierungen und Ungleichheiten richten. Und er will dazu ermutigen, so steht es auf der Seite der Landeszentrale für Politische Bildung, sich für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Deutschland gehört zum kleinen Kreis derjenigen Länder, in denen der Internationale Frauentag bereits in den ersten Jahren nach seiner Einführung im Jahr 1911 begangen wurde. Eine entscheidende Rolle spielten dabei die deutschen Sozialdemokratinnen Clara Zetkin und Käte Duncker, die damals mitverantwortlich dafür waren, den Weltfrauentag offiziell ins Leben zu rufen. Seit 1921 wird der Tag jedes Jahr am 8. März begangen. (GEA)