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Täglich auf den Heimtrainer

PFULLINGEN. »Ich habe sparsam, einfach und oft ärmlich gelebt.« Für Herta Oeser, geborene Kleinfeldt, ist das das Rezept zum Altwerden. Heute feiert sie ihren 105. Geburtstag. Und ist erstaunlich fit geblieben. Natürlich plagen sie die üblichen Alterswehwehchen: Sie kann schlecht sehen, schlecht hören und ist beim Laufen auf den Rollator angewiesen. Doch sie tut alles, um körperlich und geistig fit zu bleiben und das ist ihr in erstaunlichem Maße gelungen.

Radfahren: Herta Oeser hält sich auch mit 105 Jahren noch fit.  FOTO: KABLAOUI
Radfahren: Herta Oeser hält sich auch mit 105 Jahren noch fit. Foto: Magdalena Kablaoui
Radfahren: Herta Oeser hält sich auch mit 105 Jahren noch fit.
Foto: Magdalena Kablaoui
Möglichst jeden Tag steigt sie die Kellertreppe hinunter, setzt sich auf ihren Heimtrainer und radelt zwei Kilometer. Da sie wegen ihrer Sehschwäche die Kilometeranzeige nicht entziffern kann, zählt sie bis 340. Dann hat sie zwei Kilometer geschafft. »Das geht sehr gut«, freut sie sich, »die Beine funktionieren.«

»Ich bin froh, dass ich nicht mehr in Reutlingen wohne«
Ganz erstaunlich ist ihr Gedächtnis. Telefonnummern, Kontonummern - alles kann sie im Kopf behalten. Das müsse sie, weil sie ja kaum noch etwas lesen könne, höchstens mit Lupe, erklärt die rüstige Pfullingerin, die die älteste Einwohnerin der Stadt ist - aber nicht die älteste im Kreis Reutlingen. Das ist Gottliebin Waskow, die am 9. April in Seeburg ihren 107. Geburtstag feiern konnte.

Frau Oeser löst auch gerne Sudoku-Rätsel, informiert sich im Radio über Politik und Tagesthemen. Zeitung kann sie nicht mehr lesen, bedauert sie. Dennoch hat sie den GEA jetzt wieder abonniert: Tochter Liselotte liest ihr daraus vor.

Geboren ist Herta Oeser in Reutlingen. Ihr Vater war Direktor des Reutlinger Gas- und Wasserwerks, starb aber schon, als die jüngste Tochter vier Jahre alt war. Als Kind sei sie froh gewesen, wenn man genügend Brot gehabt hätte, schildert sie die Zeit um den ersten Weltkrieg. Später arbeitete sie beim Finanzamt und in der "Anner Nähfadenfabrik.

1935 heiratete sie den Ingenieur Werner Oeser, mit dem sie fast zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen lebte. Hier wurden auch die beiden Töchter geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand ihr Mann eine Anstellung am Technikum in Reutlingen, wurde später Professor.

Vor genau 50 Jahren baute die Familie in Pfullingen ein Haus. Ein Schritt, den Herta Oeser nie bereute. »Ich bin froh, dass ich nicht mehr in Reutlingen wohne«, erklärt sie und beklagt, dass die Stadt so verbaut wurde. Angefangen vom Rathausneubau sei es nun »eine der hässlichsten Städte, die ich kenne«. In Pfullingen dagegen sei die Umgebung sehr schön. »Die Leute hier sind so nett, so zuvorkommend«.

»Das Reisen hat mich jung gehalten«
Gewandert ist die Seniorin viel. Noch lieber jedoch verreist. Mehrere Male war sie in Ägypten, in den USA und auf Spitzbergen. Sie hat China, Kanada, Tunesien und das damals noch kommunistische Usbekistan besucht. Auf die Azoren würde sie gerne noch einmal reisen, aber das traut sie sich nicht mehr zu. Ihren 101. Geburtstag hat sie noch auf Teneriffa erlebt, danach musste sie wegen ihrer Gehprobleme das Reisen aufgeben. Das Reisen und die Eindrücke, die sie dabei gesammelt habe, hätten sie jung gehalten, so Oeser. Stets hat sie ihr Reiseland genau studiert. In Ägypten, schwärmt sie, konnte man noch überall hin, wurde nicht mit Bussen angekarrt. Ihre Reiselust hat Tochter Liselotte geerbt. Wenn die von ihren Reisen zurückkommt, gibt es einen regen Austausch.

»Ich esse jeden Tag fünf oder sechs Äpfel«
Ihren Geburtstag feiert Herta Oeser in kleinem Kreis mit den beiden Töchtern und dem Schwiegersohn. Einen Wunsch hat sie noch: Das Lied des Postillions von Lonjumeau würde die früher so begeisterte Besucherin des Stuttgarter Theaters gerne noch einmal im Radio hören. Aber nur gesungen von Josef Traxel. Diesen Wunsch erfüllte ihr nun Bürgermeister Rudolf Heß, der SWF 2 gebeten hat, dieses Lied für die Jubilarin zu senden.

Und zum Schluss fällt der heute 105-Jährigen doch noch ein Rezept ein, auf das man ihre gute Gesundheit zurückführen könnte. Viel Obst habe sie gegessen, vor allem Äpfel: »Aber nicht einen, sondern gleich fünf oder sechs.« (GEA)