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Stimme von James Joyce ist in Pfullingen zu hören

In der Reihe »Große Stimmen bei Neske« waren am Sonntag in der Neske-Bibliothek Pfullingen Originalaufnahmen des irischen Autors James Joyce zu hören, der als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne gilt.

Bibliotheksleiterin Felicitas Vogel gab eine Einführung zu den Sprechplatten und dem Werk von James Joyce.
Bibliotheksleiterin Felicitas Vogel gab eine Einführung zu den Sprechplatten und dem Werk von James Joyce. Foto: Gabriele Böhm
Bibliotheksleiterin Felicitas Vogel gab eine Einführung zu den Sprechplatten und dem Werk von James Joyce.
Foto: Gabriele Böhm

PFULLINGEN. Seine Stimme klingt männlich-tief, mit einem rollenden R, die Satzmelodie in einem gälisch-keltischen Singsang. 15 Gäste in der Neske-Bibliothek lauschten am Sonntag fasziniert einer digitalisierten Originalaufnahme des Schriftstellers James Joyce (1882 bis 1941), die der Pfullinger Verleger Günther Neske in den 1950er-Jahren auf einer Schallplatte veröffentlicht hatte. James Joyce gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne.

Ein Gespür für Wichtiges

Neske habe, so Bibliotheksleiterin Felicitas Vogel, ein Gespür dafür gehabt, was wichtig sei und viele für seine Sprechplatten gewinnen können. Entstanden sind einzigartige Zeugnisse. James Joyce las Taylors Rede aus der Aeolus-Episode von »Ulysses« und den Schluss des Kapitels »Anna Livia Plurabelle« aus »Finnegans Wake«, wobei die Gäste anschließend einräumten, zwar einzelne Worte, aber keine ganzen Sätze verstanden zu haben. Begrüßt wurden deshalb auch die Kapitel, die Gert Westphal aus beiden Werken auf Deutsch vortrug.

Der Roman »Ulysses«, der englische Name für »Odysseus«, erschien 1922 und beschreibt einen tag - den 16. Juni 1904 - im Leben des Leopold Bloom, Anzeigenakquisiteur bei einer Dubliner Tageszeitung. Detailreich ist die Schilderung, die durch die geheimnisvoll-beschwörende Stimme des Autors, manchmal fragend und manchmal drängend, noch an Intensität gewinnt. »Joyce entzog sich auf den Flügeln der Kunst der Enge, die seine Kindheit und Jugend bestimmte«, so Felicitas Vogel. Der Autor selbst sei von seinem Werk gar nicht so sehr überzeugt gewesen, habe aber gemeint, es werde Generationen von Literaturwissenschaftlern beschäftigen.

James Joyce schuf seine eigene Sprache

Dasselbe gilt für die Übersetzung von »Finnegans Wake«, dem letzten Werk des Autors. Joyce schuf darin eine neue Sprache, indem er englische Wörter trennte, neu zusammenfügte oder sie mit Wörtern anderer Sprachen mischte. Der Inhalt des skurrilen Romans geht auf eine alte irische Ballade über den Baumeister Tim Finnegan zurück, der betrunken bei einem Sturz von der Leiter starb, aber bei seiner Beerdigungsfeier wieder lebendig wurde. Finnegan klettert aus dem Sarg und erzählt im Whiskynebel zwischen Diesseits und Jenseits seine Lebensgeschichte.

Die Aufnahmen entstanden 1924 und 1931 auf einem unbekannten Tonträger und wurden bei einer Lesung in Paris aufgenommen. Es ist nicht bekannt, wie Neske die Aufnahmen bekam oder wo anschließend die Schallplatten gepresst wurden. Eine große Rolle spielt »Shakespeare and Company«, die Leihbücherei der Sylvia Beach in Paris, die als kultureller Treffpunkt diente und in der zahlreiche Kontakte von Intellektuellen zustande kamen. Der Buchladen wurde von Ernest Hemingway, Gertrude Stein, Man Ray oder George Gershwin besucht. Die Schallplatte entstand in einer Gemeinschaftsproduktion des Neske-Verlags und des Zürcher Rhein-Verlags, mit dem zusammen Neske auch eine Übersetzung der Briefe von James Joyce plante.

Große Stimmen bei Neske

Die Reihe »Große Stimmen bei Neske« wird fortgesetzt am Sonntag, 3. September, mit Hans Arp, und am Sonntag, 10. September, dem Tag des offenen Denkmals, mit Günter Grass. Sie endet am Sonntag, 1. Oktober, mit der Stimme von Martin Heidegger. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 15 Uhr. (gb)