PFULLINGEN. Das Publikum strömte nur so, am Ende war auch der farbig illuminierte Chorraum bestuhlt. Patrick Gläser, Kirchenmusiker und Tonstudioinhaber aus Öhringen, der deutschlandweit mit seinem aktuellen Programm »Orgel rockt 7« unterwegs ist, erwies sich auch in Pfullingen als Publikumsmagnet. Seit der Gründung des Projekts, bei dem Rock, Pop und Filmmusik auf der Kirchenorgel interpretiert wird, gab es über 500 Veranstaltungen mit mehr als 110.000 Gästen. Zum Erfolgskonzept gehört, dass die Wünsche des Publikums berücksichtigt werden und dieses mitsingen und mitklatschen darf und auch soll. Ein Teil des Erlöses ist für Renovierung der Kirchenorgel gedacht, auf der immer noch der gewohnte Zettel mit den nicht funktionierenden Registern klebt. Aktuell steht das Spendenbarometer auf 43.600 Euro.
Rockmusik auf der Orgel mag ungewöhnlich sein, doch unter dem Motto »Hoffnung« präsentierte der Profimusiker, der auch Kirchenorganist in Öhringen und Neuenstein ist, Texte, die absolut in den Kontext passten. In »Keep the Faith« (»Bewahre den Glauben«) von Bon Jovi heißt es »Lass Deine Liebe nicht zu Hass werden« und »Es gibt Kriege, die nicht gewonnen werden können.« Der Chanson »Leningrad« von Billy Joel, temperamentvoll und sentimental zugleich interpretiert, träumt von der Freundschaft der Russen und Amerikaner und enthält die Zeile »Ich hoffe, auch die Russen lieben ihre Kinder.« Gespielt auf der Orgel, mit einem unvergleichlichen Sound von vielfältigen Klangfarben entfalteten die Lieder eine besondere Wirkung. Wie der Beifall zeigte, kamen sie beim Publikum richtig gut an.
Imposant-dramatische Soundtracks
Wie geschaffen war die Orgel auch für »Interstellar«, imposant-dramatischer Soundtrack eines Science-Fiction-Films, in dem die Menschheit sich auf einen anderen Planeten retten muss. Ebenfalls um die Zukunft dreht es sich bei »Arrival to earth«: Zwölf außerirdische Raumschiffe landen auf der Erde, die Verunsicherung ist groß, die Verständigung schwierig. Passend zur ungewöhnlichen Szenerie durchschneiden Orgeltöne scharf die Luft, es kracht, knarzt und brummt bedrohlich. Als Zuhörer fragte man sich, ob das alles noch zum Stück gehört oder dem Orgelschaden geschuldet ist. Wie Gläser später erzählte, habe er aber in seinem Spiel die schadhaften Register geschickt umschifft.
»Schön genug« (Lina Maly) stellt die Frage, wann alles endlich perfekt genug sei und Alexa Feser singt in »Mut« vom »Tanz mit der Angst«. Sehr positiv ist zu bewerten, dass Patrick Gläser immer wieder Kontakt mit dem Publikum aufnahm und den Inhalt der Songtexte erläuterte.
Gemeindegesang mit den Toten Hosen
»Far from over« aus dem Film »Staying alive« ist ein stolzes Bekenntnis zum eigenen Überlebenswillen und kam, mit vollem Klang auf der Orgel intoniert, so gut an, dass sich viele Bravorufe in den Beifall mischten. »Hey Jude« von den Beatles war zum Mitsingen, dank Smartphone kein Problem, »Smoke on the water« ist eine Reminiszenz an Deep Purple. Leidenschaftlich sucht »Spirits«, geschrieben von Gläser selbst, nach dem Sinn des Lebens, während »Dernière Danse« (Indila) in einem Tanzmotiv den Trennungsschmerz verarbeitet. Aus einem tiefen Staccato entsteht mit vielen Synkopen eine kraftvolle Drehbewegung.
»Tage wie diese« von den Toten Hosen wurde zu einem Gemeindegesang der besonderen Art. Es geht um Hoffnung, Freude, Unendlichkeit. Stehende Ovationen waren der Lohn für ein tolles Konzert, für das Patrick Gläser natürlich noch Zugaben parat hatte. (GEA)