PFULLINGEN. Rudolf Renz berichtete bei der Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins Pfullingen über den Industriearchitekten Philipp Jakob Manz, der heute als Wegbereiter und konsequenter Verfechter des funktionalen Bauens gilt. 1861 als uneheliches Kind der Metzgerstochter Rosine Schaich in Kohlberg geboren, verbinden sich mit Manz große Namen der heimischen Industriegeschichte. Zu seinen Auftraggebern gehörten die Metalltuchhersteller Christian Wandel, Hermann Wangner und Friedrich Schradin sowie die Strickmaschinenfabrik Stoll und die Spinnerei Gminder.
Gut bekannt ist auch das technische Kulturdenkmal »Wasserschlössle« in Dettingen, 1910 von Manz errichtet. Er baute in Reutlingen das Technikum (heute Polizeipräsidium) und 1925 für die Baumwollspinnerei Unterhausen eine Zwirnerei auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik Krauß Erben in der Klosterstraße 145 in Pfullingen. Es ist das einzige Gebäude, das heute in Pfullingen von Manz erhalten ist.
Veränderung des Stadtbilds
Die Industrialisierung, in England gegen Ende des 18. Jahrhunderts begonnen, habe in Württemberg spät eingesetzt und sich erst zwischen der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 intensiver entwickelt, so Renz. In Pfullingen steht die Papiermühle von Ernst Ludwig Laiblin, Großvater von Louis Laiblin, 1830 am Anfang des Industriezeitalters. Um 1890 war diese Aufbauphase abgeschlossen, welche die Bautätigkeit sehr belebt und eine Veränderung des Stadtbilds und der Lebensverhältnisse bewirkt habe.
Nachdem zuerst örtliche oder regionale Baumeister für Neubauten gesorgt hatten, benötigte man aufgrund der wachsenden technischen Neuerungen schließlich Unternehmen wie das »Spezialbureau für Planung und Betreuung von Industriebauten« von Philipp Jakob Manz in Kirchheim unter Teck. Er entwickelte Gebäude für Salamander in Kornwestheim, Junghans in Schramberg oder Zeppelin in Friedrichshafen und entwarf 1909 den »Glaspalast« in Augsburg. Insgesamt plante das Büro, das größte für Industriearchitektur in Mitteleuropa, 350 Bauten im Inland und 50 in weiteren europäischen Ländern.
Lehre als Steinhauer
Der junge Mann, der den Familiennamen seines Stiefvaters Johann Jakob Manz aus Urach bekam, absolvierte eine Lehre als Steinhauer und studierte parallel zur Arbeit bereits als 16-Jähriger an der Königlich-Württembergischen Baugewerkeschule Stuttgart Architektur und Bauhandwerk. Mit Kursen in Wasserbautechnik baute Manz seine Fähigkeiten weiter aus. Praxis gewann er im Architekturbüro von Otto Tafel und orientierte sich dort in Richtung Industriearchitektur, öffentlichem Profanbau und Wasserbau.
1901 zog Manz mit Frau und drei Kindern nach Stuttgart. Sein Nachbar in Stuttgart war übrigens Theodor Fischer, unter anderem Architekt der Pfullinger Hallen und des Schönbergturms. Manz´ Büro nahm raschen Aufschwung, denn der »Blitzarchitekt«profitierte nicht nur vom Bauboom in der Textilindustrie, sondern entwickelte kreative, schnell umsetzbare, ästhetische und kostengünstige Lösungen durch eine rationalisierte Planung und serielles Bauen. Er entwickelte ganze Komplexe, bestehend aus Fertigungshallen, Bürogebäuden, Fabrikantenvillen sowie Wohnsiedlungen für Arbeiter und Angestellte.
Internationale Erfahrungen
Manz, der als junger Mann in Großbritannien und vermutlich auch in den USA Erfahrungen in der Industriearchitektur gesammelt hatte, nahm dabei auch aktuelle Strömungen wie die Bauhausprinzipien auf. 1912 wurde Manz, der 1936 starb, der Ehrentitel eines königlich württembergischen Baurats verliehen. An den Vortrag schloss sich eine angeregte Diskussion an. (GEA)

