PFULLINGEN/ENINGEN/LICHTENSTEIN. Die Finte war gut: Während Hogamännla, Mottles-Heer, Glöckles-Hexa, Uschlaberghexa und Nachtkappen, gerade den ersten Riegel der Rathausmitarbeiter vorm Pfullinger Bürgermeistersitz durchbrochen hatten und die Amtsstube nach dem Chef durchsuchten, schaute der gut gelaunt aus dem Fenster im Rathaus II. Im Büro des Ersten Beigeordneten hatte sich Stefan Wörner in Sicherheit gebracht und die Rathausmitarbeiter nutzen die Verwirrung, um sich an der Treppe neu zu formieren.
Doch der Riegel hielt nicht lange - und Wörner musste doch den Schlüssel abgeben. So richtig schwer fiel's ihm offenbar nicht. Mit roter Baskenmütze, cooler Sonnenbrille und dem Trinkbecher locker am Gürtel baumelnd war er jedenfalls bestens für die Fasnetsparty auf dem Marktplatz gerüstet. Die Zunftmeisterin der Hoagamännle Victoria Kaupp bahnte sich mit dem Schultes dann den Weg durch die Menschenmenge zum Vorplatz der Kirche.
Mehr ein Triumphmarsch
Dass das mehr an einen Triumphmarsch, denn an einen Abdankungsgang erinnerte, lag mit am lockeren Auftritt des Bürgermeisters. Der hatte auch kein Problem, die Quizfragen von Victoria Kaupp zu beantworten, wusste unter anderem, wie viele Einwohner die französische Partnerstadt der Pfullinger hat und dass man von Passy aus nicht den Georgenberg, sondern den Mont Blanc sieht. Spätestens nach dem Lösungswort Passy, war allen klar, warum die gesamte Rathausmannschaft an diesem Nachmittag »très chic« war. In diesem Jahr wird auf dem Marktplatz auch 40 Jahre Partnerschaft mit Passy gefeiert. Ob's so bunt wird wie beim Rathaussturm, wird sich zeigen. Kindergartenkinder nach ihrem Umzug, Narren und zahlreiche Bürger genossen die Gastfreundschaft der Hoagamännla bis zum Abend.
Das ließ Schlimmes ahnen. Bürgermeister Peter Nußbaum fest im Griff eines Wurz'lsepp wird mit seiner Zwergenmannschaft auf den Rathausplatz geschleppt. Aber statt einer Abreibung, wie in den vergangenen Jahren, gab's für den Lichtensteiner Rathaus-Chef Applaus. Der Grund für die gute Laune von Krautscheißern, Schloss-Wölfen, Wurz'lsepps und Burgstoi-Hexa: Zwei nagelneue Hütten schmücken das kleine Narrendorf vor dem Rathaus: »Meine Auga strahlet ond i han zum Saga koi Scheu, gugget nom zwoi Hütte send neu«, reimte die Zunftmeisterin der Krautscheißer Katja Thomas. Schon lange wünschen sich nicht nur die Narrenvereine Hütten, die sie sich bisher bei dem Nachbarn in Pfullingen borgen mussten.
Bürgermeister reimt und übt
Gute Laune gab's dann erst recht, als der Schultes sich, unterstützt von Rathausmitarbeiterinnen, in eines der Holzhäuschen stellte und Fasnetsküchle und Getränke ausgab. Zuvor blieb noch Zeit für ein ausgiebiges Lob für den Bauhof und vor allem für Marc Tröster, der federführend bei Planung und Bau war. Und der Bürgermeister übte nicht nur den Ausschank, sondern auch fürs große Ringtreffen der Narrenvereine 2027 in Lichtenstein, reimte munter über seine verkleidete Rathausmannschaft: »Doch wir Zwerge sind ne muntre Truppe, zusammen tu mer älles wuppe.« Bis 2027 bleibt ja noch etwas Zeit.
Auch in Eningen gab’s ein Lob für den Schultes. Eric Sindek hatte sich den Umzug vom obersten Fenster des Rathauses aus angeschaut – verkleidet als Hexenmeister und geschützt von einer Heerschar von Hexen. Das machte es der Narrenzunft Häbles-Wetzer nicht einfach, ihn aus seinem Versteck zu holen. Vize-Zunftmeisterin Bettina Rall musste mit ihrem Team unter einem - den Bürgermeister schützenden - Spinnennetz hindurchkriechen, um ihn ans Tageslicht zu bringen.
Sindek verteilt Amtsblatt
Vor dem Rathaus überreichte Sindek den Schlüssel den Narren. Seinen Zwangsurlaub durfte er aber erst antreten, nachdem er das Amtsblatt unter die Leute verteilt hatte. Denn das Blättle – »Lebensgrundlage für die Eninger, ohne das geht man nicht ins Wochenende«, wie Häbles-Wetzer-Zunftmeisterin Karin Kapitel betonte, ist seit Anfang des Jahres nur sehr unregelmäßig oder gar nicht in den Briefkästen der Bürger zu finden.
Also wurde Sindek dazu verdonnert, jeden Freitag bis Aschermittwoch pünktlich um 11 Uhr von seinem Rathausbalkon die Neuigkeiten zu verkünden und musste gestern die Blätter unters Narrenvolk verteilen. Das durfte das Blättle kaufen. Das gesammelte Geld kommt dem Verein für krebskranke Kinder zugute, verkündete Karin Kapitel.
Mit dem Rathaussturm endete der erste Teil des Eninger Schmotzigen Doschdig. Am Umzug machten 38 Gruppen mit, darunter Kindergärten und Schule, alle mit tollen Kostümen. Am Abend gab's noch den Hemdglonkerumzug der Häbles-Wetzer. (GEA)