PFULLINGEN. Die Rezeptur passt: Man nehme einen Sternekoch von der Schwäbischen Alb mit Entertainer-Qualitäten, stelle ihm lokale Promis als Schnippelhilfen in Plauderlaune an die Seite und flugs werden mehr als 300 Menschen über ein wichtiges Thema informiert. Nicht mit dem erhobenen Kochlöffel, sondern unterhaltend in Guter-Laune-Manier: Um gesunde, nachhaltige und vor allem regionale Küche ging’s am Donnerstag in den Pfullinger Hallen bei der inzwischen 17. Kochshow der AOK Neckar-Alb, bei der von Beginn an Simon Tress am Herd der Pop-Up-Küchenzeile steht.
Der Bio-Starkoch machte einmal mehr deutlich: Gesunde Küche ist nicht schwierig, man muss sich nur trauen – nach den vielen Tipps und Tricks von Tress wird das der eine oder andere sicher ausprobieren. Und was spätestens seit Donnerstag allen Zuschauern klar sein dürfte: In der Region gibt’s unzählige hochwertige regionale Produkte. Davon konnten sie sich gleich vor Ort überzeugen: Für jeden gab’s ein Versucherle des vegetarischen Drei-Gänge-Menüs, Fleisch vermisste keiner – auch die aus Gemüseresten fabrizierte Bratensoße im Hauptgang mundete hervorragend.
»Unser Körper ist unser Kapital«
Den schmackhaften Jus gab’s zum Karottenstrudel mit Pilzfrikadelle und geschmorter Pastinake, als kompetent-charmante Küchenhilfe erwies sich bei der Zubereitung Julia Behnke. Die Kreisläuferin der TuS Metzingen und diesjährige Olympiateilnehmerin schnitt nicht nur die Pilze akkurat und rollte den Strudel perfekt, die Handballerin sorgte beim Publikum mit ihren Berichten aus dem Alltag einer in Teilzeit arbeitenden Profisportlerin für Erstaunen über die Trainingsintensität – zwei Mal am Tag – und ihre Ess-Portionen.
»Unser Körper ist unser Kapital«, erzählte die Nationalspielerin, sie verbrauche viel Energie und esse entsprechend viel. »Oft mehr als mein Freund«, gab sie lachend zu und erzählte vom aufregenden Abenteuer Olympia. Im Olympiadorf habe zwar unter anderem ein Sternekoch fürs Essen gesorgt: »Aber das Fleisch war doppelt getötet.« Unvergesslich bleibe dagegen das Viertelfinale-Spiel vor 26.000 Zuschauern gegen Frankreich. »Auch wenn wir es verloren haben«, meint die 31-Jährige und drückt Kartoffeln durch die Spätzlespresse. Der Tipp des Sternekochs: So muss man die Kartoffeln nicht schälen, die Schale bleibt einfach hängen.
»Wir brauchen dringend einen geschützten Begriff«
Simon Tress ist nicht nur ein ausgezeichneter Koch, sondern ein Alleinunterhalter der Extraklasse mit einer klaren Genuss-Botschaft: Die Natur macht den Teller. Bei der Vorspeise stand ihm Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner zur Seite, der ihm in Sachen Entertainer-Qualitäten in nichts nachstand. Trocken sein Humor, ausbaufähig sein Schnippeln. »Ich habe Angst um meine Finger«, erklärte er augenzwinkernd. Doch am Ende war der heimische Hokkaido-Kürbis akkurat geschnitten, von Tress gab’s ein dickes Lob: »Die Stücke sind fast formvollendet. Wenn du einen Hilfsjob brauchst, kannst du dich bei mir melden.« Da bleibe er doch lieber Kommunalpolitiker konterte Wörner, der eines zugeben musste: »Wenn ich in die Küche komme, bekomme ich Hunger.«
Selten koche er jedoch selbst: "Wenn ich Hunger habe, bekomme ich etwas zubereitet." Aber eines sei klar: "Ich esse sehr gerne das, was meine Frau kocht, das schmeckt wesentlich besser." Wenn es möglich sei, so der Schultes, gehe er mit ihr samstags auf den Wochenmarkt – auf dem Einkaufszettel stehe vorwiegend Regionales. Das sei zu seinem Bedauern ein dehnbarer Begriff, so Tress: "Früher war’s das, was um den Kirchturm herum gewachsen ist." Inzwischen gelte als regional, was aus Deutschland komme: »Wir brauchen dringend einen geschützten Begriff«, fordert der Bio-Koch, bei dem auch mal Fleisch auf den Restauranttisch kommt - als Beilage. "Es soll nicht im Mittelpunkt stehen", erklärt er seine Philosophie. Zumal man maximal 300 Gramm Fleisch oder Wurstwaren in der Woche essen soll, wie AOK-Ernährungsexpertin Dr. Ute Streicher deutlich machte – als Moderatorin der Kochshow gab’s von ihr zahlreiche Infos über die Lebensmittel.
Kein Menü ohne Dessert: Beim Hefezopf-Ofenschlupfer mit gestockter Milchcreme, Zwetschgenragout und Salz-Karamellsauce wurde Tress von Marion Rostan, Geschäftsführerin der AOK Neckar-Alb, unterstützt. Wie bei allen anderen Gängen auch hatte das Tress-Team die Appetit-Happen für die Zuschauer im Vorfeld vorbereitet, diese Mengen herzustellen, sei anders nicht leistbar gewesen. Die Zuschauer probierten also nicht das, was die drei Sous-Köche mit Simon Tress gezaubert hatten – das blieb ihnen selbst vorbehalten. Stefan Wörner jedenfalls war vom marinierten Ziegenkäse auf selbst geschnippelten Kürbis-Lauchragout mit Apfel-Rosmarin-Chutney sichtlich begeistert. (GEA)