PFULLINGEN/REUTLINGEN. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden, ziehen Kinder magnetisch an und versprechen das große Geld nebenbei. Die Rede ist von Automaten, an denen verschiedenste Lebensmittel 24 Stunden an sieben Tagen der Woche gekauft werden können. Sie stehen sowohl auf öffentlichem als auch auf privaten Gelände, einzeln oder wie im Falle des Pfullinger »Spätis« in der Schlossstraße zu Häufe auf einem Fleck. Allerdings kommen die Automaten nicht bei allen gut an.
Als Ergänzung zum Verkaufsladen gibt es die Automaten bestückt mit Eiern, Mehl, Käse und Wurst oder Grillgut. Auch Blumen, Eis und anderes können in der Echazstadt über die Automaten erworben werden. Sie bieten regionalen Geschäften die Möglichkeit, rund um die Uhr ihre Produkte anzubieten.
Anzahl wird nicht erfasst
Es gibt auch Automaten, die mit Süßigkeiten, Alkohol und E-Zigaretten versuchen, Kunden anzulocken. Und das mit zunehmendem Erfolg. Zwar könne man keine Aussage treffen, wie viele Automaten inzwischen in Reutlingen und Umgebung stehen, weil sie nicht erfasst werden, teilt das Presseamt der Stadt Reutlingen auf Anfrage mit. Doch man merke die »augenscheinlich zunehmende Anzahl an Automaten«.
Auch in Pfullingen gibt es vielerorts den schnellen Snack. Wie zum Beispiel im »Späti« in der Schlossstraße gegenüber der Wilhelm-Hauff-Realschule (WHR). Offensichtlich ist hier vieles auf die Zielgruppe aus der WHR ausgerichtet. Warheads Cubes, Cheetos Flaming Heads Crunchy oder Frosty Bites: Süßes und Salziges, mit ausgefallenen Namen, ziehen Kinder und Jugendlichen scheinbar in den Pausen und nach Schulschluss an.
Der Schulleiter ist nicht begeistert
»Es ist absurd«, sagt der Schulleiter der Pfullinger WHR-Schule, Jochen Wandel. Er steht dem Späti auf der anderen Straßenseite kritisch gegenüber. Regelmäßig sieht er dort seine Schüler. »Das erfüllt mich mit Wut«, sagt er. An den Automaten kämen Kinder niederschwellig an Produkte heran, die »unglaublich viel Geld kosten«. Problematisch sei für ihn vor allem, dass einerseits in seiner Schule Ernährungslehre unterrichtet, andererseits aber gegenüberJunk-Food verkauft werde, das »hochattraktiv« für Kinder sei.
Dennis Lippitsch freut's dagegen, dass der Späti bei den Schülern so gut ankommt. Er ist der Besitzer der Automaten. Der 35-jährige Werbetechniker verkauft Snacks und Getränke auf diese Weise seit Anfang 2023. Angefangen hat alles mit einem dieser Geräte vor der Tür seines Geschäfts, einen weiteren platzierte er in Holzelfingen, in dem Späti gegenüber der Schule hat er vier Snackautomaten, einen Kaffee- und einen Zigarettenautomaten. Die Idee zu dem Nebenverdienst habe er schon vor zwei Jahren gehabt, wie er erzählt. Dass er sie schließlich umgesetzt hat, hat sich gelohnt. Anfangs erwirtschaftete er nach eigenen Angaben mit allen seinen Automaten einen Umsatz von 30.000 Euro monatlich. Aber er relativiert sofort: »Inzwischen ist das nur noch die Hälfte. Es gibt jetzt viel mehr Angebote.«
»Dumme Produkte« verkaufen sich gut
Aber er will klarstellen: Das Geschäft mit den Snackautomaten sei kein schnelles und einfaches Reichwerden. Täglich füllt er seine Waren auf, hält die Geräte instand und rührt vor allem über Social Media die Werbetrommel. Ganz wichtig sei, die richtigen Produkte im Automaten zu haben. »Ich gucke immer auf TikTok, was läuft«, erzählt er und bestellt es dann. Auch als Import. Das Erfolgsrezept hat er schnell ausgemacht: »Je dümmer das Produkt, desto besser verkauft es sich.« Und er gibt zu: »Ja, die Waren sind überteuert.« Er führte schon viele Gespräche mit Eltern und Lehrern, die sich über sein Angebot beschwert hatten. Aber wofür die Kinder ihr Geld ausgeben, läge nicht in seiner Verantwortung, sagt er.
Auch abseits der Schulzeiten laufen die Automaten gut. Am Wochenende, sowie abends oder nachts, finden regelmäßig Erwachsene den Weg an das Gerät, sagt Lippitsch. Zigaretten – elektronisch oder klassisch – verkaufen sich dann gut, genauso wie Alkohol. Ohne Ausweis sind diese Waren aber nicht zu erwerben.
Müll und andere Probleme
Der Erfolg hat allerdings seinen Preis. »Anfangs hatten wir ein Müllproblem«, erzählt er. Die Verpackungen der Waren wurden vor Ort einfach auf den Boden geworfen. Inzwischen habe er das Problem größtenteils im Griff, nachdem er Mülleimer installierte und über Instagram seine Kunden zur Ordnung aufgerufen hatte. Mehr zu kämpfen hat er mit Vandalismus. Mehrmals seien seine Automaten beschädigt worden. »Früher ist ein Mal pro Woche jemand gegen den Automaten gesprungen«, sagt Lippitsch. »Und einmal wurde ein Automat sogar aus der Verankerung gehoben.« In seinem Späti installierte er deshalb eine Videokamera. Die zugeschaltete Sicherheitsfirma greift ein, sobald sich jemand an den Geräten vergreift.
Laut Julian Gabriel Brenner von der Pressestelle der Polizei Reutlingen wurden im Stadtgebiet Reutlingen und Umgebung in den Jahren 2019 bis 2023 insgesamt 51 Fälle registriert, in denen Automaten gewaltsam angegriffen wurden, um an deren Inhalt zu gelangen. Bei diesen Fallzahlen handle es sich aber um Automaten jeglicher Art im öffentlichen Raum, nicht nur Snackautomaten.
Teilweise Lärmbelästigung
Auch manche Anwohner sind nicht glücklich mit den Snackautomaten. Sowohl in Reutlingen, als auch in Pfullingen gab es schon vereinzelte Beschwerden über Lärmbelästigung, wie die Pressestellen beider Städte berichten. »In der Schlossstraße kommt es immer wieder dazu, dass sich Anwohner durch die Anzahl vorfahrender und haltender Autos sowie dem damit einhergehenden Lärm durch den Kundenverkehr gestört fühlen«, sagt Markus Hehn, Pressesprecher der Stadt Pfullingen. Das sei vor allem am späten Abend und in der Nacht nachvollziehbar. »Im Sinne der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit den ganz unterschiedlichen Produkten, die in den Automaten zu jeder Tag- und Nachtzeit erhältlich sind, sehen wir darin grundsätzlich etwas Positives«, sagt Hehn. »Die problematischen Aspekte werden da offenkundig, wo sich auch zu Ruhezeiten Treffpunkte rund um die Automaten bilden, die dann etwa für Lärmbelästigung sorgen.«
Einfluss auf den Standort der Automaten haben die Städte aber nicht. Viele Automaten, wie auch die von Lippitsch, stehen auf privatem Gelände. Um diese dort aufzustellen, bedarf es keiner besonderen Genehmigung. Zwar sollte im Vorfeld beim Baurechtsamt nachgefragt werden, ob der angestrebte Stellplatz zulässig ist, verpflichtend sei das aber nicht, wie die Stadt Reutlingen erläutert. Lediglich eine Gewerbeanmeldung muss erfolgen. Die Hürde, einen Automaten aufzustellen, ist dementsprechend niedrig. Da sei Baden-Württemberg eine Ausnahme, erklärt Lippitsch. »In Bayern und anderen anliegenden Bundesländern ist das Aufstellen der Automaten auf privatem Gelände nicht genehmigungsfrei«, sagt der Unternehmer.
Sein neuestes Produkt ist übrigens die Dubai-Schokolade - eine Schokolade mit Pistaziencreme und Engelshaar gefüllt. In den Sozialen Medien der letzte Schrei. »Die kostet 15 Euro, wenn man sie dort kauft. Bis sie hier ist, muss man sie für 30 Euro verkaufen«, sagt Lippitsch. Er testet mit kleinen Probiertafeln, wie der neueste Trend ankommt. (GEA)