PFULLINGEN. Die Schlange, die sich um den Hals ihres Halters windet, die Bartagame, die auf der Schulter ihres Besitzers turnt: schöne Bilder – aber eine Qual für die Tiere. Schildkröten, Echsen oder Schlangen wollen nicht auf den Arm genommen, hochgehoben, gekuschelt oder gekrault werden, sagt Anja Zeller vom BMT-Tierschutzzentrum in Pfullingen. Im Normalfall stehen sie nicht auf menschliche Nähe. Diese Tiere gehören für sie grundsätzlich nicht in Privathände, zumindest nicht dann, wenn es sich vermeiden lässt. Denn in einem gewissen Zwiespalt ist Zeller schon, im Tierheim warten eine Bartagame, Pythons, eine Abgottschlange und zwei Kornnattern auf neue Besitzer. »Die würden wir gerne vermitteln«, sagt sie. Natürlich in eine artgerechte Haltung.
Es gibt viele Gründe, die - nicht nur aus Zellers Sicht - gegen eine Haltung von exotischen Wildtieren und Reptilien sprechen, unter anderem auch der Deutsche Tierschutzbund hat sich in dieser Frage klar positioniert. Reptilien sind wechselwarme Tiere, einigermaßen geeignete Lebensbedingung lassen sich nur mit aufwendiger Technik schaffen. Dazu müssen die Terrarien beheizt, eine geeignete Luftfeuchtigkeit gewährleistet, den Tieren verschiedene Temperaturzonen (Sonnenplätze) angeboten werden. Ein regelmäßiger Tag-/Nachtrhythmus einschließlich einer Temperaturabsenkung braucht es für das Wohlbefinden mancher Tiere.
Schildkröten können klettern
Ein Beispiel für die aufwendige Haltung ist die scheinbar pflegeleichte griechische Landschildkröte: Sie braucht nicht nur mindestens pro Tier eine zehn Quadratmeter große Außenfläche, diese muss auch noch gesichert sein. Denn die Tiere bewegen sich schneller als viele denken und können auch klettern. Im Winter brauchen sie dann einen Kühlschrank, denn mit ihm ist es am einfachsten, die geeignete Umgebung für die notwendige Winterstarre der Tiere zu schaffen. Zwischen vier und sechs Grad sollte dann die Temperatur von November bis März betragen.
Platz und Energie braucht’s nicht nur für die Landschildkröten. Was tun, wenn sich der kleine Leguan von einer 15 Zentimeter langen Echse in ein zwei Meter langes Reptil verwandelt hat? Gemäß den Mindestanforderungen des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung wird die Terrariengröße auf Kopf-Rumpf-Länge (KRL) bezogen und soll für bodenlebende Arten (Länge x Breite x Höhe) 4 × 4 × 2,5 der KRL und für alle anderen Arten 4 × 2,5 × 4 KRL betragen. Diese Rauminhalte gelten für die Haltung eines Tieres. Da wird’s mal schnell eng in der Wohnung. Schlangen brauchen ein Terrarium, das mindestens so lang und hoch ist wie ihre Körperlänge und mindestens eine halbe Körperlänge tief. Für den beliebten Königspython, der bis zu 1,80 Meter lang werden kann, braucht’s also reichlich Platz.
Viele Reptilien sind Salmonellenträger
Bartagamen sind als wechselwarme Tiere auf verschiedene Temperaturzonen angewiesen, Sonnenplätze mit Temperaturen von bis zu 50 Grad gehören dabei ebenso zur artgerechten Haltung wie Terrarienbereiche mit 22 bis 26 Grad. Das alles, sagt Anja Zeller, ist nur mit einer aufwendigen Technik samt dem notwendigen Fachwissen zu gewährleisten. Darüber hinaus sind viele Reptilien auf eine Nachtabsenkung der Temperatur und eine bestimmte Luftfeuchtigkeit angewiesen. Ein sauberes Umfeld - und damit die tägliche Entfernung von Futterresten, Kot und Häutungen - ist Pflicht. Dabei ist es wichtig, auf Hygiene zu achten. So gehören Salmonellen häufig zur normalen Darmflora von Reptilien. Sie sind jedoch vor allem für Kinder, Senioren und geschwächte Menschen eine Gefahr.
Übers Geld muss man reden
Aufgrund der klaren Empfehlung der BMT-Tierheimleiterin Anja Zeller, auf die Haltung von Reptilien und Schildkröten in Privathänden zu verzichten, gibt es an dieser Stelle ausnahmsweise keine Auflistung der Kosten. Zeller steht mit ihrer Meinung nicht alleine, etwa der Deutsche Tierschutzbund spricht sich ebenfalls deutlich dagegen aus. Es gibt aber auch andere Meinungen. Im Leitbild der Reptilien-Auffangstation in München heißt es beispielsweise: »Wir sind nicht gegen die fachlich korrekte und verantwortungsvolle Haltung von Tieren, auch nicht von Tieren wild lebender Arten in Privathand.« Auf der Internetseite der Auffangstation oder in der Haustierdatendank des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung finden sich für viele exotische Tiere Haltungsempfehlungen und Mindeststandards. (us)
Auch die Ernährung ist oft nicht ganz unproblematisch – etwa bei Schlangen. Viele lassen sich nur schwer auf Frostfutter umstellen. Eine Fütterung mit lebenden Mäusen lehnen Tierschützer aber ab. Die Futtertiere müssten dann bis zur Fütterung ebenfalls artgerecht gehalten werden. Der Hinweis, dass die Maus in der freien Natur ja auch von der Schlange gefressen wird, ziehe nicht, sagt Zeller. Denn das Beutetier habe im Terrarium keine Chance zur Flucht und sei deshalb, besonders wenn es nicht gleich gefressen wird, unnötigen Qualen ausgesetzt.
Tierarzt mit Fachwissen gefragt
Apropos Qualen: Ob’s den Tieren gut geht, ist nicht so leicht festzustellen. Python, Kornnatter, Schildkröte schnurren nicht, wenn’s ihnen gut geht, und jaulen nicht, wenn sie krank sind. Und ob die Schlange diese Woche einfach nur besonders träge ist oder sich nicht bewegt, weil es ihr nicht gut geht, ist nicht so einfach zu erkennen. Einen Tierarzt, der sich mit Reptil & Co. auskennt, in der Nähe zu haben, ist für Zeller ebenso notwendig, wie ein Halter, der sich intensiv um seine Tiere kümmert und ihren Zustand einschätzen kann.
Was auch nicht zu unterschätzen ist, die Tiere werden teilweise sehr alt. Eine griechische Landschildkröte kann ihren Besitzer überleben. Sie wird bis 80 Jahre alt, ein Königspython erreicht in Gefangenschaft 20 Jahre, manche leben noch länger. Es heißt also, lange Verantwortung für die Tiere zu übernehmen. Nicht selten kommt es deshalb dazu, dass Reptilien beispielsweise in der Auffangstation in München landen, weil sich die Lebensumstände der Halter ändern. »Die ist voll«, sagt Zeller. Die Gründe reichen vom Umzug über einen neuen Lebenspartner bis dahin, dass sich niemand findet, der sich während des Urlaubs oder anderen Abwesenheiten um die Tiere kümmern will.
All das lässt Anja Zeller zu dem Schluss kommen: Wildtiere gehören nicht in private Hände. Sie versteht es nicht, warum Menschen sich Reptilien halten, womöglich aufgrund der Szenerie im Terrarium. »Vielleicht sollte man sich da lieber ein Bild davon ins Zimmer hängen«, sagt sie am Ende des Gesprächs. (GEA)