PFULLINGEN. Es ist zumindest auf den ersten Blick ein unscheinbares Relikt. Doch wer die schwere Tür am Eingang zur Klosterkirche aufdrückt, taucht ein in längst vergangene Zeiten. Erst recht, wenn er sich Zeit nimmt für einen Rundgang durch das Klostermuseum. Dann ist das Leben der Klarissen hinter den dicken Mauern gar nicht mehr so weit weg, die Pfullingen ein Kleinod von europäischer Bedeutung hinterlassen haben. Während Corona war das Museum geschlossen, seit dieser Saison ist es wieder jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr zugänglich.
Den Klostergarten kennen viele, die dort bei Lesungen oder anderen Veranstaltungen die unbeschwerte leichte Atmosphäre genießen. Was für ein Kontrast zu dem, was sich wohl vor langer Zeit hinter den Klostermauern abgespielt hat. Gleich zu Beginn des Rundgangs im Erdgeschoss der Klosterkirche wird deutlich, dass eigentlich nur noch ein kümmerlicher Rest vom 1252 gegründeten Klarissenkloster erhalten ist. Das zeigt ein Blick auf die Darstellung der gesamten Anlage und eine, wenn auch in die Jahre gekommene, Videopräsentation, die zum Start des Rundgangs wichtige Daten der Klosterkirche liefert. Schnell wird klar, dass das Kloster keineswegs nur ein Ort des Betens und der Demut war, sondern auch ein Machtzentrum, dessen Grundbesitz sich nicht nur auf Pfullingen beschränkte.
Großer Landbesitz
In der Echazstadt gehörte dem Kloster fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche, in Genkingen und Reicheneck die ganze und in vielen umliegenden Dörfern bis nach Stuttgart zahlten Bauern ihm Abgaben. Das Kloster war wohlhabend, gleichwohl sich die Nonnen der Armut verschrieben hatten. Die heilige Klara, die Ordensgründerin, forderte wie ihr Vorbild der heilige Franziskus nicht nur individuelle Armut, sondern auch Besitzlosigkeit des Klosters. Doch die Realität machte dem einen Strich durch die Rechnung, jede der Novizinnen, die wohl in der Mehrheit freiwillig hinter die Klostermauern gingen, brachte Geld und/oder Land mit. Anfangs finanzierte sich das Kloster vor allem aus dieser Mitgift und diesen Schenkungen, später kaufte es Ländereien zu und verwaltete sie wirtschaftlich und kam so zu beträchtlichem Vermögen, wie auf eine der zahlreichen Schautafeln auf dem Rundgang zu entnehmen ist. Dabei war eigentlich das alles von der Heiligen Klara ganz anders gedacht.
Wer die Klosterkirche verlässt, dabei auch die mittelalterlichen Fresken im obersten Stockwerk hoffentlich nicht links liegengelassen hat, kommt durch das sogenannte Atelierhaus, das erst in der nach klösterlicher Zeit als Scheune angebaut wurde. In den 1950 Jahren wurde der Ostteil abgerissen und der Westteil zu einem Atelier, einer Künstlerklause, ausgebaut. Seit der Renovierung Anfang der 2000er-Jahre dient es als Vereinszimmer oder auch als Garderobe für die Künstler, die in der Klosterkirche auftreten. Die Räume sind aber nicht zugänglich, der Rundgang führt am Aufgang zur Klause vorbei in den Klostergarten, der in den wärmeren Monaten eine von Autoren und Künstlern geschätzte Atmosphäre bietet. Schautafeln erinnern dort etwa an die Klostermühle, die erstmals 1412 erwähnt wurde und erst 1968 bei der Erweiterung des Friedrich-Schiller-Gymnasiums der Spitzhacke zum Opfer fiel.
Ein Prunkstück
Begrenzt wird der Klostergarten zum einen vom neu gebauten Saal und dem Prunkstück der Klosterüberbleibsel, dem Sprechgitter. In keinem Nonnenkloster des Kontinents hat sich vergleichbares Stück erhalten. Nur durch dieses konnten die Nonnen damals Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Kniend, wie Sabine Hohloch, Leiterin der Stabsstelle Kultur, auf dem Rundgang erläuterte. Damals stand das Sprechgitter wohl nicht im Freien, sondern war Teil eines Sprechzimmers, dem Parlatorium.

Etwas von der Atmosphäre des Spätmittelalters vermittelt dann auch die Ausstellung im sogenannten Waschhaus, das an das Sprechgitter angrenzt. Ein Vorhang soll die Trennung zwischen dem abgeschiedenen Leben der Nonnen hinter den Mauern der Klosterkirche und der Außenwelt symbolisieren. Dahinter verbirgt sich ein Raum, in dem das Leben der heiligen Klara ausführlich dargestellt wird und die Welt zeigt, in der sie aufgewachsen und gewirkt hat. Geprägt ist das Leben der Ordensgründerin von der Armutsbewegung des heiligen Franziskus und der Liebe zu ihm. Geborenen wurde Klara um 1193 als Tochter eines wohlhabenden Ritters in Assisi (Italien) und dort genießt eine ausgezeichnete Erziehung, lernt Lesen und Schreiben auch. Ihr Traum von einem Leben als Bettlerin wurde ihr verwehrt - ihre Ordensregeln bestimmten aber nachhaltig das Leben hinter den Pfullinger Klostermauern, bis es schließlich etwa 1590 die letzte noch lebende Nonne zum Protestantismus konvertierte und damit die Geschichte des Klarissenklosters endete.
Wer tiefer in die Geschichte des Klosters und seiner Bewohnerinnen einsteigen will, sollte etwas Zeit mitbringen. Das Museum hat jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Die Stadt bietet auf Nachfrage auch Führungen an. (GEA)